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Vernetzung vor neuem Horizont

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Durch die europäische Wende des Herbstes 1989 gewinnt die geistige Struktur, damit aber auch die kul- turelle Dimension der Weltausstel- lung neue Facetten und zusätzliche Farben - und zwar in mehrfacher Hinsicht: Das Motto „Brücken in die Zukunft“ kann, ja muß neu definiert, der österreichische An- teil mit Rücksicht auf die Möglich-

keiten der ARGE Donauländer gewiß erweitert, das Auftreten neuer demokratischer Kräfte aus dem mitteleuropäischen Raum über- dacht werden. Erweiterungen, Ver- schiebungen, sich eröffnende gei- stige und ökonomische Quellen schaffen neue Möglichkeiten; die Ausstrahlung der EXPO wird in- tensiver. Der Zukunftsbegriff des Mottos

mußte bei Erstellung des ersten Konzepts, vor allem aus politischen Gründen, möglichst offen und un- bestimmt gehalten werden. Mit der Gründung der ARGE Donauländer im Mai 1990 tritt eine Organisation in Erscheinung, die bis zur EXPO '95 auf den Gebieten Ökonomie, Tourismus.Transport.Ökologieund Kultur gewiß eine Eigendynamik entwickelt und die Interessen der Regionen an der Donau auch prak- tisch vertreten kann. Bayern, Öber- und Niederösterreich, Wien, das Burgenland, Südmähren, die Ost- slowakei, sieben ungarische Komi- tate, Budapest, Serbien, die Woj- wodina, Bulgarien, die Sowjetre- publik Moldau, vielleicht das heute noch durch innere Krisen gelähmte Rumänien werden im Rahmen der EXPO ihre geistigen Profile und Programme präsentieren.

In diesem Punkt haben die Pla- nungen bereits erste Konturen gewonnen. Treibende Kraft der Gründung der ARGE Donauländer ist das Land Niederösterreich, das Kulturprogramm selbst soll von der neuen Wissenschaftlichen Landes- akademie Niederösterreich betreut werden, nicht am Sitz der Akade- mie in Krems, sondern in Stift Dürnstein. Abt Maximilian Fürn- sinn befürwortet eine Kooperation dieser Art, auch Außenminister Alois Mock hat sich in einem Vor- trag über die bevorstehende Ver- netzung europäischer Regionen für eine solche Lösung ausgesprochen.

Doch werden auch andere öster- reichische Bundesländer im Sinne ihrer eigenen auswärtigen Kultur- politik Partner miteinbeziehen: die Steiermark mit Künstlern aus Ita- lien, Slowenien und Ungarn (siehe auch Beitrag auf Seite 10). Ähnlich ist dies im Burgenland hinsichtlich Kroatiens und Westungarns ge- plant. In Budapest selbst fühlt man sich verpflichtet, im Rahmen der EXPO auch den Kulturen der unga- rischen Minoritäten Siebenbürgens, der Slowakei und der Wojwodina eigene Präsentationen zu widmen.

Daß sich die drei zentralen Städte der Tschechoslowakei, Prag, Preß- burg und Brünn, am EXPO-Gesche- hen möglichst repräsentativ betei- ligen und auch Touristen anlocken wollen, steht bereits fest. Demo- kratische Traditionen, Tüchtigkeit und Intelligenz, klare ökonomische Zielsetzungen, auch die zu erwar- tende ausländische Hilfe werden Böhmen, die Slowakei und Mähren

voraussichtlich in die Lage verset- zen, Originelles zu bieten und im Sinne einer sich festigenden tsche- choslowakisch-polnischen Allianz auch Verbindungen zum südpolni- schen Raum herzustellen.

Denn auch schöpferische Kräfte in Krakau und Breslau fühlen sich von den Möglichkeiten der EXPO angezogen. In fünf Jahren aber könnten die wirtschaftlichen Grundlagen einer entsprechenden Präsentation in Wien und in Buda- pest geschaffen werden - freilich unter Mitwirkung von in den USA lebenden Polen.

Gänzlich unberechenbar erschei- nen im Augenblick die Auswirkun- gen der Veränderungen in Deutsch- land und in der Sowjetunion. Ge- wiß wird die Eröffnung des Rhein- Main-Donau-Kanals im Jahre 1992 neue Verbindungen für die Ökono- mie und den Tourismus schaffen. Auch hat man sich in Dresden und Leipzig vor allem in verschiedenen Kunstverwaltungen und Museen für die EXPO noch vor der Wende in- teressiert, doch können derartige Beispiele über die Strahlkraft eines bis zum Jahre 1995 sicherlich ver- einten Deutschlands nichts besa- gen. Ähnlich verhält es sich, aller- dings in bedenklicherem Sinn, mit der Sowjetunion. Noch ist es nicht vorherzusehen, ob und wie viele eigenständige Nationalpavillons neben der Präsentation Rußlands errichtet werden.

Wien und Budapest als Orte des Geschehens werden aber auch die geistigen Chancen zur Darstellung klarer und demokratischer Zu- kunftsvorstellungen nutzen können und müssen. In diesem Sinne wird den schwierig zu lösenden Konflik- ten der Zukunft - sei es die kata- strophale Gefährdung der Umwelt, sei es das menschliche Elend in den ärmsten Staaten, sei es der Hedo- nismus und die Suche nach sinn- stiftenden Werten in den hochtech- nisierten Ländern - Raum zu geben sein. Wer sollte hier auf die mögli- chen „Brücken in die Zukunft“ verweisen, wenn nicht die Gastge- ber selbst?

Gewiß fällt gerade in diesem Punkt den großen Religionsgemein- schaften, vor allem der katholischen Kirche, eine bedeutende Aufgabe zu. Man vergesse nicht die Mah- nung des gewiß nicht allzu gläubi- gen französischen Autors Andre Malraux: „Das21. Jahrhundert wird religiös sein oder es wird nicht sein.“

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