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Verlängerte Werkbank

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Das Burgenland als Wirtschaftsraum - das bedeutet einen ganzen Sack von Problemen, wie sie in Peripherien aufzutauchen pflegen. Nicht nur die geographische Randlage, nicht nur die bis vor kurzem tote Grenze sind schuld daran, sondern auch die Spätfolgen des hier sehr lange sich be-hauptenden Feudalismus sowie des Wegfalls von Investitionen in der seinerzeitigen russischen Besatzungszone.

Außerdem ist das Burgenland eine traditionell bäuerliche Landschaft, leider mit längst einseitig spezialisierter Produktion, die nur die Agrarüberschüsse mehrt. Als Industrielandschaft ist es schwach entwickelt. Mit Recht spricht man von einer „verlängerten Werkbank"; denn hier werden vor allem zu eklatant schlechter Bezahlung Produkte mit starker internationaler Konkurrenz, also geringer Nachfragedynamik, in Filialen größerer Betriebe serienmäßig hergestellt. Lei-tungs- und Planungsfunktionen solcher Betriebe bleiben aber in den Zentren, sodaß sich eine starke ökonomische Abhängigkeit der Region von Wien ergibt.

Durch wahllose Vergabe attraktiver Förderungsmittel hat man in den 60ern und 70ern gerade solche Firmen ins Land geholt, manchmal Ausleger multinationaler Unternehmen, „die ihren kurzfristigen Personalengpaß...behoben und nach Abdeckung der Produktionsspitzen oder nach Auslaufen der Subventionen ihre Werktore wieder schlössen" - so Rainer Klien in dem von der „Burgenländischen Forschungsgesellschaft" herausgegebenen Band „Standort Burgenland, Probleme und Entwicklungschancen der Peripherie". Oder ..Rucksackbetriebe": Sie wechselten häufig ihre Standorte, um jeweils Förderungen zu kassieren, ..ohne daß unter dem Strich ein positiver Arbeitsmarkt-Effekt zustandegekommen wäre" (Klien). Diese Betriebsansiedlungspolitik -so fast alle Autoren des genannten Buches - ist heute nicht mehr zielführend.

Peripherisierung ist ein Teufelskreis: Weil es im Burgenland zu wenig hochqualifizierte Arbeitsplätze gibt, sind die meisten Leute nicht motiviert, sich um eine höhere Ausbildung zu bemühen. Und diejenigen, die es doch tun, suchen sich ihre Posten dann ohnehin lieber anderswo, denn das Lohnniveau daheim ist kein Grund zum Bleiben: So verdient ein höherer Angestellter im Burgenland um 20 Prozent weniger als sein Wiener Kollege.

Etwa ein Drittel (!) aller burgenländischen Erwerbstätigen pendelt. Durch diesen quantitativen Arbeitskräfteverlust ist die wirtschaftliche Infrastruktur im Land zu wenig ausgelastet, wodurch sie wiederum schlechter wird, sodaß für anspruchsvolle Industrien kein Anreiz besteht, sich hier niederzulassen.

Die Rezession Ende der 70er Jahre, anfangs der 80er brachte den burgenländischen Industrialisierungs-Boom zum Abflauen; eine Ernüchterung, die zum Denken zwang. Auch staatliche Institutionen haben die „endogene Regionalentwicklung" entdeckt, konstatiert in dem erwähnten Band Elisabeth Deinhofer, warnt aber gleichzeitig

davor, sich von „der vordergründigen Übereinstimmung im Vokabular" täuschen zu lassen. Sie fürchtet, damit sei eher ein Adaptieren der Entwicklung in den Zentren gemeint.

Andererseits gehen heute von der Basis zahlreiche, oft vielversprechende Initiativen aus. Aber: „Es ist äußerst schwierig, von öffentlichen Institutionen eine dauerhafte Finanzierung zu erreichen" (Deinhofer).

Und an anderer Stelle schon massiver: „Das politische Leben in der Region ist vielfach durch informelle Absprachen, rigide Parteigrenzen, Ausgrenzung von Andersdenkenden sowie eingefahrene Denk- und Handlungsweisen geprägt."

„StandortBurgenland" bietet ein breites Spektrum an Vorschlägen und Informationen über geplante und schon laufende Projekte - von „Qualitätsring Ferienwohnungen " bis zum Tagesmütterprojekt in Eise*nstadt, vom Bildungsinformationssystem BISYS bis zum #Ge-würzanbau im Südburgenland, von Ideenbörsen bis zu den Beratungsaktivitäten der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Regionalentwicklung (ÖAR).

Tenor der Ausführungen: Nur dann wird sich die Region eigenständig und hin zu einer stabilen, wachstumsfähigen Wirtschaft ent-

wickeln können, wenn den heimischen Unternehmern (und solchen, die es werden wollen) langfristig begleitende Beratung sozusagen an die Tür geliefert wird, ferner, wenn Know-How und Informationen über fortschrittliche Technologien. über Förderungen, Aus- und Weiterbildung, Vermarktungsmöglichkeiten und alles, was sonst noch vonnöten ist, möglichst bequem zugänglich gemacht wird.

Vor allem Forschung und Entwicklung sollten von der öffentlichen Hand großzügig gefördert werden. Wichtig ist auch, daß alle beschäftigungspolitischen Schritte vorerst einmal auf in der Region vorhandene Arbeitskräfte mit Spezialfähigkeiten abgestimmt werden. Im übrigen sollten sämtliche öffentliche und private Institutionen ihre Tätigkeit möglichst aufeinander abstellen, damit nicht - wie schon geschehen - hoffnungsvolle Projekte im Zuständigkeitendschungel versanden. Auch sonst liegt die Zukunft in der Kooperation: Nur in einer vielfältig vernetzten Wirtschaftsstruktur kommt es bei Wachstumsprozessen an einzelnen Punkten zu einer Multiplikatorwirkung.

STANDORT BURGENLAND. Probleme und Entwicklungschancen der Peripherie. Von Heinz Faßmann, Ulrike Pröll (Hrsg.). Prugg Verlag, Eisenstadt 1990, 215 Seiten. öS 150.-.

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