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Verzester Zaster

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Wie doch das Bedrohliche aus- sprechlich wird! Nach Auschwitz, meinte Theodor Adorno, seien keine Gedichte mehr möglich. Der gute Mann hatte keine Ahnung, was nach Auschwitz noch alles möglich ist. Die SS war ja auch von der Art, nach der man sich eigentlich nichts mehr vorstellen konnte. Und jetzt heißen die allerdicksten Bertas, mit denen sie auf uns zielen, ausgerechnet SS 20 — und die Konsumgesellschaft denkt sich so viel und so wenig da-

bei, wie wenn ein Fahrzeug halt Audi 80 oder Mercedes 220 heißt.

Irgendwas wird das SS schon heißen, aber wer hellhörig genug ist, dem läuft’s kalt über den Buk- kel. Nicht einmal ein Parfüm könnte man als Marke SS 20 verkaufen, es sei denn, es röche nach Gaskammer und Totenbein. Die Vernichtungstechniker decouv- rieren sich schon mit ihrer Sprache. Weh dir, du armes Menschenmaterial, wenn du solches vernimmst!

Bei uns in Österreich findet der Krieg zu Anno Orwell derzeit noch an der fiskalischen Kassa statt. Eine linguistische Betrachtung der Szene offenbart indes auch hierzulande, was sich der große Bruder so ganz nebenbei denkt.

Wissen Sie, sparunwilliger, kaufgeneigter Leser, eigentlich noch, was WUSt war? Das klang so schön chaotisch — und war doch, verglichen mit heute, ein kaufmännisches Labsal. Die Warenumsatzsteuer war’s, der neue Zehent des Obertanen. Milde, mit 5 Prozent, wenn ich mich recht erinnere, fing’s an. Und erst der Androsch, dem sie heute viel Schlimmeres nachsagen, machte diesem köstlichen Wust von WUSt ein Ende und raubte uns unter anderem ein liebgewonnenes Wort.

Er führte die Mwst ein, deren umschieichungsbeflissene Unpopularität „ nicht zuletzt mit der fürchterlichen Abkürzung Zusammenhängen mag. Für WUSt hat der primär nicht zur Ordnung geborene Österreicher Verständnis. Was aber soll ihm Mwst?

So blieb denn die Mehrwertsteuer ungeliebt bis auf den heutigen Tag. Ungeliebt wie LSt, Svbtr, Gtrkst oder Kuml. Da trösten weder Kfzfrbg noch Fbh.

Doch es wächst, wo Gefahr ist, stets das Rettende auch. Die Abkürzungs-Linguisten im Finanzministerium bereiten uns eine Wohltat. Da dieser Fiskus in den letzten Wochen für seine neue Zinsenertragsteuer von allen Seiten geprügelt wurde, stimme ich ihm nun ein großes Lob- und Danklied an. Denn endlich, endlich hat er wieder einmal ein brauchbares Wort erfunden. Die konsonantenzerfransten Zungen empfinden es wie Balsam: ZESt.

Klingt das nicht, als stamme es von Zaster? ZESt, der kleine Obolus, das verschämte Staatstrinkgeld fürs Zaster-Liegenlassen auf der Bank. Mit 7,5 Prozent gewis sermaßen ein ZESterl vom Mallorca-Packerl. Wer wird denn so neidisch sein und dem Salcherl für sein Defiziterl kein ZESterl gönnen?

Nein, man sollte ZESt nicht mit ziehen, zerrinnen und zausen assoziieren! Auch nicht mit zetern und zerren. ZESt klingt so lieb wie die kleine Zehe. Nur, hoffentlich will der, dem wir jetzt die kleine Zehe reichen, nicht bald den ganzen Fuß!

Unverständlich erscheint mir nach so viel Sympathie für die ZESt, daß sie uns — möglicherweise — nicht „ausgewiesen” werden soll. Ganz stillschweigend wollen - oder sollen — die Banken die schöne ZESt zum Finanzminister tragen. Nur wer dann den Finger vorwurfsvoll auf die Zeile mit den verringerten Zinsen legt, dem haucht die Schaltermaid vertrauensvoll ins Ohr: „Wissen’S, das ist die ZESt!”

Und verschüchterte Sparer werden dann gar nicht weiterfragen, weil ZESt so nett und wohltätig klingt. Das hört sich an wie die arme Resi-Tant’, die sich halt vom reichen Onkel ein bisserl was geholt hat.

Wie war doch das grausam und bedrohlich, als zu Beginn dieses Jahres aus Mallorca die böse Kunde von solchen Ungeheuern wie Sparbuchsteuer (Spabust) und dann Anonymitätsabgabe (Anogab) kam! Kein Wunder, daß sich die Wähler damit nicht anfreunden konnten! Unverzeihlich, daß der große Zampano und Volkspsychologe das damals nicht erkannt hat! Und daß ihm keiner seiner Berater gleich zugeraunt hätte: Sagen’S ZESt, Herr Bundeskanzler — und Sie hab’n g’wonnen!

An einer einzigen Silbe hing die Macht. Die Chance ward verspielt. Die Nachfolger lachen sich ins ZESterl.

Zu guter Lėtų

Ein westdeutscher Politiker weilt auf Staatsbesuch in einem der jungen afrikanischen Staaten. Während eines Banketts ihm zu Ehren sitzt ein schwarzer Herr neben ihm. Jovial neigt sich der europäische Staatsmann während des Dinners zu seinem dunklen Tischnachbarn: ,JIam-ham gut?” Der Tischnachbar nickt beifällig.

Als der Wein aufgetragen wird, prostet der Weiße dem Schwarzen zu: „Gluck-gluck gut?”

Wieder nickt der Afrikaner beifällig, erhebt das Glas, hält eine halbstündige Rede in fließendem Deutsch, und während er sich setzt, fragt er den weißen Mann neben ihm: ,J3la-bla gut?”

Aus: BOHM’S LACHENDES LEXIKON. Die besten Witze von A bis Z aus der größten Sammlung Europas. Von Max Böhm. Mit einem Vorwort von Hugo Wiener. Verlag Kre- mayr & Scheriau, Wien 1983,292 Seiten, geb., öS 238,-.

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