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Vertrauen in die Vertragstreue

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Mit Julius Raab kam ein neues außenpolitisches Konzept, das nicht mehr nur auf Anlehnung an die Amerikaner ausgerichtet war. Dieses Konzept war am Anfang nicht genau definierbar. Es war eben ein Bündel sehr pragmatischer Ideen, von denen sich Julius Raab leiten ließ. Nichts wurde übereilt getan.

Julius Raab erkundigte sich gewissenhaft über die russische Vertragstreue. Als 1953 der finnische Präsident Urho Kekkonen nach Deutsch Altenburg reiste, um dort Kur zu nehmen, gab Julius Raab den Auftrag, ein Vieraugengespräch bei einem Mittagessen mit Kekkonen zu arrangieren.

Er kam tief beeindruckt aus dieser Unterredung zurück, weil ihn Präsident Kekkonen in der Gewißheit bestärkte, man könne mit den Russen schriftliche Abmachungen treffen, sie seien verläßliche Partner.

Schließlich war ein weiteres Element im Bündel dieser Maßnahmen, daß er die Berichte des österreichischen Botschafters in Moskau, Norbert Bischoff, ernst zu nehmen begann, was man von den Funktionären des Ballhausplatzes nicht immer sagen konnte. Bischoff hatte ein eigenes, für den Bundeskanzler bestimmtes Memorandum verfaßt, worin er die Gedankengänge der sowjetischen Außenpolitik darstellte und besonders auf die Voraussetzungen hinwies, unter denen der österreichische Staatsvertrag zustande kommen könnte.

Das Neutralitätskonzept Österreichs war nun schon gut zwei Jahre immer wieder der sowjetischen Regierung angeboten worden. Auf Grund einer Debatte im österreichischen Nationalrat wurde schon 1952 eine Entschließung gefaßt, die den Außenminister beauftragte, die entsprechenden Möglichkeiten einer Neutralitätserklärung auszukundschaften.

So flog Karl Gruber in die Schweiz, um den damaligen indischen Ministerpräsidenten Jawahartal Nehru aufzusuchen und um indische Vermittlung zu bitten. Dieser beauftragte seinen damaligen Botschafter in Moskau, Schiwas-nakara Menon, bei der sowjetischen Regierung vorzufühlen.

Die Zeit schien allerdings 1952 noch nicht reif. Im Jahre 1954 hingegen hatte die Bundesregierung und vorallem Julius Raab als Bundeskanzler Zeichen genug gesetzt, um der sowjetischen Regierung die Ernsthaftigkeit des österreichischen Willens zur Neutralität darzutun. So wurde der als Nachfolger von Karl Gruber amtierende Außenminister Leopold Figl auf der Berliner Konferenz mit dem Vorschlag vorstellig, daß Österreich bereit sei, die Neutralität zu erklären.

Der damalige sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow erklärte hiezu, daß diese Erklärung des österreichischen Außenministers zwar sehr nützlich, aber nicht hinreichend sei. Sie sei für die sowjetische Regierung akzeptabel, wenn Österreich sich bereit fände, bis zur Lösung der Deutschen Frage sowjetische Truppenverbände in Österreich stationieren zu dürfen und wenn Österreich sich überdies bereit fände, eine Klausel Uber die Neutralität in den Staatsvertrag aufzunehmen.

Beide Bedingungen waren für die österreichische Regierung unannehmbar.. Denn niemand konnte voraussehen, wie lange es noch dauern würde, bis die Deutsche Frage gelöst sei. Eine Aufnahme einer Klausel in den Staatsvertrag kam schon aus dem Grunde nicht in Frage, weil dies einer zwangsweisen Auferlegung der Neutralität gleichgekommen wäre; Österreich aber sollte seine Verpflichtungen nur freiwillig übernehmen.

Auch John F. Dulles, der amerikanische Vertreter auf dieser Konferenz, kam in diesem Punkte Österreich zu Hilfe und erklärte, daß nur eine freiwillig übernommene Verpflichtung von

Wert sei. Man wollte 1955 bewußt kein Interventionsrecht zur Wahrung der Neutralität schaffen.

Es verging nicht lange Zeit. Am 5. Februar 1955 hielt Molotow eine längere und ausführliche Rede, in der er auch eine Passage Österreich widmete, die die österreichische Regierung eine Haltungsänderung der Sowjets annehmen ließ.

So wurde Botschafter Bischoff beauftragt, nähere Erkundigungen einzuziehen und erhielt von der Sowjetischen Regierung das überraschende Angebot, eine Österreichische Regierungsdelegation möge nach Moskau kommen, um über die Bedingungen des Abschlusses eines österreichischen Staatsvertrages zu verhandeln.

Es kam zur Reise nach Moskau in den Apriltagen des Jahres 1955, an der von der Regierung Bundeskanzler Julius Raab, Vizekanzler Adolf Schärf, Außenminister Leopold Figl und Staatssekretär Bruno Kreisky teilnahmen.

Nach 24stündigem Zögern, da niemand zuerst mit dem Neutralitätsvorschlag herausrücken wollte, einigte man sich über die Formel, Österreich werde eine Neutralität der Art erklären, „wie sie die Schweiz handhabt”. Jedenfalls hatte man auf diese Weise die einseitige Erklärung der Neutralität durch Österreich gerettet. Und jedenfalls war auch die ideologische Verankerung Österreichs mit dem Westen sichergestellt.

Dieser Beitrag ist auszugsweise einer Unterlage entnommen, die Dr. Franz Karasek für ein zeitgeschichtliches Symposium der Politischen Akademie der ÖVP am 29. und 30. April zur Verfügung gestellt, hat.

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