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Viel Geld, nix Kultura

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Wenn Kultur etwas mit Bildung zu tun, wenn gar höhere Bildung höheres kulturelles Niveau zur Folge hätte, dann wäre die Bundesrepublik Deutschland fürwahr auf dem Weg zum führenden Kulturstaat, heute in Europa, morgen in der ganzen Welt. Nach fünfzehn Jahren Bildungsexpansion, nach Reformphasen, nach

Restaurationsschüben, nach massenhafter Bildungswerbung und gezielter Bildungsförderung können sich die Zahlen der bundesdeutschen Bildungsstatistik durchaus sehen lassen.

Für Bildung, darunter auch für „Kultur", wobei man stets und verkürzt an Theater, Museen oder Dichterlesungen denkt, griff man in bundesdeutschen Landen tief in die Tasche. Zahler gibt es mehrere: die Gemeinden, die Länder, den Bund, Verbände, Vereinigungen aller Art, aber auch Wirtschaftsunternehmen. Alle zusammen haben für Bildüngs- und Kulturbelange 1980 insgesamt 128 Milliarden DM (etwa 896 Milliarden Schilling) aufgebracht.

Ein solchermaßen vollgepäppeltes Bildungssystem kann füglich eine große Anzahl von Bildüngs- und Kulturhungrigen nähren: In den 35.000 Schulen werden über 12 Millionen Schüler mit Bildungsgütern versorgt, an den fast 330 Hohen Schulen finden mehr als eine Million Studenten in der Regel gute bis sehr gute Studienbedingungen vor.

Absolute Zahlen können beeindrucken, aber nur der Vergleich gibt Einblick über die Entwicklung. Die Expansion der Mittleren und Höheren Schulen, heute Sekundarstufe I und II genannt, beeindruckt: 1960, da war der Vorkriegsstand schon längst wieder überschritten, konnten etwa 8 Prozent eines Altersjahrganges ein Studium beginnen, 1970 waren es bereits 16 Prozent, 1981 sind die 20 Prozent längst überschritten, für 1990 werden mehr als 30 Prozent Studienberechtigte pro Altersjahrgang erwartet.

Heute ist das Geld für Bildung und Kultur knapp. Das hat einmal wirtschaftliche Gründe — die Haushaltstorte wird nicht mehr größer — und zum anderen politische: man ist mancherorts gar nicht mehr sicher, ob man sich für Bildung und Kultur überhaupt so sehr verschulden solle. Das Massenbildungssystem „brächte" es eben nicht. Es hätten zwar immer mehr Staatsbürger Zugang zu wohlklingenden akademischen Graden, aber das Leistungsniveau stagniere, ja ginge zurück. Die deutschen Hochschullehrer — erst jüngst in großer Zahl zum Professorentitel gekommen (im Jargon: „Diskontprofessoren") - beklagen den massenhaften Verlust der „Studierfähigkeit" der neuen Studenten — und meinen damit meist Schwächen in Rechtschreibung und Mathematik.

Besonders laut klagen die Vertreter von Natur- und Ingenieurwissenschaften. Es gäbe zwar immer mehr Abiturienten, aber immer weniger, die sich für die schwierigen und disziplinfordernden technischen und naturwissenschaftlichen Studien entschieden. Baden-Württemberg, Heimstatt der emsigen und ungebrochen tüchtigen Schwaben, will hier eine Wende in der Bildungsund Kulturpolitik herbeiführen. Dort sollen die Anforderungen in den Hauptfächern wiederum angehoben werden. Das soll zu besseren Abiturnoten führen. Bessere Abiturnoten aber erhöhen — so die schwäbische Landesregierung — „die Wahrscheinlichkeit, daß ein naturwissenschaftliches Studium gewählt wird".

Erst kommt die Technik mit der Wirtschaft — und dann die Kultur mit der Bildung. Ein solcher Schwabenspruch paßt gut in die derzeitige Wirtschaftssituation. Er weist in eine neue bildungs-und kulturpolitische Richtung: Bildung hat wiederum von Kultur abgekoppelt zu werden. Das Argument lautet: Der Staat ist für die Wirtschaft da und der Bürger soll sich gefälligst selbst um seine Kultur kümmern. Ob er das dann noch will und kann?

Schüler und Studenten zeigen jedenfalls wenig Lust, gleichgültig, ob es sich um „bürgerliche Hochkultur" oder modische „Subkultur" handelt. Das haben zuletzt Untersuchungen des Deutschen Studentenwerkes belegt: 80 Prozent der Studenten gehen auch dort selten oder nie ins Theater, wo es regelmäßig und professionell angeboten wird. Uber 90 Prozent finden nie oder (höchst) selten den Weg in ein Konzert. Auch ins Kino geht nur etwa mehr als die Hälfte der Studenten öfter als nie oder selten. Das aufwendige bundesdeutsche Bildungssystem geht an der Kunst und an der freiwilligen kulturellen Betätigung vorbei.

Der Autor ist Hochschullehrer für Bildungs-Slanung und -Organisation an der Universj-it Paderborn.

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