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Italiens führende und wohl auch kultivierteste Mezzosopranistin, Fiorenza Cossotto, steht der Wiener Staatsoper seit zwei Wochen zur Verfügung: Ein wichtiges Engagement, das ins triste Verdi-Repertoire Leben, Farbe bringen soll. Die Cossotto als Azucena, Eboli, Preziosilla… Jedesmal wieder ist sie ein Ereignis; Gewiß, sie ist in Momenten großer Gefühle stellenweise etwas kühl. Aber dafür kalkuliert sie ihre Partien mit einer phänomenalen Sicherheit im dramatischen Einsatz, in der Lyrik, im artistischen Bereich. Sie weiß, daß die erlesene Kultur ihrer Stimme ihr größter Trumpf ist, daß ihr Timbre, ihre Ausdrucksmodula- tion kaum Wünsche offenlassen.

Eigentlich sollte man annehmen,

daß die Staatsopemdinektion um diesen Star Abend für Abend Sänger von ähnlicher starker Persönlichkeit gruppiert: um Qualität und Atmosphäre der Aufführungen zu steigern, aber auch um jeden dieser Sänger zu Höchstleistungen anzu- spomen. Genau das Gegenteil geschieht allerdings: Da ein „Troubadour“, in dem zwar neben der Cossotto Liljana Moln&r-Talajič als Leonora mit herzlichem Sopran dominierend auftnitt, wo aber auch Ludovic Spiess als Manrico angesetzt wird. Er ist seit geraumer Zelt in schlechter Verfassung, distoniert, steigt prompt aus; daneben als Graf Luna der Bariton Franco Bordoni, eine Neuerwerbung mit allzu unpersönlichem Stimmaterial, das keinen

Moment die flammende, rasende Eifersucht des Grafen glaubhaft macht und damit die Oper ad absurdum führt.

Dann im „Don Carlos“ neben der Cossotto wieder Franco Bordoni als farbloser Fasa; dazu Bruno Prevedi, dessen mangelhafte Technik ihm nur schwer gestattet, einen Pianobogen rund zu modellieren, immerhin auch Sena Jurinac, die natürlich als Elisabeth mit einigen Problemen zu kämpfen hat, aber immerhin noch Persönlichkeit genug ist, um die Figur darzustellen. Und als König Philipp der neuengagierte Leonard Mroz: fürs Haus am Ring absolut ein Gewinn, well das ein vielversprechender junger Bassist ist, der über eine klare, wohltimbrierte Stimme, ein herrliches Piano und schönes Legato verfügt und beweist, daß er auch mit Verstand singt. Nur leider ist der Philipp für ihn noch etwas zu früh angesetzt.

Schließlich die „Macht des Schicksals“: Wieder die Cossotto inmitten, wieder Mroz neben ihr: in ein paar Jahren gewiß ein imponierender Pater Guardian. Nur singt er ihn leider schon jetzt. Dennoch besticht die Diktion, gefällt die Wärme dieses Materials, auch wenn er Väterlichkeit und Würde, erst zu steigern lernen muß. Statt Liljana Molnär- Talajič, die ursprünglich als Leonora eingeplant war, wurde Lotte Rysanek angesetzt, als Don Alvaro nun, nach Franco Bonisolli, Juan Oncina, der selbst für eine reine Routinevorstellung zu wenig schöne Stimme bietet; als Don Carlos di Vargas erprobte man Matteo Manuguerra, einen etwas biederen Bariton, dem die dramatische Schärfe, die leidenschaftliche Heftigkeit, das dunkle Feuer im Timbre fehlt. Er singt diese Partie sicher, routiniert, angenehm und gemütlich. Und rundum, vor allem im Staatsopemchor, herrscht tiefe Provinz. „Die Macht des Schicksals“ des Teams Müti-Sqarzina-Pizzi ist zwar erst sieben Wochen alt, aber sie sieht nach Klamotte aus, schlimmer als Margarethe Waillmanns Inszenierung es je war und klingt auch teilweise so. Woran übrigens der DirigentEmst Märzendorfer nicht ge-i 1 ringen Anteil hat: Dehn er gibt der Vorstellung alles, nur keine Brisanz, kein zwingendes Tempo, keinen Glanz. Darf es verwundern, daß schon nach dem dritten Vorhang das Publikum im Applaus erlahmte und die Aufführung vermutlich eine halbe Stunde später vergessen hat? Trotz einer Cossotto und trotz manchen guten Kräften, die aber neben zweit- und drittklassigen Besetzungen und im allgemeinen Verschlam- pungsprozeß der Aufführungen um den Erfolg gebracht werden. Man hat sich an Mittelmaß gewöhnt und verschenkt die Erfolge.

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