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Viel Geld für lila Entspannung

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München. Bayerns vielgeliebte Metropole, ist seit jenen in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen Spielen von 107,2 nicht nur um eine Attraktion, sondern aucti um etliche Probleme reicher geworden. Dem ausländischen I Touristen, der einen Kundgang durch das drei Quadratkilometer große Qlympiagelände als .unbedingtes Muß in seih Sight-Seeing-Prpgrämm. eingebaut hat, 'dürfte' allerdings weniger bekannt sein, was Münchens Städtvätern seit Beendigung dieses Mammutfestes die Sorgenfalten auf die Stirne treibt: wie, so, lautet die Kardinalfrage, werden diese riesigen Sportstätten auch in1 Zukunft genutzt? Wenn auch die Fußbalhveltmeisterschaft vorbei ist?

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München. Bayerns vielgeliebte Metropole, ist seit jenen in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen Spielen von 107,2 nicht nur um eine Attraktion, sondern aucti um etliche Probleme reicher geworden. Dem ausländischen I Touristen, der einen Kundgang durch das drei Quadratkilometer große Qlympiagelände als .unbedingtes Muß in seih Sight-Seeing-Prpgrämm. eingebaut hat, 'dürfte' allerdings weniger bekannt sein, was Münchens Städtvätern seit Beendigung dieses Mammutfestes die Sorgenfalten auf die Stirne treibt: wie, so, lautet die Kardinalfrage, werden diese riesigen Sportstätten auch in1 Zukunft genutzt? Wenn auch die Fußbalhveltmeisterschaft vorbei ist?

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Von „Geisterarenen“, - einem „Dorf ohne • Seelen“ und „verrotteten Olympiaanlagen“ wagen zwar in letzter Zeit die Münchner Tageszeitungen kaum noch zu berichten, nachdem empörte zuständige Stellen ebenso wie aufgebrachte Leserbriefe zu bedenken gaben, daß eine derartige „Verteufelung des Olympia-projektes“ der Sache nicht eben dienlich sei. Vielmehr versucht man neuerdings durch eine möglichst por

sitive Darstellung den erschreckten Münchner Bürger zu beruhigen. So schlimm, verkünden plötzlich -unisono die Gazetten, sei es ja nun wieder nicht. Im Gegenteil, so manches, was als grober Fehler beklagt worden war, habe sich bei näherer Betrachtung sogar als Vorteil erwiesen. Der Verlust der berühmten Transluzenz des 180-Millionen-DM-Zeltdaches, z. B. Weil, wie die Olympiapark-GmbH glaubhaft versichert, eine derart enorme Lichtdurchlässig-

keit eigentlich nur störend gewirkt hätte: bei Proben für Fernsehshows und Matineeveranstaltungen mit Lichteffekten. Hingegen nun, bei entsprechend gedämpftem Licht, die Halle wenigstens optimal genutzt werden könne. Auch das Olympische Dorf wirke keineswegs steril, es sei keine „seelenlose Betonstadt“, wie böse Zungen' behaupten, sondern vielmehr auf Kommunikation festgelegt, auf eine „Steigerung der

Qualitat des Lebens“, was durch die vielen Kinderspielplätze, die ruhige Lage, Sport- und Spaziergehmöglichkeiten hinlänglich bewiesen werde. Die Wohnungen seien auch keineswegs zu teuer, sondern mit 1836 DM per Quadratmeter dem normalen Preisniveau angeglichen. Und die üblen Verleumder und Nestbeschmutzer sollten doch lieber probeweise einmal selbst hier wohnen — am besten gleich mit Kaufabsichten, wobei ein sogenannter Mietkauf emp-

fohlen wird, was soviel heißt, wie, daß die geleistete Miete vom Kaufpreis abgerechnet werden ' kann — nur einer von den vielen Versuchen, die immer noch zu 40 Prozent leerstehenden Wohnungen an den Mann' zu bringen.

Trotz solcher und ähnlicher, meist von offizieller Seite inspirierter .Beschwichtigungsmanöver setzt sich das unterirdische Raunen und Grollen fort. Die mit Knopfdruckanlagen und vollautomatischen Tränken versehene Reiteranlage in Riem, ;-o heißt es, sei derart raffiniert und kompliziert gebaut worden, daß sie für den Alltagsbetrieb nahezu untauglich sei. Wogegen das 16-Mil-lionen-Rei.terstadion gleich in der Nähe wegen ungenügender Nutzung demnächst in eine Eislauf bahn und eine Speedwaybahn umgebaut werden müsse. Auch die 11.000 Menschen fassende Olympiamehrzweckhalle sei so teuer im Betrieb, daß schon aus diesem Grund die Nutzung begrenzt bleiben müsse. Allein die Beleuch-

tung verschlingt 500 DM pro Viertelstunde. Die Miete hingegen beläuft sich auf drei bis viertausend Mark pro Stunde.

Kein Wunder also, daß den Verwaltern des olympischen Erbes bang und bänger wird angesichts der Schwierigkeiten, Veranstaltungen zu organisieren, die attraktiv genug sind, um die Halle zu füllen — weil ja nur so das Unternehmen halbwegs rentabel bleiben kann. Bis jetzt waren dies lediglich einige Sportfeste,

ein paar Kongresse, Popkonzerte, eine internationale Eisshow und die

Eiskunstlauf-Weltmeisterschäften im März. ' Angesichts der großen Möglichkeiten dieser Halle1 und der Tatsache, daß für die Erhaltung der Olympiagebäude jährlich 7 bis 10 Millionen DM zu berappen sind, eine etwas karge Perspektive. Weshalb man sich jetzt auch bemühen will, den Hauptakzent auf Sportveranstaltungen zu legen. Beginnen doch in München bereits Witze zu kursieren, die dem Stadtrat nahelegen, am besten Stadien und Hallen ganz verfallen zu lassen, da man auf diese Art und Weise wenigstens die hohen Kosten für ihre Instandhaltung spare.

Immerhin jedoch wurde auch eine .Reihe von originellen und zukunftsträchtigen Einrichtungen geschaffen. Wie das Freizeit- und Kon-taktzentrum „Gesundheitspark“ unter- der Westtribüne des Olympiastadions. Von der Volkshochschule

initiiert und durchgeführt, ist es vor allem für den herz- und kreislaufbedrohten, kommunikationsarmen und vom Streß heimgesuchten Zeitgenossen gedacht. Hier sorgen Psychologen, Mediziner und Verhaltenstherapeuten dafür, daß sich der unter einseitiger Berufsbelastung leidende Großstadtmensch körperlich betätigen und seelisch entspannen kann: Auf der „MatratzenliegewU'-se“, in der „Phonobar“, in der Sauna und auf den lila Kissen des lila

bespannten - „Musik-Entspannungsraums“. Er kann sich im Joga und im Stegreiftheater üben, kommuni-kationsfördernden „Gesprächen zwischen den Generationen“ beiwohnen, eine Kneippkur machen oder ein „Circle-Fitneß- oder Konditionstraining“. Ein weiterer Schlager ist die Schwimmhalle, nicht nur das „teuerste“, sondern auch noch das „schönste Hallenbad Europas“. Es hat seit Übergabe für den öffentlichen Gebrauch im Juli vergangenen Jahres über 200.000 Besucher angezogen, und ist ein beliebtes Badeparadies vor allem für Münchens Nachwuchs geworden. Voll ausgenützt werden auch die Schießanlage bei Hochbrück, die vom Bayerischen Sportschützenverband ausgebucht wurde, und die Sporthalle an der Siegen-burgerstraße, die Amateur- und Profisportlern als Übungsplatz dient. Weiters ist die Ruder-Regatta-Anlage im Norden Münchens zu einem attraktiven Freizeitzentrum ausgestaltet worden: Hier können Ruderer und Badegäste, Spaziergänger, Ausflügler und Trimm-dich-Sportler auf ihre Rechnung kommen. Und im Gegensatz zum ehemaligen olympischen Männerdorf weiß man vom Frauendorf vor allem Gutes zu berichten: Es wurde zu einem Studen-

tenviertel umfunktioniert, in dem fast 2000 Studenten und Studentenehepaare relativ billige Wohnungen bezogen haben (Kleinwohnungen kosten hier zwischen 200 und 220 DM).

Eines läßt sich jedoch trotz so mancher positiver Ergebnisse und ernsthafter Bemühungen behaupten: Es wird noch Jahre dauern, bis München das richtige Verhältnis zu seiner olympischen Erbschaft gewonnen hat.

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