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Verteidigung à la Potemkin

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Die 24 Abfangjäger, die Österreichs Regierung für das Bundesheer anschaffen will, werden rund 1,5 Milliarden Schilling kosten, wenn wir uns für die schwedischen Saab-Draken entscheiden. Glaubt man Heinz Vetschera, dem Leiter des Instituts für strategische Grundlagenforschung (FURCHE 44/84), wird diese An-

Schaffung einer angemessenen Zahl leistungsfähiger Uberwa-chungsflugzeuge das „funktionale Gegenstück zur Raumverteidigung" darstellen. Wir könnten damit halbwegs sicherstellen, „daß der Krieg draußenbleibt".

Dem Laien kommt das spanisch vor. 24 gebrauchte Flugzeuge reichen, um unseren Luftraum zu sichern? Experten zufolge wäre ein Viertel bis ein Drittel des Bestandes wegen Reparatur und Wartung im Durchschnitt nicht startklar. Bleiben somit 16 bis 18 Abfangjäger für unser gesamtes Bundesgebiet, zwei pro Bundesland!

Und damit wollen wir unsere Lufthoheit verteidigen, wenn in unserer Nachbarschaft Krieg geführt wird? Da genügt es, daß sich ein Dutzend fremde Flugzeuge in unseren Luftraum „verirren", und unsere Luftstreitmacht ist lahmgelegt, voll damit beschäftigt, die Eindringlinge zum Landen zu zwingen. Und das soll reichen? Auch für den Schutz der Bodentruppen? Oder ist der unwichtig?

Würden wir unsere Aufgabe ebenso ernst nehmen wie die Schweiz, müßten wir — entsprechend der größeren Fläche unseres Landes - 250 bis 300 Flugzeuge anschaffen. So ernst nimmt bei uns aber niemand die Landesverteidigung. Kanzler Fred Sinowatz beschwichtigte die parteiinterne Kritik an der Flugzeuganschaffung mit dem Hinweis, es seien ohnedies nur 24 alte Maschinen — kein Grund zur Aufregung.

Das ist die „würdige" Fortsetzung unserer Verteidigungspolitik: Österreich tut so, als ob es seine Neutralität ernst nähme. Diesmal, als ob es seinen Luftraum verteidigen wollte.

Seit Beginn des Bundesheeres stehen große Worte mageren Taten gegenüber. Seit 30 Jahren verteidigt unsere Regierung — welcher Couleur auch immer — erfolgreich unseren letzten Platz bei den Militärausgaben. Und die militärische Führung spielt mit in der Hoffnung, es werde sich doch einmal ändern. Sie versucht, sich mit den Hungerrationen durchzuschwindeln: Besse! 24 Abfangjäger als gar nichts. Später einmal kann man auf dem aufbauen. Auch wenn man geteilter Meinung darüber sein kann, ob militärische Landesverteidigung sinnvoll ist, steht doch fest: Österreich hat sich zur Verteidigung seiner Neutralität verpflichtet, und unsere Politiker bekennen sich dazu. Daher ist die bisherige „Als-ob-Strategie" untragbar. Von den Politikern geprägt, ist sie Teil des Militäralltags geworden.

Unser Milizsystem beruht auf Mobilmachung. Sie sollte geübt werden. Dazu müßten auch zivile Fahrzeuge herangezogen werden, wogegen sich jedoch die Wirtschaft wehrt. Also übt man nicht und tut so, als würde ohnedies alles klappen.

Bei den Truppenübungen fehlt es daher an Fahrzeugen. Noch bei keiner Übung verfügte die Kompanie, bei der ich eingeseljzt war, über die vorgesehene Zahl an Fahrzeugen. Die Folge: Herumjonglieren mit den wenigen vorhandenen und endloses, sinnloses Herumstehen und Warten. Als Trost bekommt man zu hören, im Krieg fielen auch Fahrzeuge aus. Man müsse sich behelfen lernen.

Schwierigkeiten gab es auch meistens mit dem Sprit. Während meiner Militärzeit übten wir sogar, als hätten wir Benzin: Jeeps — uralte Erbstücke aus den Weltkriegsbeständen der USA — wurden geschoben, übungsweise, als gingen wir mit einem fahrtüchtigen Fahrzeug in Stellung.

Oder beim Manöver 1979: Da faßten wir zwölf Maschinengewehre aus. Leider gab es dazu nur fünf Läufe, die Knallmunition schießen konnten. Die anderen sollten so tun als ob. Als dann der „Feind" kam, erwies sich der Mangel nur als halb so dramatisch, weil auch der Gegner nur so tat, als ob er uns angreifen wollte. In Wirklichkeit war er vom Regen schon viel zu durchnäßt. So kam er trotz unseres „erbitterten" Abwehrfeuers einfach auf uns zu.

Da blieb nichts anderes übrig, als den „Kampf" einzustellen und sich gemeinsam an einem heißen Tee zu laben, bis die Schiedsrichter zum Aufbruch mahnten: Man tat, als ob wir verloren hätten.

Oder vor drei Jahren: Gefechtsübung mit scharfer Munition. Ich stellte mir vor, wir sollten uns verhalten, wie wir es in der Grundausbildung gelernt hatten: geduckt sich fortbewegen, möglichst keine Zielscheibe abgeben. Mitnichten. Aufgefädelt wie die Perlen auf einer Schnur mußten wir lässig über die freie Fläche marschieren. Geschossen wurde auf Figuren, die nachher nicht auf Einschüsse untersucht wurden ...

Von der Politik inszeniert, wird die „Als-ob-Strategie" nun in weiten Bereichen des Heeres gespielt. Für die Militärs war das Mitspielen oft das einzige Uberlebensrezept. Man kochte mit Wasser in der Hoffnung auf bessere Zeiten. In wenigen Monaten werden wir 30 Jahre Bundesheer feiern — sicher mit vielen schönen Worten. „Als-ob-Bekenntnisse" zu einer „Als-ob-Landesverteidi-gung".

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