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Viel Druck und große Auflagen

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Glacehandschuhe gegenüber den jeweiligen staatlichen Machthabern sind in Afrika die erste Journalistenpflicht. Dennoch entwickelt sich ein bedeutender Zeitungsmarkt.

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Glacehandschuhe gegenüber den jeweiligen staatlichen Machthabern sind in Afrika die erste Journalistenpflicht. Dennoch entwickelt sich ein bedeutender Zeitungsmarkt.

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„Unsere Revolution dient dem Volk. Auch die Presse muß diesen Umstand akzeptieren, ansonsten hat sie keine Existenzberechtigung.“ Auf den ersten Blick schockiert diese Forderung eines libyschen Pressevertreters westliche Beobachter. Aber sie spiegelt die Realität der afrikanischen Presse wider, auch in jenen Ländern, die eine pluralistische Gesellschaftsordnung und Pressefreiheit haben.

Die Presse steckt in vielen afrikanischen Ländern erst in den Anfängen, und da ist die offizielle Tageszeitung dann Sprachrohr der Regierung. Die Tageszeitung als Monopol des Staates gibt es.

zwar auch in den anglophonen Ländern, doch sie ist ein Spezifi-kum der frankophonen Länder. In den anglophonen Ländern gibt es auch eine unabhängige, private Presse. Daneben existieren in vielen Ländern auch noch Zeitungen der Opposition. Ende der sechziger Jahre gab es im anglophonen Westafrika 25 Tageszeitungen, im frankophonen Westafrika dagegen nur zwölf. Und 27 Zeitschriften standen gegen 16 in französischer Sprache. In Liberia existierten in dieser Zeit 25 „Rural news-papers“.

In Nigeria gibt es heute 17 Tageszeitungen, im Senegal dagegen nur eine. Nigerianische Zeitungsleser können unter 60 Journalen auswählen, 10.000 Journalisten arbeiten für sie. Die Journalisten sind in mächtigen Gewerkschaften zusammengeschlossen. Ungeachtet der relativen Unabhängigkeit der Presse in diesen Ländern lassen die autoritären Regierungen den Journalisten wenig Handlungsfreiraum und setzen sie ständigen Repressionen aus. Aber sie können die private Presse, die über eigene Geldquellen verfügt, nicht ganz ausschließen. So hat die Presse in den anglophonen Ländern eine breite Basis.

Eine Besonderheit der afrikanischen Presse besteht darin, daß es zwei Gruppen von Journalisten gibt: solche, die ehrlich um eine objektive Arbeit bemüht sind, und solche, die „Beamte des Staates“ sind. Das zeigt folgendes Beispiel: Im Süden Madagaskars sterben täglich 60 bis 70 Menschen an Hunger. Als einzige berichtete die Oppositionszeitung „La Lettre de L'ocean Indien“ über diese Tragödie; die offizielle Presse schwieg, weil die Regierung schwieg.

Langsam entwickelt sich der Markt in bezug auf Periodika in den afrikanischen Nationalsprachen. Auch Tageszeitungen, Zeitschriften und Journale erscheinen in diesen Sprachen. Hier sollen als Beispiel die Zeitschrift „Uhuru“ in Tansania, die Tageszeitung „Taifa“ in Zaire und das Journal „Kaddu“ im Senegal genannt werden. Einige europäischsprachige Zeitungen und besonders die Zeitungen der Opposition bringen auf ihrer letzten Seite Mitteilungen in den afrikanischen Sprachen lateinischer oder arabischer Transkription. Die afrikanische Presse hat sich europäischen und amerikanischen Zeitungen als Muster genommen. Die nigerianische „Newswatch“ erinnert an die amerikanische „Time“ und die beste Tageszeitung in Lagos, „The Guardian“, an eine Londoner Zeitung.

Unter den Zeitschriften sind drei Journale besonders hervorzuheben: „Jeune Afrique“, „Afri-casia“ und „Africa“. Sie werden von afrikanischen Journalisten herausgegeben, die in London beziehungsweise Paris arbeiten und leben. Im Gegensatz zum Radio ziehen die afrikanischen Leser ihre Zeitungen den ausländischen vor. Dafür gibt es zwei Gründe: Die europäischen Zeitungen sind zu teuer, und abgesehen von den speziellen Dossiers bringen die nationalen Zeitungen die gleichen Themen.

Die nicht offiziellen Zeitungen sind in Afrika oft Repressionen ausgesetzt. Die staatliche Interessen störenden Informationen

werden oft als Beleidigung des Staates ausgelegt. Man beschuldigt die Journalisten, das Land „destabilisieren“ zu' wollen. Die Antwort des Staates ist dann entsprechend rüde: Die Zeitungen werden verboten, die Journalisten werden verhaftet, oder sie verschwinden auf „lateinamerikanische Art“.

1985 wurde im Senegal der Direktor des Journals „Promotion“ verhaftet, weil er Machenschaften der Besatzung des Präsidentenflugzeugs veröffentlichte. In Liberia wurde der „Daily Ob Server“ ohne die Bekanntgabe eines Grundes verboten. Uber den Direktor und einen Mitarbeiter der

Zeitschrift „Footprints Today“ wurde die Todesstrafe verhängt, weil sie über die illegale Verhaftung zweier Minister berichteten. Und der frühere Direktor der Zeitschrift „New Liberian“ verschwand im Februar 1985 spurlos.

Im Kamerun berichteten Journalisten der „Cameroon Times“ über Betrügereien in der staatlichen ölcompany. Sie wurden arretiert. Seit dem Juli 1985 darf die bekannteste und populärste kamerunische Zeitung, „Le Messa-ger“, nicht mehr erscheinen.

Im November 1985 wurde der Direktor der nigerianischen Zeitung „Newswatch“ mit einer Briefbombe ermordet. In Lagos wird ein Minister als Täter verdächtigt, er war über den freien Ton der Presse verärgert. Diese Liste kann man verlängern, denn solche Vorfälle gehören leider zum Alltag im afrikanischen Journalismus. Die hier aufgezählten Beispiele stammen aus Ländern, die als liberal und tolerant gegenüber Opposition und freier Presse gelten.

Für die Zukunft kann man hoffen, daß die Vorschläge zur internationalen Neuorganisation des Nachrichtenwesens, die im Rah-

men der UNESCO ausgearbeitet wurden, Schwarzafrika tatsächlich die materiellen und technischen Mittel in die Hand geben, um das Medienwesen auszubauen. Afrikanische Journalisten sollten so die Möglichkeit erhalten, freier zu handeln, um die Wechselbeziehungen zwischen politischer Demokratie und sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung aufzeigen zu können. Die afrikanischen Journalisten bemühen sich im Rahmen der Gewerkschaften, der PANA (Afrikanische Presseagentur) und der URTNA (Union des Radio diffu-sions televisions nationales d'Afrique), dieses Ziel zu erreichen.

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