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Vermarktete Embryonen

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Gegen den Skandal des zunehmenden Handels mit menschlichen Embryonen und Föten schlägt die katholische Kirche in der Bundesrepublik, unterstützt von Politikern unterschiedlicher Couleur, jetzt Alarm. Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses im Bundestag hat das Kommissariat der deutschen Bischöfe, vertreten durch den Main-

zer Moraltheologen Johannes Reiter, die Gesetzeslücke aufgedeckt, die es ermöglicht, Zellensubstanz ungeborener Kinder in Forschung und Industrie zu verwerten. Denn getötete Embryonen sind im Juristendeutsch „keine Leichen im Sinne des Paragraphen 168 Strafgesetzbuch". Die Leibesfrucht gilt nicht als „Gegenstand fremden Eigentums", weshalb die „Verwertung" nicht als Diebstahl geahndet wird.

Zwar will jetzt die Bonner Regierung auch den Begriff „tote Leibesfrucht" in den Paragra-

phen miteinbeziehen, der den Mißbrauch von Leichen verbietet; doch genau dies geht nach Auffassung der Bischöfe am Kern des Problems vorbei, weil damit der florierende Import und Export menschlicher Embryonen und Föten nicht erfaßt wird.

Die praktische Anwendung eines solchen Gesetzes muß freilich in bescheidenen, nationalen Schranken bleiben, während der Föten-Handel keine binnendeutschen Grenzen kennt. Wohl hat sich mittlerweile das europäische Parlament in mehreren Blockaden gegen den makabren Kommerz versucht, seitdem ZolJ beam-te an der französisch-Schweizer Grenze in einem aus Rumänien kommenden Lastwagen tiefgefrorene Embryos entdeckten, die für französische Kosmetikfirmen bestimmt waren.

Eine Einteilung der „Verwer-

tung" der Embryonen und Föten ergibt im wesentlichen folgende Großabnehmer: Medizinische Forschungseinrichtungen, pharmakologische Untersuchungsstellen, die beispielsweise die Wirkung von Pestiziden testen, aber auch Labors, die — so der Kirchenvertreter Professor Reiter bei der öffentlichen Anhörung - mit lebenden Embryonen arbeiten, etwa zur Wirkungsprüfung biologischer Waffen. In der Kosmetikindustrie dienen abgetriebene Kinder zur Herstellung von ♦„Verjüngungs-Cremes", die aufgrund ihres Gehalts an frischen menschlichen Zellen besonders wirksam sein sollen.

Was im Deutschen Bundestag an der Behandlung dieser grauenvollen Machenschaften auf den ersten Blick zusätzlich irritierte, war der geradezu übervorsichtige Umgang mit Roß und Reiter. Verständlich freilich, denn Namensnennungen ziehen nach aller Erfahrung quälende Rufmord-Verfahren nach sich. Reputation ist mancher Firmendoktrin zufolge eben wichtiger als Wahrheit. Und doch haben Kirche und Politiker in seltener Einmütigkeit das ganze, widerliche Inferno jetzt mit jener Deutlichkeit entlarvt, die auf einen Grad öffentlicher Empörung hoffen läßt, der notwendig scheint, um wenigstens auf nationaler Ebene endlich gesetzliche Notbremsen einzurichten.

Für Christen bleibt darüber hinaus zu fragen, ob dem lebensverachtenden Föten-Handel nicht auch dadurch gegengesteuert werden kann, daß man abgetriebene Kinder menschenwürdig bestattet.

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