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Viel Geduld, Vielfalt und persönliche Verfügung

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Professor Fritz Klenner ist Dank dafür zu wissen., daß er in seinem Beitrag zur Vermögensbildung (FURCHE 19/1972) für Realismus plädiert und vor Illusionen auf dem Gebiet der Vermögensbildungspolitik gewarnt hat. Es ist ihm weiter darin zuzustimmen, daß dieses Gebiet geradezu prädestiniert ist für missionarische Eiferer und Romantiker, die meinen, alle Ungerechtigkeiten dieser Welt mittels Vermögensbildung beseitigen zu können. Allerdings sollte man gerade in Österreich gewarnt sein: Die Idee der Volksaktie, die hierzulande, mehr zufällig als wohlüberlegt, aus Anlaß eines Wahlkampfes geboren wurde, hat sich denn doch nicht als sehr tragfähig und dauerhaft erwiesen; es bleibe uns erspart, auf das Schicksal der Volksaktien des einen oder anderen Unternehmens eingehen zu müssen. Wie es denn überhaupt angebracht ist, aus sich häufenden aktuellen Anlässen vor jugendlichen Übersteigerungen des gesellschaftspolitischen Engagements auf das entschiedenste zu warnen.

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Professor Fritz Klenner ist Dank dafür zu wissen., daß er in seinem Beitrag zur Vermögensbildung (FURCHE 19/1972) für Realismus plädiert und vor Illusionen auf dem Gebiet der Vermögensbildungspolitik gewarnt hat. Es ist ihm weiter darin zuzustimmen, daß dieses Gebiet geradezu prädestiniert ist für missionarische Eiferer und Romantiker, die meinen, alle Ungerechtigkeiten dieser Welt mittels Vermögensbildung beseitigen zu können. Allerdings sollte man gerade in Österreich gewarnt sein: Die Idee der Volksaktie, die hierzulande, mehr zufällig als wohlüberlegt, aus Anlaß eines Wahlkampfes geboren wurde, hat sich denn doch nicht als sehr tragfähig und dauerhaft erwiesen; es bleibe uns erspart, auf das Schicksal der Volksaktien des einen oder anderen Unternehmens eingehen zu müssen. Wie es denn überhaupt angebracht ist, aus sich häufenden aktuellen Anlässen vor jugendlichen Übersteigerungen des gesellschaftspolitischen Engagements auf das entschiedenste zu warnen.

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Die Vermögensbildung — hier eingeschränkt auf den Kreis der Arbeitnehmer — ist ja nicht nur ein gesellschaftspolitischer Akt, sie hat auch einen sehr realen wirtschaftlichen Hinter- und Untergrund. Denkt an das Fundament! möchte man ihren Aposteln zurufen. Und zugleich die Bitte anfügen, doch bei allem Eifer nicht die menschliche Dimension, das ganz natürliche — und nur in den Augen von Intellektuellen verwerfliche — Verhalten der Menschen zu berücksichtigen, das sich nur sehr langsam wandelt. Noch immer bleiben die Zielsetzungen auf dem Gebiet der Vermögensbildung für die meisten sehr wirklichkeitsnahe und tra-ditionsbezogen: die eigene Wohnung oder das Eigenheim, wenn möglich mit einem Garten.

Auch Bildung ist Vermögen

Gleich einleitend darf gebeten werden, auch den Aufwand für die Bildung und Ausbildung der Kinder bewußt unter das Gebiet der Vermögensbildung einzureihen. Die Älteren Wissen, daß man sich in schwerer Zeit nur auf eines verlassen kann: auf den Kopf, damit auf das Wissen und die Initiative, und auf die Kraft, die in den Händen liegt. „Omnia secum portans” ist nicht die schlechteste vermögenspolitische Maxime! Um wieviel mehr gilt das alles in einer Zeit, da uns fast täglich eingeschärft wird, das einmal erworbene Wissen veralte viel rascher, müsse in regelmäßigen Abständen aufgefrischt und erneuert werden, ja, der Mensch müsse sich darauf einrichten, mehrmals in seiner Lebenszeit den Beruf zu wechseln.

Professor Klenner hat sich in seinem Beitrag insbesondere mit dem Invest-Lohn beschäftigt und hiebei einer zentralen Steuerung der aufzubringenden Mittel und ihrer Verwendung das Wort geredet. Ohne näher auf die Problematik des Invest-Loh-nes einzugehen, sei doch gesagt, daß er in der Praxis als ein zusätzliches Kostenelement wirksam werden würde und kaum jenen Effekt erzielen könnte, den man ihm beimißt. Vor allem aber sind gegen jede wie immer geartete zentrale Steuerung Bedenken anzumelden. Das soll überleiten zu einigen realistischen Überlegungen zum Problem der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand.

Gegen Kollektivinstitutionen

Hier drängt sich zunächst ein grundsätzlicher Einwand auf: So sehr die Bildung von Vermögen auf individueller Basis Bestandteil einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und als solcher förderungswürdig ist, so viel ist anderseits gegen eine Einschränkung von Förderungsmaßnahmen auf bestimmte soziale ' Gruppen, also in diesem Fall ausschließlich auf Arbeitnehmer, zu sagen. Nicht minder bedenklich wäre es, wollten neu zu schaffende und sich nicht an marktwirtschaftlichen Erwägungen orientierende Kollektivinstitutionen, wie etwa Fonds, die Eigentümerfunktionen ganz oder zu einem maßgeblichen Teil übernehmen.

Die Vereinigung Österreichischer Industrieller hatte sich schon 1958 — im Rahmen einer anläßlich des Katholikentages ausgearbeitet6n Stellungnahme zur Partnerschaft im Betrieb — für die Förderung des Erwerbs von persönlichem Eigentum durch möglichst viele Mitarbeiter ausgesprochen. Dies zeigt, daß man sich auch in aufgeschlossenen Unternehmerkreisen längst darüber Gedanken gemacht hat. Inzwischen hat sich in der österreichischen Wirtschaft vieles gewandelt. Auf Grund einer sehr erfreulichen Entwicklung ist es zu einer sehr beachtlichen Bildung von Vermögen in vielfältiger Form bei den Unselbständigen gekommen. Zugleich aber ist etwas eingetreten, das leider im Zusammenhang mit Vermögensbildungsplänen immer wieder übersehen wird: das ist die Gewöhnung an eine permanente Inflation — die Schuldfrage sei hier bewußt nicht berührt —, die ein beträchtliches Hindernis für Bestrebungen zur Ausweitung der Spartätigkeit ist. Vermögensbildung sollte daher vor allem als ein Postulat der Gesellschaftspolitiker aufgefaßt werden, endlich nicht nur Lippenbekenntnisse zu einer Politik der relativen Geldwertstabilität abzulegen.

Erziehung zum Sparen

Weiters kann Vermögensbildung nicht übers Knie gebrochen werden. Erziehung ist eine wichtige Voraussetzung, da die bestehenden Spar-und Konsumgewohnheiten einen langwierigen Erziehungsprozeß erfordern, der mit allen Mitteln der Sparpädagogik die Spar- und Eigentumswilligkeit hebt und weiterentwickelt, die ja die geistige Grundlage für Förderungsmaßnahmen jedweder Art ist. Man sollte sich im besten Interesse der Sache hüten, diese Entwicklungsphase zu überspringen.

Auch die Vermögenspolitik sollte sich in den Rahmen einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einfügen und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, auf die in den nächsten Jahren neue, gewaltige Aufgaben (siehe Verbesserung der Infrastruktur!) zukommen werden, nicht überfordern.

Das immaterielle Ziel

Soviel zur wirtschaftspolitischen Seite. In gesellschaftspolitischer Hinsicht wird darauf Bedacht zu nehmen sein, ob unselbständig Erwerbstätige bereit sind, Eigentümerfunktionen zu übernehmen und sich durch den bereits genannten Erziehungsprozeß zu neuen Formen hinführen zu lassen. Die Entfaltung und Sicherung der Freiheit und Eigenverantwortlichkeit des einzelnen ist ja das höhere, immaterielle Ziel. Ist der Wille zum Eigentum bei breiten Schichten nicht gegeben, dann bleiben Förderungsmaßnahmen entweder erfolglos, oder aber sie führen dazu, daß kollektive Institutionen auf den Plan treten, womit ein gegenteiliger i Effekt erzielt würde: Statt breiter Streuung wäre dann die Konzentration der wirtschaftlichen, letztlich auch der politischen Macht die Folge.

Vermögenskonzentration bei der öffentlichen Hand

In der vermögenspolitischen Diskussion in Österreich wird ein sehr wesentlicher Umstand übersehen: daß nämlich die öffentliche Hand und halböffentliche Institutionen schon jetzt in wesentlich höherem Maß Vermögen bei sich konzentrieren, als dies in anderen Staaten der Fall ist. Das bezieht sich auf die Eigentumsverhältnisse bei einem großen Teil der österreichischen Aktiengesellschaften, weiter auf öffentliche oder von öffentlichen Institutionen kontrollierte, nicht als AG geführte Unternehmungen und vor allem auf den riesenhaften öffentlichen Wohnbausektor. Dadurch verzerrt sich auch die Vermögensverteilung, und so werden immer wieder nicht fundierte Forderungen nach „Umverteilung der Vermögen” in der nichtöffentlichen Wirtschaft erhoben.

Nein zu allgemeinen Schenkungen

Wenn Förderungsmaßnahmen zur Diskussion gestellt werden, dann sollte dem einzelnen die Vermögensbildung nicht abgenommen werden, vielmehr sollte es das Ziel sein, ihm nach Maßgabe der persönlichen Leistungsfähigkeit Hilfestellung zu geben. Eine entsprechende Eigenleistung ist also Voraussetzung für ergänzende Förderungsmaßnahmen. Auch sollte der einzelne aus freien Stücken darüber entscheiden, ob er die Förderungsmaßnahmen in Anspruch nehmen will, er sollte weiters die Veranlagung in eigener Verantwortung durchführen und das Ver-fügungsrecht soweit wie möglich persönlich ausüben. Dabei versteht es sich von selbst, daß sich der einzelne der vielfältigen Beratungs- und Servicefunktionen, etwa der Geldinstitute, bedienen soll.

Fazit dieser Überlegungen: Nein zu allgemeinen Schenkungen ohne ausreichende Eigenleistung, ebenso wie zu obligatorischen Regelungen, die weder auf die Wünsche des einzelnen noch auf die Möglichkeiten der Unternehmen Bedacht nehmen.

Auto — Waschmaschine — Eigenheim

Der erste Schritt auf dem Gebiet von Vermögensbildung von Arbeitnehmern ist meist der Erwerb von Gebrauchsvermögen. In Österreich ist in den letzten Jahren in dieser Hinsicht eine sehr erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen, doch ist der Sättigungsgrad noch längst nicht erreicht. Es werden auch in Zukunft Arbeitnehmer im Rahmen der Vermögensbildung, praktisch gesprochen, zuerst ihr Augenmerk auf den Erwerb von Autos, Waschmaschinen, TV-Geräten usw. lenken.

Von nicht minderer Bedeutung wird ohne Zweifel auch künftig der Erwerb von Immobilien sein. Gerade dieses Gebiet eignet sich ganz hervorragend zur Entkollektivisierung des Menschen, zur Schaffung eines persönlichen Lebensraumes, auch im Sinne der Freizeitpädagogik.

Die Bildung von Sachvermögen in Form des Erwerbs von Beteiligungen am Produktivvermögen (im wesentlichen Aktien) war bisher von eher untergeordneter Bedeutung. Hier Abhilfe zu schaffen, dürfte eine längere Zeitspanne erfordern.

Bei der Geldvermögensbildung gilt das Hauptinteresse dem Konten- und Versicherungssparen. Der Erwerb von Wertpapieren steht erst im Anfangsstadium.

An das Fundament denken

An Förderungsmaßnahmen könnte man sich — unter der Voraussetzung einer intensiv angelegten Aufklärungsarbeit von Geldinstituten, Wirtschaftsverbänden, Massenmedien usw. — einen breiten Fächer vorstellen, der, ohne ins Detail zu gehen, dem Konten- und Prämiensparen, dem Versicherungssparen, dem Wertpapiersparen von der steuerlichen Seite her Impulse gibt. Auf längere Sicht könnte auch einiges zur Förderung des Erwerbs von Immobilien und von Beteiligungswerten an Unternehmungen getan werden. Auch wären neue Formen der Beteiligung an Unternehmen zu prüfen, die sich jedoch nicht für generelle Maßnahmen eignen, da die individuelle Lage jedes einzelnen Unternehmens zu berücksichtigen ist. Auch wird sich in diesem Zusammenhang ein genaues Studium in- und ausländischer Erfahrungen sehr empfehlen.

Es kann, zusammenfassend, nicht oft genug davor gewarnt werden, eine Vermögenspolitik um ihrer selbst willen zu betreiben, ohne dabei die Leistungskraft der Wirtschaft und künftige Anforderungen an diese verantwortungsbewußt und vorausschauend im Auge zu behalten. Das gilt auch für die Gefährdung der Geldwertstabilität, die nicht einfach als eine „internationale Erscheinung” leichtfertig abgetan werden kann. Auch der wohlmeinende Gesellschaftspolitiker sollte das Einmaleins der Volkswirtschaft nicht vergessen. Denn auch Vermögenspolitik bedarf eines festen Fundaments.

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