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„Vernichten lassen oder der moralische Sieger sein ..

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Hans Kresnik, 37 Jahre alt, aus Kärnten stammend, Ballettchef in Bremen, arbeitet im Theater an der Wien an der Ballettproduktion „Masada“, die zu den Wiener Festwochen als österreichischer Beitrag zum Ballettfestival uraufgeführt werden soll. Die FURCHE sprach mit Hans Kresnik über seine künstlerischen Ansichten und seine Arbeitsweise.

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Hans Kresnik, 37 Jahre alt, aus Kärnten stammend, Ballettchef in Bremen, arbeitet im Theater an der Wien an der Ballettproduktion „Masada“, die zu den Wiener Festwochen als österreichischer Beitrag zum Ballettfestival uraufgeführt werden soll. Die FURCHE sprach mit Hans Kresnik über seine künstlerischen Ansichten und seine Arbeitsweise.

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FURCHE: Sie studieren nun nach Jahren wieder in Wien ein neues Ballett ein, genannt,Masada“. Hat es die Geschehnisse um das letzte Bollwerk der Juden in der Römerzeit als Grundlage?

KRESNIK: Der jüdische Krieg wird in diesem Ballett in die heutige Zeit übersetzt. Es soll die verzweifelte innere Situation des heutigen Menschen aufzeigen. Es zeigt den Menschen, der Angst hat und aus ihr nicht herausfindet, der vor der Frage steht: will ich mich vernichten lassen oder der moralische Sieger sein? Der erste Teil zeigt eine aggressive imperialistische, militärische Machtsituation, dabei werden Texte zitiert, Hitler, der Menschen vernichtet und dabei nur daran denkt, der größte Maler aller Zeiten zu sein … völlig absurd. Im zweiten Akt tritt der römische Feldherr Silva als Wahnvorstellung auf, die man nicht töten kann. Im dritten Bild geschieht das Gegenteil, dem siegesbewußten Silva erscheint Eleasar, zwar umgebracht, aber als moralischer Sieger, der ihn um den Genuß des Tötens gebracht hat.

FURCHE: Sie choreographieren modernes Handlungsballett, wer hat für Sie diesmal das Buch geschrieben?

KRESNIK: Die Handlung stammt von Israel Elizar. Er hat es in meinem Auftrag geschrieben, ich habe es dann in Zusammenarbeit mit ihm umgeschrieben, denn er lebt eigentlich in einer anderen Welt als ich. Ich will diese Geschichte als innere Situation des Menschen wiedergeben.

FURCHE: Woher kommt die Musik dazu, ist es wieder eine Collage?

KRESNIK: Von der Musik-Collage bin ich total abgekommen. Die „Nibelungen“ oder „Schwanensee A. G.“, das waren Spektakel - das ist vorbei, das paßt nicht mehr. Wenn ich schon eine Uraufführung mache, soll es ein vollkommen neues Stück sein, auch mit neuer, eigens dafür komponierter, nicht einer zusammengestellten Musik. Der Komponist ist Graziano Man- dozzi.

FURCHE: Wenn Sie ein Ballett einstudieren, haben Sie da vorher eih fertiges Konzept?

KRESNIK: Ich entwerfe Bilder, die den Inhalt einer Szene wiedergeben sollen. Es ist keine Choreographie wie bei John Neumeier. Ich mache Theater für das Publikum, unkonventionell, ich verwende Elemente von Modern Dance bis zum Sport, zu Karate, aber auch die Stilmittel des klassischen Balletts. Ich selbst komme vom klassischen

Ballett und will es keineswegs aufgeben. Auch die Kostüme haben in meinen Stücken eine starke Aussage. Aggressives Karate etwa wird im Kostüm des amerikanischen Football Rugby am besten ausgedrückt. Bei mir muß man sich sehr intensiv mit dem Stück auseinandersetzen. Ich bin in kein herkömmliches Schema zu pressen, ich verwende alle Stilmittel, um eine möglichst packende Aussage zu erreichen.

FURCHE: Wie oft wird das Stück hier gespielt? Werden Sie es auch anderswo herausbringen?

KRESNIK: Meine Stücke kann man nicht nach Jahren nach- choreographieren, wie etwa Thader Krenko nachgespielt hat. Oder wie Kurt Joos mit „Der grüne Tisch“ - ein großartiges Stück übrigens! - es getan hat. Mit dem Nachspielen wird alles ein bißchen globaler und oberflächlich. Das Subtile geht verloren. Die Zeit ändert sich sehr rasch, wir sehen die Dinge heute anders als vor drei Jahren. Die erste Vorpremiere von „Masada“ ist am 12. April, zu diesem Zeitpunkt ist das Stück aber noch nicht fertig. Da hat es erst den großen Umriß. Es wird bei jeder Vorpremiere weiter verändert. Die Premiere -ist am 16. Mai, und es wird sechs Aufführungen geben. Es wird eine vollkommene Neuschöpfung sein. Wiederaufnahmen hasse ich. Lieber mache ich später wieder etwas Neues. Professor Kutschera versteht das…

(Mit Hans Kresnik sprach Linda de Elias-Blaneo.)

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