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Versuchsballon mit Hintergedanken
Der Einfall, den Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider in seiner turnusmäßigen Rundfunkansprache am 1. Juli 1990 als Versuchsballon steigen ließ, hat sowohl bei sozialistischen wie bei ÖVP-
Kollegen im Amt seine Wirkung nicht verfehlt: die Direktwahl des Landeshauptmannes durch „sein" Volk.
Nicht nur der burgenländische Landeshauptmann Hans Sipötz malte den Vorteil aus, wie sich doch ein direktgewählter Landeschef aus der Parteipolitik heraushalten und mehr Durchschlagskraft verschaffen könnte, auch sein niederösterreichischer Kollege Siegfried Ludwig konnte sich durchaus für die Idee erwärmen.
Der durchschlagende Erfolg, den SPÖ-Chef Franz Vranitzky mit der „schiefen" Vorzugsstimmen-Aktion bei den Nationalratswahlen am
7. Oktober 1990 landen konnte, hat ein übriges getan: Personalisierung ist angesagt. Auf allen Ebenen. Nicht nur das Wahlrecht für den Nationalrat soll reformiert werden, sondern auch auf Gemeinde- und Länderebene bastelt man fleißig herum, die Direktwahl von Bürgermeistern und Landeshauptleuten wird überlegt. Warum, könnte bald einer fragen, soll dann letztlich nicht auch noch der Bundeskanzler unmittelbar vom Wahlvolk gekürt werden?
Auf Gemeindeebene kann sich ÖVP-Klubobmann Heinrich Neis-ser eine Direktwahl durchaus vorstellen. „Auf allen anderen Ebenen freilich würde das eine grundsätzliche Änderung unseres parlamentarischen Systems bedeuten", gibt sich der anerkannte Verfassungsexperte im Gespräch mit der FURCHE ablehnend.
Neisser noch deutlicher: „Ich halte nichts von der Idee der Direktwahl des Bundeskanzlers oder eines Landeshauptmannes. Beide sind Exponenten der Exekutive in
unserem parlamentarischen System", wie es auf Bundes- und Landesebene Verfassungsrecht ist. Der Grundgedanke dieses Systems sei es, daß der Bundeskanzler dem Nationalrat und jeder Landeshauptmann seinem Landtag politisch verantwortlich ist und zudem die Legitimation dieses Parlaments braucht. Hingegen habe jeder, „der direkt gewählt ist, eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk. Das wäre eine grundsätzliche Änderung des Verfassungsrechtes."
Die Bundesverfassung weist dem Landeshauptmann eine Doppelrolle zu. Einerseits (Artikel 105) vertritt ein Landshauptmann sein (Bundes-)Land, andererseits (Artikel 103) ist er „in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung ... an die Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundesminister gebunden
und verpflichtet,... auch die ihm in seiner Eigenschaft als Organ des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden". .
Bis zur Stunde hat hoch kein Proponent der Landeshauptmann-Direktwahl auch nur andeutungsweise anklingen lassen, welche neue Verfassungslösung ihm vorschwebt. Daß aber durch die Direktwahl das Weisungsrecht der Bundesregierung unterlaufen werden soll, kann im Sinne des Erfinders - jüngstes Stichwort: „Freistaat Kärnten" - angenommen werden.
Steiermarks Landeshauptmann Josef Krainer sieht zwar auch in einer Landeshauptmann-Wahl die „optimalste Lösung", nimmt sich aber für seine Landes-Wahl-rechtsreform - die noch vor der im Herbst (spätestens im September 1991) fälligen Steirer-Wahl beschlossen werden soll - das Vorarlberger Modell und Vranitzkys im Vorjahr von der ÖVP heftig kritisierte Vorzugsstimmen-Kampagne zum Vorbild.
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