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Versöhnte Verschiedenheit?

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Bewegt und begeistert schilderte jüngst der evangelische Bischof Dieter Knall vor dem Ennstaler Kreis ein persönliches ökumenisches Erlebnis: Mit anderen Bischöfen seiner Glaubensgemeinschaft hatte er eine protestantische Gemeinde im asiatischen Teil der einstigen UdSSR besucht. Während der freudigen Begrüßung tauchte auch eine Delegation von Katholiken aus einer Nachbargemeinde auf und bat dringend: „Kommt doch auch zu uns, Brüder." Und auch orthodoxe Christen wollten einen Gottesdienst mit den evangelischen Bischöfen feiern.

Die Erzählung von dieser Begegnung war für Bischof Knall gelebte Ökumene, „versöhnte Verschiedenheit", wie er es nannte. Diese Geschichte war als Kontrapunkt zu einer Erfahrung gedacht, die der evangelische Bischof immer wieder macht und die er in dem Satz zusammenfaßte, er habe den Eindruck, die katholische Kirche habe „kein sonderliches Interesse mehr an einer Zusammenarbeit".

Er nannte Kardinal König als einen Mann, der „das große Geschenk der ökumenischen Bewegung" zu würdigen gewußt habe, er erinnerte sich an seine gute Zusammenarbeit mit Bischof Weber während seiner Zeit als Superintendent in der Steiermark und an die tiefe Freundschaft mit Alt-Erzbischof Berg von Salzburg. Er frage sich manchmal, ob man mit den neuernannten Bischöfen die Ökumene wieder beim Punkt Null beginnen müsse, sagte Dieter Knall bitter: „Wir waren schon weiter. In den letzten Jahren wird der Dialog für die Bischöfe erschwert, durch Weichenstellungen, die der Vatikan zu verantworten hat."

In das Gebiet, das die evangelischen Bischöfe in der einstigen Sowjetunion besucht hatten, kommt zweimal im Jahr ein Priester. Das ist eine Extremsituation. Hierzulande klagen die Pfarrer über eine ständige Verdünnung der religiösen Substanz, und wenn es zu Mischehen kommt, dann kommt es kaum mehr zu Auseinandersetzungen über konfessionelle Probleme, sondern es stehen meist ganz handfeste materielle Überlegungen im Vordergrund.

Es gibt da Ängste und Unsicherheiten, es gibt aber auch ideologischen Fanatismus und ressentimentgeladene Beschränktheit. Hinter den theologischen Differenzen, die einer wirksamen Ökumene im Wege stehen und überwunden werden müßten, steht doch eine gemeinsame christliche Tradition: das Evangelium.

„Die Ökumene bringt es mit sich, daß keiner bleiben kann, wie er ist", sagt Bischof Knall.

Vielleicht ist es die Scheu vor dieser notwendigen Veränderung, die auf Bewahrung der Verschiedenheit mehr bedacht ist als auf Versöhnung.

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