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Verkrampfung an der Kirchenfront

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Nach dem großen Eucharistischen Kongreß in Zagreb, der Jugoslawiens Katholiken mit Recht mit Freude und Stolz erfüllt hat, ist nun wieder der Alltag eingekehrt. Immer deutlicher wird: Der Papstbesuch wird so bald nicht zu realisieren sein.

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Nach dem großen Eucharistischen Kongreß in Zagreb, der Jugoslawiens Katholiken mit Recht mit Freude und Stolz erfüllt hat, ist nun wieder der Alltag eingekehrt. Immer deutlicher wird: Der Papstbesuch wird so bald nicht zu realisieren sein.

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Der klimatische Umschwung ist merkbar und fast dramatisch: Unmittelbar vor und auch während des Eucharistischen Kongresses in Zagreb (Agram) in der ersten Septemberhälfte war das Einvernehmen zwischen Staat und Kirche, zwischen Katholiken und Behörden gut bis konfliktfrei. Die Massenmedien würdigten das kirchliche Großereignis, verzichteten auf Polemik und hodaß sich Messen und Prozessionen auf den kirchlichen Rahmen beschränkt und keine politischen Aspekte besessen hätten.

Der konfliktfreie Verlauf und auch die Grußbotschaft des Papstes an den Kongreß, in der auch vage von einem „Besuch in naher Zukunft" in Jugoslawien die Rede war, verführte nicht wenige politische Beobachter zu einem voreiligen Schluß: Die Hindernisse, die einer Visite des Papstes im September 1984 entgegengestanden waren, seien nun überwunden; das Verhältnis Kirche-Staat in Jugoslawien sei nun so entkrampft, daß Johannes Paul II. wirklich seine zweite Pilgerreise in ein kommunistisches Land antreten könne.

Die Spekulation war verfrüht. Eine Woche nach dem Eucharistischen Kongreß in Zagreb donnerte bereits der gegenwärtige Parteichef der jugoslawischen Kommunisten, Ali Sukrjia, auf der Parteischule in Kumrovec, dem Geburtsort Titos:

„Der Kleronationalismus tritt immer aggressiver in Erscheinung. Die Kirchen versuchen, den

Glauben zu politisieren und sich als Schützer und Bewahrer der Kultur und nationalen Identität der Völker im jugoslawischen Bundesstaat darzustellen."

Das war eine eindeutige polemische Spitze gegen den zu Ende gegangenen Kongreß in Zagreb, dessen Leitsatz ja gelautet hatte: „Das kulturelle Erbe der kroatischen Nation ist untrennbar mit unserem christlichen Glauben verbunden."

Durch die Worte des Parteichefs schien das Signal gegeben worden zu sein, sich auf Kirche und Eucharistischen Kongreß einzuschießen. Das Parteiorgan „Borba" (Belgrad) sah in der kirchlichen Veranstaltung in Zagreb eine „Vertiefung der klerikalen Linie" und kritisierte „politische Manifestationen".

„Borba" verbiß sich auch an dem Wort von Wiens Kardinal Franz König, der den Papst beim Kongreß und auch beim Abschlußgottesdienst im Marienheiligtum und Wallfahrtsort Marija Bistrica vertreten hatte. Kardinal König hatte von „Glaubensverfolgten" in Jugoslawien gesprochen, ein Vorwurf, den die „Borba" unter Hinweis auf die Verfassung entrüstet zurückwies.

Auch in Kroatien selbst löste das kirchliche Großereignis politische Nachbeben aus, wodurch neuerlich eine Menge an „Geröll" den Weg zu einer Verständigung zwischen Katholiken und Behörden und für einen Papstbesuch versperrt.

Der Dogmatiker Dragosavac entdeckte „unannehmbare Erklärungen", witterte kirchliche Einmischung in rein staatliche Dinge und griff — sozusagen im Rundumschlag — nicht bloß die katholische, sondern auch die serbisch-orthodoxe Kirche an.

Am ausführlichsten und differenziertesten befaßte sich der gegenwärtige KP-Chef in Kroatien, Mika Spiljak, mit kirchlichen Fragen nach dem Eucharistischen Kongreß in seinem Bundesstaat. In seiner Stellungnahme im Zagreber „Vjesnik" ist aufgelistet, was einer Verständigung — aus kommunistischer Sicht—im Wege steht:

• Die katholische Kirche kann nicht den Anspruch erheben, die einzige und wichtigste Vertreterin des Kroatentums zu sein. Denn das würde, so Spiljak, bedeuten, „daß wir, die wir keine Katholiken sind oder nicht glauben, auch keine Kroaten sind".

• Die katholische Kirche habe in der Vergangenheit „viel Gelegenheit gehabt", sich für das Kroa-tentum einzusetzen, sei aber im Zweiten Weltkrieg „auf der anderen Seite" gewesen. So Spiljak wörtlich. Und ergänzend: „Unser Volk hat das nicht vergessen und wird das nicht vergessen."

• Die vom Kongreß unterstrichene These, daß „allein die Kirche eine wahre moralische Erziehung geben kann", will Spiljak nicht gelten lassen. Sein Argument: „Wir müssen in Erinnerung rufen, daß bis zur Befreiung Kroatiens die Kirche eine vorherrschende Rolle in der Erziehung hatte. Gab es damals keine moralischen Deformationen und Abweichungen?"

So hat der Kongreß in Zagreb auf staatlicher und kommunistischer Seite nur Nervosität und Empfindlichkeit hervorgerufen, von einer erhofften Verbesserung des Klimas ist man weit entfernt.

Das ist an und für sich auch gar kein Wunder: Der Vielvölkerstaat wird von einer Wirtschaftskrise geschüttelt, das Regime sieht sich bedrängt und schlägt aus: Gegen alles und jedes, was — aus seiner Sicht - das System und den „Sozialismus" gefährdet. Ob das nun Oppositionelle, dissidente Künstler, „Nationalisten", „Anarcholi-berale" — oder eben die Religionsgemeinschaften sind.

Denn — und das hat sich auch gerade in jüngster Zeit dramatisch gezeigt: Nicht nur die katholische Kirche ist Gegenstand der Kritik, sondern sogar die meist äußerst staatsloyale serbisch-orthodoxe Kirche ist ins Schußfeld geraten.

Kritisiert wurde von den jugoslawischen Ideologen etwa, daß im ehemaligen Konzentrationslager (des faschistischen kroatischen Ustacha-Regimes) in Jase-novac eine orthodoxe Versöhnungsgedächtniskirche von Pa-triarach German eingeweiht wurde. Kritisiert wurde die angeblich von der serbisch-orthodoxen Kirche vertretene These, sie sei die einzige, die Erinnerung an die Opfer des serbischen Volkes im Zweiten Weltkrieg bewahre und die auch unwahre Behauptungen über die Gefährdung des serbischen Volkes im Bundesstaat Kroatien verbreite.

Der islamischen Glaubensgemeinschaft ist, vor allem in Bos-nien-Hercegovina, von Partei-Ideologen und Staatsvertretern der Vorwurf gemacht worden, sie verbinde Religion und „Nationalismus" und habe islamische Glaubenshäuser für politische Treffen zur Verfügung gestellt.

Eine Entspannung in Jugoslawien an den kirchenpolitischen Fronten ist wohl erst zu erwarten, wenn die allgemeine Krise im Balkanstaat sich löst und damit auch Verkrampfungen, „Lagerund Festungsgedenken" und nervöses Uberreagieren überflüssig werden.

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