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Verhandlungen oder Selbstmord

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Im Schatten der kriegerischen Ereignisse in und um Nikaragua hatzwischen Delegierten der Regierung El Salvadors und Vertretern der oppositionellen „Demokratisch-Revolutionären Front” (FDR) ein Dialog begonnen. Er soll eine friedliche Lösung des seit nahezu drei Jahren tobenden Bürgerkrieges in die Wege leiten. Bislang haben die Gespräche allerdings nicht viel gefruchtet.

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Im Schatten der kriegerischen Ereignisse in und um Nikaragua hatzwischen Delegierten der Regierung El Salvadors und Vertretern der oppositionellen „Demokratisch-Revolutionären Front” (FDR) ein Dialog begonnen. Er soll eine friedliche Lösung des seit nahezu drei Jahren tobenden Bürgerkrieges in die Wege leiten. Bislang haben die Gespräche allerdings nicht viel gefruchtet.

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In den unter Vermittlung von US-Sonderbotschafter Richard Stone und Kolumbiens Präsident Belisario Betancur zustandegekommenen Kontaktgesprächen konnte bis zum Zeitpunkt nicht einmal eine Einigung über den Verhandlungsgegenstand erzielt werden. Die zaudernde Regierung des zentralamerikanischen Kleinstaates wird zusätzlich durch rechtsgerichtete paramilitärische Gruppen unter Druck gesetzt, die dialogbereite Personen mit Bombenanschlägen und Morddrohungen einschüchtern.

Francisco Quinonez, der Vorsitzende der salvadorianischen Friedenskommission, reiste Anfang Oktober enttäuscht aus Bogota ab, nachdem er bei einem Zusammentreffen mit Vertretern der FDR und der „Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti” (FMLN) keinen Konsens über die zukünftigen Diskussionspunkte aushandeln konnte.

Die Revolutionäre von der FDR/FMLN wollen über konkrete Beteiligung an der Regierung sowie über die zukünftige Wirtschaftspolitik und Zusammensetzung der Streitkräfte sprechen. Die Regierung unter dem provisorischen Präsidenten Alvaro Magana bietet Beteiligung an den für Anfang kommenden Jahres vorgesehenen Präsidentschaftswahlen gegen Waffenniederlegung.

Die FMLN beherrscht indessen rund ein Zehntel des Territoriums (El Salvador ist mit rund 22.000 Quadratkilometern etwa so groß wie Niederösterreich), wo teilweise schon autonome Verwaltungen eingerichtet wurden.

Eine Beteiligung an Wahlen hat die FDR/FMLN stets zurückgewiesen, solange die Regierung nicht einmal in der Lage ist, die Anschläge rechter Terrorgruppen gegen christdemokratische Funktionäre zu verhindern. Die Christdemokraten mit ihrem vorsichtigen Reformprogramm finden sich am äußersten linken Rand des legalen Parteienspektrums.

Gerade in den letzten Monaten hat die zunehmende Aktivität paramilitärischer Todesschwadronen allen deutlich vor Augen geführt, daß es in El Salvador mächtige Interessensgruppen gibt, die weder von Dialog noch von einer Legalisierung der Linken etwas wissen wollen. Während die „Geheime Antikommunistische Armee” Bombenanschläge gegen die Jesuitenuniversität (UCA), einen christlichen Gewerkschafter und einen Schriftsteller richtete, entführte die „Brigade Maximiliano Hernändez” den Staatssekretär für Wirtschaftsfragen im Außenministerium Amilcar Martinez, der sich öffentlich für einen Dialog ausgesprochen hatte.

Unter diesem Druck von innen will die Regierung auch nicht auf die Forderung der Rebellen ein- gehen, die nächste Runde in San Salvador abzuhalten. Die Oppositionellen, die in diesem Punkt nicht nachgeben wollen, betrachten die angestrebten Verhandlungen als nationale Angelegenheit, die nicht unbeachtet an einem neutralen Ort ablaufen dürfe.

Inhaltliche Fragen sind bisher vorsichtig ausgeklammert worden. Das war beim ersten Treffen zwischen US-Sonderbotschafter Richard Stone mit Ruben Zamora von der FDR, das Anfang August unter Vermittlung von Belisario Betancur im kolumbianischen Präsidentenpalast stattfand, nicht anders als beim Folgetreffen in San Jose (Costa Rica) oder bei den bisherigen Kontakten zwischen der Friedenskommission und einer FDR-Delegation in Bogota. Man konnte sich jeweils lediglich über die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft und den nächsten Termin einigen.

Francisco Quinönez von der Friedenskommission beklagte sich, daß ihm untergeordnete Repräsentanten der Oppositionsfronten gegenübersäßen. Bei den drei Delegierten der FDR/FMLN handelt es sich zwar in der Tat nicht um Leute der ersten Garnitur, jedoch um erfahrene Mitglieder der heute verbotenen Massenbewegungen, die (im Unterschied zur Friedenskommission) mit weitgehenden Verhandlungsvollmachten ausgestattet sind.

Die FDR bezweifelt ihrerseits die Repräsentativität der Friedenskommission, die zum jüngsten Treffen in Bogota mit einem seit Monaten unveränderten Vor schlag der Regierung im Diplomatenkoffer angereist kam und von diesem um keinen Millimeter abzurücken bereit war.

Die Regierung hatte sich Anfang August vergangenen Jahres im sogenannten „Pakt von Apa- neca” unter anderem zur Einberufung einer Friedenskommission verpflichtet. Dieser Kommission, die erst Anfang dieses Jahres zusammentreten konnte, gehören ein Industrieller und ein Geistlicher an, aber keiner, der tatsächlich im Namen der Regierung sprechen könnte.

Zudem weiß auch in El Salvador keiner genau, wo die tatsächliche Macht im Lande liegt: beim Präsidenten Magana, der von Anfang an ein Kompromißkandidat war; beim rechtsextremen Major Roberto d’Aubuisson, der derzeit als Präsident der verfassunggebenden Nationalversammlung fungiert; beim Generalstab der Streitkräfte oder in der zu einer wahren Festung ausgebauten Botschaft der USA, an der keine wichtige Entscheidung vorbeigeht.

Washington scheint noch immer mit einer militärischen Lösung zu liebäugeln: Im Juni nahmen die US-amerikanischen Militärberater den salvadorianischen Offizieren den Befehl über die

Truppen im Einsatz aus der Hand und dirigieren seither den Anti- Guerillakampf mit. Bisher jedoch mit mäßigem Erfolg: Wenn sie auch anfangs gegenüber den Rebellen Boden gutmachen konnten, gelang es ihnen doch nicht, diese militärisch entscheidendzu schwächen. Das beweist die im September angelaufene bisher größte Guerillaoffensiveim

Osten des Landes.

Deswegen wollen sich die Verantwortlichen in Washington auch die Option der Verhandlungslösung als „zweites Gleis”, offenhalten. Francisco Diaz, Generalsekretär der „Christlichsozialen Volksbewegung”, einer der in der FDR zusammengeschlossenen Organisationen, wirft den Amerikanern vor, durch ihre Verhandlungsstrategie die FDR spalten zu wollen: „Sie wollen uns zu einem Rückschritt von demokratisch-revolutionären zu demokratisch-reformistischen Positionen bewegen”. Ziel sei es, einen „gemäßigten” Flügel der Oppositionsfronten zu einem Einschwenken auf das Angebot der Regierung (Wahlbeteiligung) zu bewegen und die „Radikalen” zu isolieren.

Gefährliche dritte Option

Derzeit sitzt jedoch die Regierung in San Salvador samt ihrem großen Verbündeten auf dem kürzeren Ast. Der Überzeugung des Erzbischofs Arturo River…amas, „der einzige Ausweg ist ein politischer, denn die Suche nach einer militärischen Lösung käme kollektivem Selbstmord gleich”, haben sich nämlich auch mächtige wirtschaftliche und kirchliche Lobbies in den USA angeschlossen, die nicht nur auf den Kongreß Druck ausüben, sondern auch die öffentliche Meinung erheblich beeinflussen.

Will sich Präsident Magana also nicht mangelnde Verhandlungsbereitschaft vorwerfen lassen, so kann er die Vorschläge der FD…bhalten der Gespräche im betroffenen Land über konkrete politische und wirtschaftliche Frage…icht völlig ignorieren. Tut er es doch und bricht damit den Dialog ab, so läßt er den USA nur mehr den Weg der dritten Option offen, die auch Präsident Reagan gerne vermeiden möchte: nämlich die direkte militärische Intervention.

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