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Verlegene Ratlosigkeit

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Wer die Wahlszene in Oberösterreich verfolgte, mußte nach dem eindrucksvollen und in diesem Ausmaß selbst von den allergrößten Optimisten des VP-Lagers nicht erwarteten Wenzl-Sieg registrieren, daß sich nach der Entscheidung die Parteien erst an das Ergebnis „gewöhnen“ mußten. Und zwar alle drei im ober-österreichischen Landtag vertretenen Parteien. Der Grund dafür, daß nicht sofort ein personelles und ressortmäßiges Tauziehen einsetzte, liegt darin, daß niemand ernsthaft damit gerechnet hatte, eine Partei könnte so stark werden, um mit alleiniger Kraft den Landeshauptmann zu stellen.

Das Resultat ist eine gewisse Ratlosigkeit auf seiten von SP und FP. Auch in der VP müssen neue Sandkastenspiele hinter verschlossenen Fraktionstüren zur Auslotung der Siegermöglichkeiten absolviert werden. Erst wenn die parteiinternen Klärungen erfolgt sind, werden die Gespräche über die Neugestaltung der politischen Machtlandschaft in Oberösterreich einsetzen.

Die schwierigste Rolle, so paradox dies auf den ersten Blick scheinen mag, hat der Sieger, die ÖVP mit Landeshauptmann Wenzl. Einerseits wird man natürlich bestrebt sein, die eindeutige Wählerentscheidung optimal in die landespolitische Einflußnahme umzusetzen. Anderseits sollte zumindest in irgend einer Form die Bereitschaft zur Aufrechterhaltung des „oberösterreichischen Klimas“ ihren Ausdruck finden, was vor allem die Sozialisten berührt.

Diese Zweiparteienbeziehung wird aber gerade für die VP zur Dreiecksgeschichte, wenn man berücksichtigt, daß sie bei der Landtagswahl 1967 den Landeshauptmann nur mit

Unterstützung der Freiheitlichen stellen konnte. Würde jetzt die FP von der VP einfach beiseite geschoben, so könnten sich die Freiheitlichen, die im nachhinein als „nützliche Idioten“ abqualifiziert wären, ein sehr lange — zumindest bis zur nächsten Nationalratswahl — wirkendes Argument zurechtlegen, das jede künftige Hilfe für die Volkspartei ausschließt. Es wäre daher keine Überraschung, wenn es im neuen Landesparlament einen Dritten Landtagspräsidenten namens Horst Sehender, Landesobmann der Freiheitlichen, geben sollte, gewissermaßen auch als Rückversicherung für die Bundeszukunft der Volkspartei.

Für die VP-Mannschaft in der Landesregierung liegen vorderhand keine Veränderungshinweise vor. Allerdings wurden bereits vor der Wahl

verschiedene Kombinationen um den VP-Landessekretär Ratzenböck laut, der als engster Parteivertrauter des Landeshauptmannes und kompromißloser Wenzl-Kämpfer zu Regierungsehren kommen könnte. Dabei dürfte ein Landesratsposten für den Sekretariatschef der Volkspartei nicht als „Belohnung“ gesehen werden, sondern als weitere Festigung der Position Wenzls in der Regierung. Ob dies für die Partei an sich ein Vorteil wäre, wurde dagegen von Leuten aus den eigenen Reihen bereits beim ersten Verlauten eines möglichen Ratzenböck-Avancements bezweifelt. Zwangsweise, so wurde argumentiert, brächte ein Regierungsamt zumindest eine Halbierung der bis jetzt voll und ausschließlich für die Partei wirkenden Dynamik des VP-Sekretärs, auf dessen Konzeptkonto die erfolgreichen Werbe-

hits für Wenzl in der Wahlkampagne hauptsächlich gehen.

Bei den Sozialisten zeichnen sich zumindest hinsichtlich des Spitzenkandidaten und Landeshauptmann-Stellvertreters Fridl keine Umstellungen ab. Landesparteiobmann Hillinger, dem bekanntlich massives Interesse für den Landeshauptmannsessel nachgesagt wurde, scheidet aus dem Kreis aller Betrachtungen aus. Nicht nur, weil für ihn persönlich ein „Vize-Posten“ nicht in Frage kommt, sondern auch, weil seine Position als Linzer Bürgermei-

ster beträchtlich angeknackst wurde. Der Mascherlträger hat seine Popularität offenbar überschätzt und mußte die bittere Erfahrung machen, daß Bekanntheit nicht mit Stimmengunst gleichzusetzen ist. Schließlich gingen in der sozialistischen Hochburg Linz zwei SP-Gemeinderats-mandate verloren, und zwar an die ÖVP unter Führung des Newcomers in der vordersten politischen Front, Carl Hödl, der damit einen außerordentlichen persönlichen Erfolg verbuchen konnte.

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