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Verschleppt, verschlampt
Vor dem Sommer ist die geplante Wahlrechtsreform geplatzt. Aber alle Parla- mentsparteien wollen sie: zumindest im Wahlpro- gramm. Eine Reform per Zweitschrift?
Vor dem Sommer ist die geplante Wahlrechtsreform geplatzt. Aber alle Parla- mentsparteien wollen sie: zumindest im Wahlpro- gramm. Eine Reform per Zweitschrift?
Wenn die Wählerinnen und Wähler den Wahlprogrammen der Parteien eher skeptisch ge- genüberstehen, liegen die Ursachen dafür in der Vergangenheit. An wohlformuliert-unverbindlichen Vorsätzen hat es nie gefehlt, dafür an deren Umsetzung.
Konkretes Beispiel: die Wahl- rechtsreform. Weder Wahlver- sprechen noch Koalitionspakt noch Regierungserklärung haben in der zurückliegenden Legislaturperiode etwas genützt. Verschleppt, ver- schlampt, auf die Zeit nach den Wahlen verschoben.
Jetzt plötzlich wollen wieder alle das, worauf sie sich zuletzt nicht einigen wollten. Die Sozialisten wollen gar erst „die anderen Par- teien von der Zweckmäßigkeit ei- ner Wahlrechtsreform überzeugen, wobei unter Wahrung des Grund- satzes der Verhältniswahl durch die Schaffung von rund 100, auf den Strukturen der politischen Bezirke aufbauenden Wahlkreisen den Wählern verstärkt die Möglichkeit geboten werden soll, darauf Ein- fluß zu nehmen, durch welche Männer und Frauen sie im Natio- nalrat vertreten sein wollen". Punk- tum.
Daß die „Zweckmäßigkeit einer Wahlrechtsreform" vor allem auch an SP-internen Widerständen ge- scheitert ist, ficht die Programm- Macher jedenfalls nicht an. Aber vielleicht überzeugt ein Blick in die, „Konkurreriz"-Programme, daß es keiner Überzeugungsprozesse mehr bedarf. Wollen müßte man nur ein- mal.
Wie vor vier Jahren stellt auch die ÖVP wieder Wahlrechts-Re- f ormeif er zur Schau, wobei sie den in dieser Gesetzgebungsperiode schubladierten koalitionären Ver- handlungsentwurf leicht modifi- ziert dem Wähler als Modell anbie- tet.
Die wesentlichsten Ziele dieser Reformabsichten:
• „Durch 27 Regionalwahlkreise, die den traditionellen Landtags- wahlkreisen oder geographischen Einheiten entsprechen, können die Wähler die regionalen Kandidaten besser kennenlernen als in den derzeitigen neun Wahlkreisen.
• Durch ein vereinfachtes Vorzugs- stimmenverfahren können Kandi- daten auf der Liste vorgereiht wer- den: 15 Prozent der Stimmen einer Partei an Vorzugsstimmen genü- gen, um an die erste Stelle der Bewerber dieser Partei zu rücken.
• Durch ein dreistufiges Ermitt- lungsverfahren und die Vier-Pro- zent-Klausel können die Mandate gleichmäßiger und gerechter als bisher zugteilt werden."
Die FPO geht - ähnlich der SPÖ - in ihren „Blauen Markierungen" erst gar nicht ins Detail. Keine Aussagen über Zahl und Größe der Wahlkreise, keine Klausel-Vorstel- lung, dafür eine Präferenz für ein Vorzugsstimmensystem: „Der Ein- fluß des Bürgers auf die Auswahl der politischen Mandatare durch eine Stärkung des Persönlichkeits- wahlrechtes (Südtiroler Modell)."
Wesentlich ausgefeilter dagegen sind - ihrem letzten parlamen- tarischen Initiativantrag folgend - die Vorstellungen der Grünen. Zwar vermeiden sie die Nennung einer Mindestklausel, wollen aber eine Stärkung des Proportiona- litätsprinzips, „damit jede relevante Gruppierung in der Wählerschaft ihre Vertretung im Parlament fin- det". Damit sollen auch keine par- lamentarischen Mehrheiten Zustan- dekommen, die in der Wählerschaft keine Entsprechung haben.
Wie ÖVP und FPÖ schwebt den Grünen ein System der Vorzugs- stimmen vor, allerdings mit dem Unterschied, daß es nicht an eine Parteiliste gebunden sein soll.
Was die Zahl der Wahlkreise be- trifft, sprechen sich die Grünen für die Beibehaltung der neun Landes- wahlkreise aus, die aber - je nach Größe eines Bundeslandes - in Wahlbezirke unterteilt werden sol- len, insgesamt 21 im Bundesgebiet.
Nur die KPÖ, ohnehhYweit ent- fernt, den Einzug ins Parlament zu schaffen, ist - scheint es - mit dem Status quo zufrieden. Ihre „Roten Punkte" finden das Thema Wahl- rechtsreform keiner Erwähnung wert.
Kurzum: Die Wahlrechtsreform- überlegungen stehen dort, wo sie vor dem Sommer angestanden sind. Und da sollen die Wähler glauben, daß nach dem 7. Oktobermit Zweit- schriften der Durchbruch gelingt?
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