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Verniedlichte Inflation

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Nachdem sich die Wirtschaftspolitiker während des ganzen Jänners entzückt gezeigt hatten, daß die Einführung der Mehrwertsteuer so glatt über die Bühne gegangen sei und sich die Teuerung „in Grenzen“ gehalten habe, kam nun die kalte Dusche vom Statistischen Zentralamt. In Wirklichkeit hat die Inflation im Jänner alle Rekorde gebrochen und ist auf 8,1 Prozent geklettert. Österreich hat also die besten Chancen, in diesem Jahr zum europäischen Inflationsspitzenreiter zu werden.

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Nachdem sich die Wirtschaftspolitiker während des ganzen Jänners entzückt gezeigt hatten, daß die Einführung der Mehrwertsteuer so glatt über die Bühne gegangen sei und sich die Teuerung „in Grenzen“ gehalten habe, kam nun die kalte Dusche vom Statistischen Zentralamt. In Wirklichkeit hat die Inflation im Jänner alle Rekorde gebrochen und ist auf 8,1 Prozent geklettert. Österreich hat also die besten Chancen, in diesem Jahr zum europäischen Inflationsspitzenreiter zu werden.

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Kaum hatte sich der Österreicher vom ersten Schrecken zwar nicht erholt, aber ihn wenigstens überwunden, so versetzte ihm das Verhalten der verantwortlichen Politiker den zweiten Schlag. Wer erwartet hatte, sie würden zerknirscht sein und Besserung geloben, der hatte sehr geirrt. Mit Siegermiene trat der Finanzminister vor das Fernsehpublikum, jeder Zoll ein junger Siegfried, und zeigte sich höchst befriedigt über den großen Erfolg der Stabilisierungspolitik: denn, so argumentierte er, die Konjunkturforscher haben bei Einführung der Mehrwertsteuer zehn Prozent und mehr Entwertung prophezeit; wenn es nun nur acht Prozent sind, so beweise das, daß die Inflationsbremsen gezogen haben und die Maßnahmen der Regierung richtig waren.

Eine wahrhaft kühne Argumentation. Aber das Argument des Ministers erhärtet ein wenig den mancherorts schon vor einem Jahr geäußerten Verdacht, daß die Konjunkturforscher durch Zweckpessimismus der Regierung ein wenig propagandistische Schützenhilfe leisten: wenn ihre Prognosen im düstersten Schwarz gemalt sind und sich die Realität dann um ein paar Nuancen heller erweist, kann der Finanzminister auch bei mehr als acht Prozent Teuerung noch einen „Erfolg“ der Stabilisierungspolitik melden.

Aber vielleicht tut man den Konjunkturforschern unrecht. Denn wer 1971 die prognostizierte fünfprozen-tige Teuerung für Zweckpessimismus hielt, der wurde im Lauf des Jahres eines Schlechteren belehrt: es ist sogar gelungen, diesen damals noch von vielen für unmöglich gehaltenen Satz zu übertreffen.

Ganz von der Hand zu weisen ist ja die scheinbare Horrorutopie von zehn Prozent Entwertung auch für dieses Jahr nicht, wenn auch der inflationäre Paukenschlag im Jänner in jener Phonstärke, die man angeblich erwartet hatte, ausgeblieben ist (vielen war er schon laut genug): die „Dämpfung“ verdanken wir nämlich keiner echten Stabilisierung, sondern nur einem Verzögerungseffekt.

Diverse bereits paktierte Preisanhebungen wurden nämlich gegen Jahresmitte hin verschoben und werden uns somit ganz gewiß ereilen. Dazu kommt noch, daß vielen Kaufleuten die Neukalkulation ihres Warenlagers auf Grund der Mehrwertsteuer infolge des damit verbundenen Arbeitsaufwandes mehr gekostet hat, als die höheren Preise eingebracht hätten. Sie verkaufen daher vielfach zu den alten Preisen ab, doch wird bei den neu hereingenommenen Waren ganz bestimmt das Versäumte nachgeholt.

Weiter ist eine neue Lohnwelle im Anrollen, die gewiß wieder die fatale Lohn-Preis-Spirale auf Touren bringen wird. Darüber hinaus hat sich die Regierung noch immer nicht zu echten und einschneidenden Kürzungen entschließen können, die das Stratosphärenbudget 1973 auf den Boden der Realität zurückholen würden. So sehr man auch wünschen mag, mit derlei Befürchtungen unrecht zu haben, die Gefahr, daß auch diesmal wieder die Konjunkturforscher von den Tatsachen überrundet werden, ist nicht von der Hand zu weisen.

Mehr noch als die vielleicht etwas vorschnellen Worte des Finanzministers müssen die anscheinend wohldurchdachten Kalkulationen des stets bedächtigen Handelsministers erschrecken. Bei seiner allwöchentlichen Journalistenplauderei präsentierte er den „mechanischen Effekt“ der Mehrwertsteuer, der angeblich unabwendbar eintreten müsse und der nach Ansicht von Fachleuten eine Preissteigerung von rund 1,5 Prozent nach sich ziehen müsse.

So weit, so gut; diesen Tribut für die unvermeidliche Umstellung auf die Mehrwertsteuer zu erbringen, wären wohl die meisten Österreicher bereit gewesen. Es ist nur die Schlußfolgerung des Handelsministers, die sie irritiert: Wenn man, so gab er zu bedenken, die 1,5 Prozent von den 8,1 Prozent abziehe, so bliebe eine Inflationsrate von „nur“ ungefähr sechseinhalb Prozent übrig, was dem Satz der letzten Monate 1972 (November 7,4, Dezember 6,9 Prozent) entspräche. Damit sei bewiesen, daß die mehrwertsteuerbedingten Preiserhöhungen in der entscheidenden Phase „auf das absolut unvermeidliche Minimum (!) reduziert wurden“.

Man wird das ungute Gefühl nicht los, daß die Österreicher offenbar an die Inflation gewöhnt werden sollen, daß es der Regierung weniger darum geht, die Inflation zu bekämpfen, als sie der Bevölkerung zu „verkaufen“, sie ihr, wenn schon nicht schmackhaft, so doch genießbar zu machen. Denn anders kann man es nicht verstehen, wenn sechs bis sieben Prozent Entwertung schon als „normal“ betrachtet werden.

Was soll die dauernde Bagatellisierung von Inflationsraten, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar und unerträglich erschienen? Was soll der ständige Hinweis auf die internationale Inflation, der noch dazu immer weniger legitim ist? Denn wir haben heute schon zum Teil die traditionell inflationistischen Staaten Europas überholt, statt nach guter österreichischer Sitte immer um einige Punkte dahinter zu bleiben.

Wird hier doch (wiewohl immer geleugnet) ganz bewußt Gesellschaftspolitik mit Hilfe der Inflation betrieben? Wie immer man von der vielpropagierten Gesellschaftsveränderung denken mag, soviel ist gewiß: der Zweck heiligt nie die Mittel, und die Inflation ist immer eine unsoziale Methode, die gerade die Schwächsten am ärgsten trifft.Schema für den Umweltschutz des Landes.

Für vordringlich wird die Schaffung einer Landes-Umweltkommis-sion gehalten, die von einem Landesbeauftragten für Umweltschutz geleitet werden und der eine Technische Versuchs- und Forschungsanstalt für Umweltschutz angegliedert sein soll. Kommission und Anstalt würden sich über Arbeitsmangel nicht beklagen können: Neben Bestandsaufnahme und Forschung wären auch eine oberösterreichische Dokumentationsstelle zu errichten und Empfehlungen für die gesetzgebenden Körperschaften auszuarbeiten. Sanierungspläne sollen Schäden beseitigen und Überwachungssysteme vorbeugen helfen. Auch Beratung und Planung sollen die neuen Institutionen übernehmen, die dann die Wirkung ihrer Tätigkeit aus einem jährlich vorzulegenden Umweltschutzbericht ersehen können.

Einen Haken hat die 55-Seiten-Studie allerdings: Sie enthält — zum Großteil grundvernünftige — Vorschläge für den Umweltschutz, aber keine für die Finanzierung.

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