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Verschlossene Türen

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Das schwedische Allwetter-Kampf- fluigzeug „Viggen“ ist nach Meinung so gut wie aller technischen Sachverständigen, die es genauer geprüft haben, in seiner Leis’timgsfähigkeit den basten amerikanischen und französischen Kampfflugzeugen gleichzusetzen. Die Militärs, die ihren Regierungen die Anschaffung eines neuen Modells ziu empfehlen haben, sind be-

greilUcherweise etwas vorsichtiger in üiren Äußerungen, denn die feste Bindung an das eine oder andere Bündnissystem gestattet ihnen kaum eine offene und unvoreingenommene

Stellungnahme. Die Politiker und Regierungsmitglieder, die schließlich den Ankauf zu beschließen haben, aber stehen vollends unter dem Druck politischer Realitäten und auch gefühlsmäßiger Einflüsse und schieben — bewußt oder unbewußt — die rein technischen Fakten in den Hintergrund.

In den Augen der führenden MiU-

trotzdem eine Flugzeugindustrie zu unterhalten, deren Produkte es in der westlichen Welt verkaufen will. Und noch dazu unternimmt Schweden, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die dringende Notwendigkeit einer allgemeinen Abrüstung hinweist, ein Unternehmen, das den Militärs viel von ihrem Glanz und ihrem Einfluß nehmen müßte. Ist es so verwunderlich, wenn dieses friedliebende und — paradoxerweise — Kampfflugzeuge produzierende Schweden bei den Angeboten seiner Rüstungsindustrie überall im Westen an hart verschlossene Türen stößt?

Die SAAB-iSCANIA hat Belgien und Holland, die zusammen 230 neue Kampfflugzeuge brauchen, angebo- ten, die Produkticsn des „Viggen“ in diese Länder zu verlegen. Außerdem wollen die Schweden einige Milliarden Kronen für weitere industrielle Investitionen zur Verfügung stellen. Auch aus den USA, die den „Dynamics YF 16“ und den „Copra YF 17“ anbieten, und aus Frankreich, das den bereits weltbekannten „Mirage F 1“ verkaufen will, kommen ähnliche, doch weit weniger großzügige Versprechungen. Von wirtschaft lichen Gesichtspunkten aus betrachtet, ist das schwedische Angebot vorteilhafter. Doch die USA appellieren an die NATO-Solidarität Belgiens, Hollands, Dänemarks und Norwegens imd lassen verstehen, daß sie eine Entscheidung zugunsten Schwedens als einen Verrat an der Bündnistreue betrachten würden.

Frankreich trumpft mit der EG- Solidarität gegenüber der amerikanischen Dominanz und dem Außenseiter Schweden auf. Der französische Premier Chirac besuchte Kopenhagen einzig und allein zu dem Zweck, um die dänische Regierung an diese EG-Solidarität zu erinnern und sie zur Bestellung von 50 ,,Mirage“(!) zu veranlassen. Der eigenen Flugzeugindustrie verspricht man 800 Millionen Francs, um ihr die Möglichkeit zu geben, mit besseren Verkaufsbe- dingungen aufzuwarten und die Konkurrenten aus dem Norden zu überfahren.

In dieser Situation, als die massive Unterstützung der Regierungen in Paris tmd Washington nicht mehr zu übersehen war, wandte sich Schwedens Außenminister Sven Andersson an seine Kollegen in Belgien und Holland, an van Elslande und van der Stoel, mit einem Schreiben, m dem er auf die weitgehende schwedische Bereitschaft zu einer industriellen Zusammenarbeit verwies, mit der beide Länder im Falle einer Entscheidung für den „Viggen 37 Europe“ rechnen könnten. Auch die Möglichkeit, das Flugzeug zur Gänze im

EG-Bereich zu bauen, wurde von neuem unterstrichen. Der einzige Erfolg dieses Vorstoßes war, daß eine Kommissicm der vier NATO-Länder, an deren Spitze der norwegische General Sverre Hamre steht, sich bereit erklärte, den „Viggen“ einmal anzuschauen, was man dann auch getan hat. General Hamre machte allerdings kein Hehl daraus, daß er sich nicht vorstellen könne, wie eines der vier Interessierten Länder einen von der höchsten NATO-Leitung richtunggebenden Wunsch mißach- tMi könnte …

Der nächste und vorläufig letzte Zug von schwedischer Seite war ein Versprechen der SAAB-SCANIA an die Norweger, nicht nur eine Reihe von norwegischen Unterlieferanten zu beschäftigen, sondern darüber hinaus auch noch zwei Milliarden Kronen für industrielle Investitionen zur Verfügung zu stellen. Berücksichtigt man den Wert der norwegischen Lieferungen, so kommt man zu dem Schluß, daß eine Flugzeugbestellung in Schweden den Norwegern nicht eine Krone der eigenen Valutareserve kosten würde. Ein großzügigeres Angebot ist kaum vorstellbar! Wird das die Norweger (die ja nicht Vollmitglieder in der EG sind) endlich weichmachen? Es gibt wohl kaum einen Mann in der Leitung der SAAB-SCANIA, der damit rechnet, daß man diese zwei Milliarden wirklich wird locker machen müssen — zu überzeugt ist man mittlerweile von der unverbrüchlichen NATO- Treue des nordischen Bruderlandes.

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