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Versorgung zu Hause

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Etwa 350.000 Personen in Österreich sind pflegebedürftig. Im Herbst wird ein neues Pflegegeldgesetz beschlossen, das die medizinische Versorgung zu Hause ermöglichen und Bettenreduktionen in den Spitälern zur Folge haben soll. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Rieder äußert jedoch Bedenken.

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Etwa 350.000 Personen in Österreich sind pflegebedürftig. Im Herbst wird ein neues Pflegegeldgesetz beschlossen, das die medizinische Versorgung zu Hause ermöglichen und Bettenreduktionen in den Spitälern zur Folge haben soll. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Rieder äußert jedoch Bedenken.

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Nach diesem neuen Gesetz wird das Pflegegeld je nach Hilfe- und Betreuungsbedarf in sieben Stufen gewährt. Es soll ein teilweiser Ausgleich für pflegebedingte Mehraufwendungen - unabhängig von Einkommen und Vermögen des Anspruchsberechtigten - geschaffen werden. Den Betroffenen soll dabei ein Rechtsanspruch auf die Feststellung der Pflegebedürftigkeit eingeräumt werden. Das Pflegegeld soll zwölfmal jährlich ausbezahlt werden und beträgt monatlich in Stufe eins: 2.500 Schilling, in Stufe zwei: 3.600 Schilling, in Stufe drei: 5.400 Schilling, in Stufe vier: 7.200 Schilling, in Stufe fünf: 11.000 Schiling, in Stufe sechs: 15.000 Schilling und in Stufe sieben: 20.000 Schilling.

Großer Betreuungsbedarf

Diese Pflegegelder werden nicht der Einkommensteuer unterliegen. Die Grundlage der Entscheidung der Bedürftigkeit bildet ein ärztliches Sachverständigengutachten. Personen, die bis jetzt Hilflosenzuschußbe-zieher waren, wäre von Amts wegen mit Wirkung per 1. Jänner 1993 ein Pflegegeld in der Höhe der Stufe zwei zu gewähren. Die bisherigen pflegebezogenen Geldleistungen würden bei Gesetzesbeschluß per 31. Dezember 1992 als rechtskräftig eingestellt.

Die Einführung des Pflegegeldes bedingt einen budgetären Mehraufwand 1993 von sieben Milliarden Schilling.

Die Neuordnung der Pflegevorsorge wurde notwendig, weil immer mehr Personen durch den medizinisch-technischen Fortschritt ein Alter erreichen, in dem es früher oder später, bedingt durch Abbauerscheinungen, zu einem Betreuungsbedarf kommt.

Die Zahl der über 65jährigen wird in den nächsten 25 Jahren um fast ein Drittel steigen, die der über 85jähri-gen sich fast verdoppeln. Anderer-

seits bewirken die Risiken der heutigen Lebensführung, daß immer mehr Menschen von Geburt an an Behinderungen leiden und durch Unfälle jeglicher Art behindert werden.

In Österreich sind derzeit etwa 310.000 bis 350.000 Personen pflegebedürftig. 237.000 davon beziehen einen Hilflosenzuschuß, 44.000 eine erhöhte Familienbeihilfe, 42.000 Pflegegelder und Blindenbeihilfen, 32.000 erhalten eine Hilflosenzulage und 4.500 Personen beziehen Pflege-, Blinden- und Hilflosenzulagen nach den Versorgungsgesetzen. Diese angeführten Leistungen können unter Umständen nebeneinander empfangen werden.

Was will man nun mit der Einführung des Bundespflegegeldgesetzes erreichen? Laut Ministerbüro Hesoun soll so eine medizinische Versorgung zu Hause ermöglicht werden und

auch eine Bettenreduktion in den Spitälern erfolgen. Die Hauskrankenpflege wird dadurch ausgebaut. Man möchte den Bedürftigen ein humaneres Leben ermöglichen und sie in ihrer gewohnten Umgebung betreuen. Von einer Ausgrenzung der Pflegebedürftigen muß man abkommen. Der Verweis auf spezialisierte Institutionen soll in Hinkunft nur mehr letzte Möglichkeit werden. Im Zuge der ganzen Neuregelung müssen auch die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte durch entsprechende Personalvermehrung verbessert werden.

Die Stadt Wien ist jedoch nicht ganz zufrieden mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf. Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder dazu: „Wir befürchten bei der derzeitigen Gesetzesvorlage eine Doppelförderung. Das heißt, der Betroffene bekommt in Wien die Betreuung durch eine mobile Schwester oder eine Heimhilfe und zusätzlich das Pflegegeld. Dies kann wohl nicht der Sinn der Sache sein. Immerhin geht es hier um Milliardenbeträge, die unter Umständen zweckentfremdet werden könnten.

Die Stadt Wien spricht sich daher für Sachleistungen aus. Wir sehen darin zum Beispiel den Ausbau der Heimkrankenpflege. Wir können das Bundespflegegeld-gesetz nur dann voll begrüßen, wenn im Gesetzestext ausdrücklich verankert wird, daß das ausbezahlte Pflegegeld ausschließlich zur Zahlung von Sachleistungen aufgebracht werden darf."

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