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Verleger-Fernsehen: Am Zug ist der Kanzler

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Seit 1972 geistert das Kanzlerwort vom Verleger-Fernsehen durch die österreichische Medienlandschaft. Kreiskys Idee, der öffentlich-rechtlichen Anstalt ORF eine privatwirtschaftliche Konkurrenz gegenüberzustellen, würde aber auch das Ende für das derzeit gesetzlich abgesicherte Programm- und Sendemonopol des ORF bedeuten.

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Seit 1972 geistert das Kanzlerwort vom Verleger-Fernsehen durch die österreichische Medienlandschaft. Kreiskys Idee, der öffentlich-rechtlichen Anstalt ORF eine privatwirtschaftliche Konkurrenz gegenüberzustellen, würde aber auch das Ende für das derzeit gesetzlich abgesicherte Programm- und Sendemonopol des ORF bedeuten.

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Bei den Linzer Mediengesprächen im vergangenen Mai hat sich ORF-Generalintendant Gerd Bacher vehement für die Verewigung der Monopolsituation ausgesprochen. Er nannte dafür auch Gründe: Österreich sei mit drei Hörfunk- und zwei Fernsehprogrammen ausreichend versorgt. Das Entstehen kommerzieller Sender überfordere daher den Markt. Das Produkt, also die Programme, würden darunter leiden.

Die Konkurrenzsituation würde in Lizitation umschlagen und die Produktionskosten dieser Programme noch verteuern. Die Situation der Zeitungsverlage würde durch das Abwandern von Inseraten an die private TV-Station schwieriger werden. Es sei also „unlogisch", das ORF-Monopol durch das von Bundeskanzler Kreisky angeregte Verlegerfernsehen aufzulösen.

Bacher tritt für die Beibehaltung des derzeitigen Zustandes ein und möchte auch in Zukunft den Medienverbrau-chermarkt zwischen dem elektronischen Monopolriesen ORF und den Zeitungsverlagen nach den bisherigen Bedingungen aufgeteilt sehen.

Auch viele Verleger sind mit Gerd Bacher der Meinung, daß ein privatwirtschaftlich organisiertes Fernsehen nicht nur vom Monopol-Rundfunk, sondern, auch von den Tages- und Wochenzeitungen Werbegelder abziehen würde und somit deren wirtschaftliche Entwicklung gefährden konnte. Niemand könne daher ein Interesse an einer Veränderung der derzeitigen Situation haben. Sie sind anderseits jedoch auch der Meinung, daß im Falle einer Auflösung des Rundfunk-Monopols, aus welchen Gründen immer, die Zeitungen selber Rundfunk und Fernsehen machen müßten. Denn nur dann hätten sie die Chance, einen möglichen Verlust bei den Zeitungen durch einen möglichen Gewinn bei einer eigenen Rundfunk- und Fernsehanstalt auszugleichen.

Dieser Ist-Befund betrifft nur einen Teil des Medienmarktes. Unabhängig davon stehen wir inmitten einer elektronischen Revolution, die noch in den achtziger Jahren die Medienlandschaft in Österreich wesentlich verändern wird.

Mit Milliardenaufwand wird derzeit in ganz Österreich zum Beispiel die Verkabelung der österreichischen Haushalte vorangetrieben und in den Gemeinden schießen Kabel-TV-Gesellschaften wie Pilze aus dem Boden. Wenn auch bundesweit erst vier Prozent der Haushalte am Kabel hängen (in Vorarlberg schon 24 Prozent), so ist dieser neue Medientransporteur bereits eine Realität, mit starken Rückwirkungen auf den ORF und auf die Zeitungen.

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre werden die Schweiz und die BRD über eigene TV-Satelliten verfügen. Ihre Sendekeulen decken auch Osterreich ab. Jeder, der sich eine Parabolantenne leistet, wird ihre Programme konsumieren können. Zumindest werden die Kabel-TV-Gesellschaften ihr Angebot an Auslandsprogrammen noch um die Satellitenprogramme erweitern.

Kabel und Satellit werden das Programm-Monopol des ORF schwer erschüttern. Es ist auf Dauer schwer vorstellbar, daß über diese beiden Programmträger ausländische Programme in beliebiger Anzahl an den Medienkonsumenten herangebracht werden können, die Produktion (und Verbreitung) solcher Programme in Österreich untersagt bleibt. Der Gesetzgeber, der derzeit die Monopolfrage aus der Reform des Mediengesetzes ausklammert, wird sich hier eher früher als später an der faktischen Situation orientieren müssen.

Beginnen die Kabelgesellschaften einmal mit der Produktion und Verbreitung von Eigenprogrammen und würden diese Programme durch Werbung finanziert werden, dann könnte dies zu einer wirtschaftlichen Gefährdung der Zeitungsverlage führen. Denn wie die Zeitungen haben die Kabelgesellschaften ein lokales oder regionales Verbreitungsgebiet. Das lokale und regionale Werbeaufkommen müßte künftig zwischen beiden Medien geteilt werden.

Als Einbruch in das Interessengebiet der Zeitungen ist übrigens auch der vom ORF initiierte Teletext zu verstehen. Er ist ja nichts anderes als das Anbieten einer Zeitung via Bildschirm. Nur nach langwierigen Verhandlungen erklärte sich der ORF bereit, diesen Teletext-Versuch gemeinsam mit den österreichischen Zeitungsverlegern durchzuführen. Während der Rundfunk auf 44 Seiten programmbegleitende Informationen anbietet, vermitteln die österreichischen Tages- und Wochenzeitungen auf den restlichen 20 Teletextseiten den Nachrichtenteil.

Diese Zusammenarbeit konnte bis jetzt nicht vertraglich abgesichert werden. Der gemeinsame Betrieb von Teletext durch den Monopolisten ORF und die privatwirtschaftlich organisierten Tages- und Wochenzeitungen könnte für die Anhänger der Beibehaltung der derzeitigen Mediensituation in Österreich als Beweis für die Richtigkeit ihrer Überlegungen ins Treffen geführt werden.

Da aber die Bemühungen des ORF eindeutig darauf hinauslaufen, die Zeitungen früher oder später auszubooten, werden wohl jene Verleger Recht behalten, die langfristig eine Zertrümmerung des Rundfunk-Monopols als die für Zeitungen beste Lösung betreiben.

Die Publikumszeitschrift ORF-Nachlese ist sogar ein direktes Hineingrasen in den Bereich der Printmedien, denn ihre Herausgabe läßt sich wohl kaum aus dem gesetzlichen Auftrag des ORF herauslesen.

Je deutlicher die Gefahr wird, daß die elektronischen Medien den Lebensraum der Zeitungen einengen, umso entschiedener müssen die Verleger auf den Zugang zu den elektronischen Medien beharren.

Gerade ihre (erfolgreiche) privatwirtschaftliche Tätigkeit macht Verleger, Herausgeber und Journalisten vom Staat oder von anderen politischen oder wirtschaftlichen Interessengruppen unabhängig. Und ohne diese (wirtschaftliche) Unabhängigkeit wäre Meinungsfreiheit oder Meinungspluralismus gefährdet.

Der Verband österreichischer Zeitungsherausgeber (VÖZ) und Zeitungsverleger und die Journalistengewerkschaft vertreten gemeinsam die Ansicht, daß schon aus Gründen der Meinungsfreiheit im elektronischen Bereich das lebendige Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen ORF und zumindest einer privaten Anstalt notwendig ist.

Was Verlegerfernsehen konkret heißen kann, ist Inhalt einer Studie des Medienfachmannes Helmut Lenhardt (früher kaufmännischer ORF-Direktor), die der VÖZ dem Bundeskanzler als Gesprächsbasis für einen privatwirtschaftlich organisierten Rundfunk (Fernsehen) übermittelt hat.

Wenn vom Bundeskanzler grünes Licht kommt, dann könnte sich die Medienkommission über folgende Vorstellungen Lenhardts hinsichtlich Verlegerrundfunk unterhalten:

1. Die Verleger bauen unter Benützung der ORF-Sendereinrichtungen einen bundesweiten Kanal für ein drittes Fernsehprogramm auf. Kosten mehr als 800 Millionen Schilling.

2. Um das halbe Geld könnte vorerst im Ballungsraum Wien (über den Kahlenberg, Kanal 34) ein drittes TV-Programm ausgestrahlt werden. Da es auch Niederösterreich und das Burgenland abdeckt, würden mit dieser Lösung 43 Prozent der Bevölkerung erreicht werden.

3. Wesentlich kosten- und risikoärmer wäre der Start eines Verleger-Hörfunkprogramms. Ein Sender mit attraktivem Unterhaltungsprogramm ließe sich, so Lenhardt, bereits um rund 15 Millionen auf die Beine stellen.

Auch andere Denkanstöße verdienen, diskutiert zu werden: Sollte sich ein privates Fernsehen vom ORF nicht dadurch unterscheiden, daß es über Regionalprogramme eher lokalbezogene Publikumsinteressen anspricht? Oder sollten sich die Verleger mit der Funktion einer Programmgesellschaft begnügen, die ein FS 3 und (oder) die diversen Kabelnetze in Österreich mit Programmen versorgt?

Weil wir gerade den technologischen Prozeß miterleben, der das ORF-Monopol in Frage stellt, sind an die Regierung einige Gretchenfragen zu stellen:

  • Wird es neben dem ORF nur noch eine oder mehrere private Anstalten geben?
  • Kann ein Verleger-TV die Sendeanlagen des ORF mitbenutzen?
  • Muß ein Verleger-Rundfunk - wie der ORF - mit Programm- und Versorgungsaufträgen rechnen?
  • Muß sich ein privater Sender allein aus den Werbeeinnahmen erhalten? Gelten für ihn dieselben Werbebeschränkungen wie für den ORF?
  • Wird eine private Programm- und Sendegesellschaft an der Rundfunkgebühr beteiligt, kann sie eine solche einrieben'?

Von der Beantwortung dieser Fragen wird es abhängen, ob ein Verleger-Rundfunk in absehbarer Zeit realisiert werden kann. Von der Option, Zugang zum elektronischen Medienmarkt zu erhalten, kann und wird der VÖZ sicher nicht abrücken. Jetzt ist aber vorerst der Bundeskanzler am Zug.

Der Autor ist Direktor des Zeitungsverlages Styria (Graz) und derzeit Präsident des Verbandes Oster-reichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger.

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