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Verpatzte Rochade

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Der Rollentausch im Spiel der Mächtigen hat bei der Generalprobe nicht geklappt. Selbst Finanzminister Androsch, nach Bundeskanzler Kreisky nun auch vom ÖGB-Präsi-denten Benya zum Vizekanzler designiert, kann ob seiner Kronprinzen-Rolle nicht ganz froh werden. Das Murren im sozialistischen Parteivolk ist unüberhörbar, teils gilt es ihm und seinem persönlichen Stil, teils der Art, wie er gekürt wurde. Durch ein Arrangement des Partei-Duum-virats Kreisky und Benya, ohne Rückfrage bei jenen, die sich gleichfalls Chancen auf die Position des Vizekanzlers ausgerechnet hatten.

Wissenschaftsminister Herta Firnberg mußte vom etwa gleichaltrigen Parteiobmann Kreisky erfahren, daß sie einfach zu alt für die Funktion eines Vizekanzlers sei; denn „alt“, so Kreisky, „bin ich ja selbst“.

Vizekanzler Häuser, von dem es noch vor wenigen Monaten hieß, daß ohne ihn keine Reform der Sozialpolitik realisiert werden könne, soll abtreten, noch ehe er begonnene Aktionen zu Ende führen kann. Ende Juni 1976 heißt es für ihn von der Bundesregierung Abschied nehmen, um dem Kandidaten des ÖGB, Gerhard Weißenberg, zur Zeit Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherung, Platz zu machen. Für den pensionierten Bundesbeamten Bielka-Karltreu war das Retourticket schon lange reserviert. Nicht der UNO-Delegierte Peter Janko-witsch, einst Kreiskys Sekretär, soll sein Nachfolger als Außenminister werden, sondern, wie es SP-intern heißt, wieder ein altgedienter Beamter des Außenamtes. Kreisky soll sich schon mehrere Male von den außenpolitischen Vorstellungen Jan-kowitschs — er verfolgt sowohl in der Nah-Ost-Politik als auch hinsichtlich der Entwicklungsländer einen sehr eigenständigen Kurs — deutlich distanziert haben.

Im Gespräch ist wiederum Botschafter Haymerle, der mit Jahresende in Pension ging, aber auch Österreichs Botschafter in Belgrad,Alexander Otto, der vor einigen Jahren die Funktion eines Pressereferenten von Bundespräsident Jonas zurücklegte, weil er sich mit dem verstorbenen Formalisten so gar nicht verstand. In der Sozialistischen Partei verfolgt man die Absicht Kreiskys, schon wieder einen altgedienten Außenamtsbeamten in die Bundesregierung aufzunehmen, mit einigem Unbehagen. Überdies will man erkannt haben, daß sich Bundespräsident Kirchschläger mehr und mehr von den sozialistischen Parteirichtlinien entfernt und stärker als Repräsentant des Volkes denn als Kandidat der SPÖ empfindet.

Auch dürfte es Kreisky wieder nicht gelungen sein, seinen alten Traum, das Landwirtschaftsministerium mit einem dem VP-Bauernbund nahestehenden Mann zu besetzen, zu erfüllen. Je mehr er sich über die Nachfolgeaussichten von Staatssekretär Haiden sybillinisch erging, um so stärker rotierten Wiener SPÖ und auch der ÖGB-Flügel für Doktor Günther Haiden, der bislang vielleicht noch wenig Profil bewiesen, freilich aber auch keine entscheidenden Fehler begangen hat.

Wiens Bürgermeister hat vorerst alle Ambitionen auf ein Regierungsamt (gelegentlich zeigte er Interesse am Außenministerium) zurückgestellt. Bei der SPÖ-Klausur in Salzburg meinte er, man dürfe ihn nicht immer ins Nachfolgespiel bringen, weil dadurch das Amt des Wiener Bürgermeisters abgewertet werde. Dieser Auffassung sind auch jene (Bundesländer-)Kreise der SPÖ, die in Leopold Gratz den besseren SP-Obmann und Kanzler-Kandidaten vermuten als im designierten Hannes Androsch. Jedenfalls beeilt man sich in der SPÖ, allseits zu versichern, daß mit der Nominierung von Dr. Androsch noch keine Vorentscheidung für die Nachfolge Kreiskys als Parteiobmann und Bundeskanzler (bzw. Kanzlerkandidat) gefallen sei. Noch immer hätte Leopold Gratz ausreichend Gelegenheit, zu beweisen, daß er besser und zugkräftiger als sein Rivale in der Himmelpfortgasse ist. Diese Auffassung will man auf dem SPÖ-Parteitag Mitte März 1976 belegen. Eine sehr starke Gratz-Front will durchsetzen, daß bei der Wahl in das Parteipräsidium und in den Parteivorstand, so wie schon in der Vergangenheit, Gratz deutlich vor Androsch liege. Diese für alle Nachfolgeüberlegungen wichtige Aufmerksamkeit für Leopold Gratz wird in weiten Kreisen der Sozialistischen Partei als Denkzettel für den omnipotenten Dr. Bruno Kreisky verstanden. Ein demokratisches Lebenszeichen in einer autoritär geführten Partei.

An Bruno Kreiskys Allgegenwärtigkeit wird das wenig ändern. Fast scheint es, als hätte man sich schon überall damit abgefunden, daß er auch 1979 als Kanzlerkandidat der Sozialistischen Partei in den Wahlkampf ziehen möchte. Seine Koketterie mit dem Alter wird wieder heruntergespielt und es war immerhin Leopold Gratz, der in einem „Stern“-Interview ironisch meinte, daß nach Kreiskys Äußerung, Konrad Adenauer sei erst mit 73 Jahren Kanzler geworden, in der SPÖ sofort der Witz aufgetaucht sei, auf das Kabinett Kreisky VIII folge direkt das Kabinett Oliver I. (Oliver ist Bruno Kreiskys Enkel).

Für den designierten Vizekanzler Androsch ist es nicht leicht, mit dem Problem, vielleicht die nächsten acht, neun Jahre den Kronprinzen spielen zu müssen, fertig zu werden. Überdies arbeitet die Zeit nicht für ihn, sondern für den sozialistischen Klubobmann Heinz Fischer, der seine Karriere im Parlament ruhig und überlegt vorantreibt, und für viele Sozialisten mehr und mehr zum Traumkandidaten der achtziger Jahre wird. Die Undurchsichtigkeit im Nachfolgespiel der Mächtigen bestätigt vorerst die alte Weisheit: Führertypen eignen sich meist schlecht dazu, das Haus für die Zeit nach ihrem Abgang zu bestellen. Meist gerät dies ihrer eigenen Partei zum Schaden.

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