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Viel Blut und viel Feuer

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Sie schössen in Nabatije, sie schössen in Ejn Chilva, und sie schössen in den Straßen von Ty-rus — auch dann noch, wenn die Erwachsenen längst davongelaufen waren: sie, die 10-, 12- und 14jährigen schössen so lange, bis sie keine Munition mehr hatten.

Die Soldaten nennen sie die „RPG-Kinder” (nach den russischen Bazookas). Sie sind die jüngsten Kämpfer innerhalb der Palästinensischen Befreiungs-Organisation (PLO). Die PLO rekrutierte Kinder ab zehn Jahren zu Nachwuchssoldaten, gab ihnen 200 libanesische Pfund im Monat sowie freie Kost und Unterkunft. Mobilisiert wurden syrische, palästinensische und libanesische Kinder.

Einige Dutzend solcher „Jung-Krieger” wurden von den Israelis gefaßt, die sich erstaunt fragten: Sollen diese Kinder unsere Feinde sein?

In der PLO gibt es 15 größere und kleinere Organisationen, von denen jede eigene Waffendepots und einen eigenen Kommandanten hat. Was ihnen allen gemeinsam ist, das ist der Haß gegen Israel.

Die Vielfalt der Organisationen ist damit zu erklären, daß sich einige größere gespalten hatten, da jeder der Kommandanten selbst die erste Geige spielen wollte. Die diversen Organisationen werden von diversen Ländern finanziert.

Im Laufe der Jahre schufen sich die verschiedenen Organisationen im Rahmen der PLO mit Hilfe der Millionen Petrodollars einen diplomatischen Uberbau, der nur wenig mit den Terrororganisatio-nen gemein hat, aber als deren Vertretung bei der UNO und in diversen Ländern fungiert.

Allerdings gibt es keine palästinensische Exilregierung. Denn kein arabischer Staat ist bereit, eine solche zu beherbergen. Seinerzeit hatte Ägypten einen diesbezüglichen Vorschlag gemacht, aber so viele Bedingungen darangeknüpft, daß nichts dabei herauskam.

Kein arabischer Staat war bereit, die Palästinenser, innerhalb seiner Grenzen zu dulden. So wurde der ohnehin schwache Libanon gezwungen, das zu tun, was die Stärkeren verweigerten — nämlich eine Ersatzheimat für die Palästinenser zu werden.

Während des Befreiungskrieges von 1948 verließen ungefähr 700.000 Palästinenser das damalige Palästina und verstreuten sich in fast alle arabischen Länder. Aus politischen Gründen und aus Angst vor fremden Elementen waren die meisten Staaten nicht gewillt, die Palästinenser zu integrieren. Nur Jordanien und Saudi-Arabien gaben ihnen volle Möglichkeiten, wobei letzteres ihnen aus innerpolitischen Gründen bis heute keine politischen Rechte zuerkannt hat.

In Syrien, im Irak und im Libanon leben die Palästinenser meist in Flüchtlingslagern, wobei jeder Staat andere politische Gründe zu ihrer Isolation vorgibt.

Nachdem der Versuch der PLO, in Jordanien einen PLO-Staat zu schaffen und König Hussein zu stürzen, mißlungen war, ließ dieser im September 1970 die PLO und andere Palästinenser durch seine Beduinensoldaten wahllos zusammenschießen.

Im Libanon waren die PLO-Or-ganisationen vorsichtiger. Sie setzten sich in diversen Dörfern und Städten fest, errichteten erst nur Ausbildungslager und Waffendepots. Doch sobald sie sich stärker fühlten, begannen sie sich als Herren aufzuspielen: Sie hatten die Waffen und daher das Sagen.

Die libanesischen Polizisten wurden aus fast allen Städten und Dörfern Südlibanons vertrieben, und die Richter ihrer Funktionen enthoben. In jedem Ort herrschte der jeweilige PLO-Kommandant, egal, zu welcher Organisation er gehörte.

Aus diesem Grund wird auch verständlich, warum viele Libanesen nach sieben Jahren PLO-Piratenstaat die Israelis — für die sie zuvor keine Sympathien empfanden — mit einer gewissen Erleichterung empfingen.

Die PLO entstand 1964, um den frustrierten jungen Palästinensern in den Flüchtlingslagern — die in vielen ihrer Gastländer als zweitrangige Bürger behandelt worden waren — einen Weg zu zeigen, um wieder zu einer Heimat zu kommen. -*

Ab Juni 1967 begann auch die palästinensische Bewegung in den von Israel besetzten Gebieten Fuß zu fassen, nachdem es Israel versäumt hatte, das Westjordanland an Jordanien zurückzugeben, wie es der damalige Ministerpräsident Eschkol ursprünglich beabsichtigt hatte, um so Frieden zu schließen.

Genau 15 Jahre später, im Juni 1982, wurde die PLO im Libanon empfindlich geschlagen, ihre militärische Kraft durch die Israelis gebrochen. Doch das wichtigste Problem der drei bis vier Millionen Palästinenser in- und außerhalb Palästinas blieb ungelöst: Ministerpräsident Begin und Verteidigungsminister Scharon glauben, daß nach dem Schock der militärischen Niederlage die Palästinenser Westjordaniens nun bereit sein werden, Israels begrenzte Autonomievorschläge anzunehmen. Aber niemand in Westjordanien hat nach dem israelischen Dreinschlagen im Libanon auf die alte Forderung der politischen Selbstbestimmung verzichtet.

„Mit Blut und Feuer wollen wir unsere Heimat erobern”, ist eine der vielen Losungen der Fatah, der größten Organisation innerhal der PLO. Im israelischen Feldzug im Libanon gab es viel Blut und Feuer: etwa 1000 PLO-Aktivisten fielen im Kampf gegen die Israelis, 5000 gerieten in Gefangenschaft, und die Infrastruktur der PLO wurde fast völlig vernichtet.

Nun soll über das Los des letzten Bollwerks der PLO — Westbeirut — entschieden werden; wobei noch immer nicht klar ist, ob es hier zu einem blutigen Kampf kommt oder die Vernunft die Oberhand behält.

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