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Viel Mühe um ein Geschenk

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Friede ist mehr als Nichtkrieg. Friede im Sinn des biblischen „Schalom" ist Einssein mit Gott, Versöhnung, Heil, daher letztlich Gnadengeschenk — aber eins, das nicht vom Himmel fällt, sondern erbetet, erarbeitet, erlitten werden will, kann, muß.

Das war der Ausgangspunkt, an den die über 400 Teilnehmer am Studientag zum Thema „Friede Christi - Friede der Welt" in Wien Strebersdorf letztes Wochenende anknüpfen konnten. Die solide Grundlagendefinition erwies sich als hilfreiche Voraussetzung für ein zweitägiges Intensivgespräch, das engagiert, konfliktreich, aber niemals lieblos geführt wurde.

„Das Heil durch Gott ist jetzt, ist heute schon am Werk und nicht erst ein Ziel der fernen Zukunft. Die himmlische Entscheidungsschlacht ist schon geschlagen", rief der Bonner Neutestamentler Helmut Merklein als einer der beiden Hauptreferenten in Erinnerung. Das macht die Hoffnung der Christen auch im Angesicht von tausend Mißerfolgen unbezwingbar.

Aber dieses Heil wächst, dem Senfkorn gleich, aus winzigen Anfängen. „Wir müssen davon ausgehen, daß das Böse im Menschen existiert und durch Strukturen allein nicht ausgeschaltet werden kann; daher werden wir immer mit dem Risiko leben müssen",, mahnte die niederländische Staatsministerin a. D. Marga Klompe zu Realismus und Geduld.

Die Lesung der Sonntagsmesse rief in Erinnerung, für welchen Zeitpunkt Propheten das Umschmieden der Schwerter in Pflugscharen und Winzermesser voraussagen: „am Ende der Tage" (Micha 4,1-4). Aber wie könnten wir am Ende der Tage so weit sein, wenn wir nicht hier und heute damit begännen — zeichenhaft im Handeln weniger, aus denen viele werden müssen, und im Fordern auch dessen, was erst morgen oder übermorgen erreichbar ist?

Hier setzte Kardinal Franz König klare Akzente: „Der Atomkrieg ist kein Krieg. Wenn es sich nur mehr um Zerstörung und Untergang handelt, kann weder von Angriffs- noch von Verteidigungskrieg die Rede sein ... Daß der Atomkrieg sich begrenzen ließe, ist theoretisch zwar möglich, praktisch aber unmöglich."

Deshalb müßten beide Seiten vor weiteren Schritten in Richtung des Verderbens gewarnt werden, denn „wenn man nur eine Seite unter Druck setzt, ist es unwahrscheinlich, daß beide Seiten zu Konzessionen bereit sein werden."

Da Österreichs Verteidigungskonzept rein defensiv sei, „können unsere Mitbürger in Uniform mit Recht betonen, daß auch sie einen Friedensdienst leisten", sagte der Erzbischof von Wien und würdigte damit auch den beispielhaften Beitrag mehrerer Bundesheerof f iziere zu dieser Tagung.

Schon 1980 hatten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft katholischer Soldaten mit Vertretern der Katholischen Aktion (Jugend also eingeschlossen) in den „Hüttel-dorfer Thesen" eine bemerkenswert weitgehende gemeinsame Sprache gefunden („gewaltfreie Konfliktaustragung so weit irgendwie möglich, militärische Maßnahmen nur im äußersten Notfall").

Diesmal gingen Bundesheer-vertreter mit der Proklamation nur gewaltfreier Verteidigungsformen als „Endziel" umfassender Sicherheitspolitik einen Schritt weiter, was ihren Anspruch auf Bejahung des Bundesheeres und seiner Jetztzeitstrategien nicht schwächte, sondern stärkte.

Gerade deshalb wurde auch ein Bundesheervertreter mit der Formulierung seiner (und nicht nur feiner) Sorgen um die Zukunft der Friedensbewegung glaubwürdig: Wird sie im Vordergründigen, in Simplifizierungen stek-kenbleiben, der Hoffnung auf rasche Radikallösungen, der „Versuchung der Ungeduld" widerstehen?

Eine „Nagelprobe" der Friedensbewegungen wird nach Ansicht vieler ihrer Vertreter der NATO-Doppelbeschluß von 1979 sein, Ende 1983 mit der Aufstellung neuer Kernwaffensysteme in Westeuropa zu beginnen. Dagegen wurde u. a. eine Unterschriftensammlung angeregt. (Vgl. dazu den Leitartikel auf dieser Seite.)

Aber die große Weltpolitik ist beileibe nicht das einzige Exerzierfeld christlicher Friedensethik. Auch darin waren sich alle einig. Kardinal König appellierte z. B. auch an die politischen Parteien, ihre Konflikte so auszutragen, daß sie nicht Vertrauen zerstören und Haß nähren. (Erhard Busek war der einzige prominente Politiker, der zur Tagung kam. Herbert Salcher hatte sich angemeldet, dann aber abgesagt.)

Andere Formen der Betätigung christlicher Friedensgesinnung, wie sie empfohlen wurden: Bibelstudium, Friedenserziehung in Familie, Schule, Kirche, Beruf, Abbau von Feindbildern (einschließlich des Feindbilds „Amtskirche"), offene Diskussion vor Konfliktentscheidungen auch in der Kirche selbst, Solidarität mit verfolgten Christen, Eintreten für mehr Entwicklungspolitik und neue Weltwirtschaftsordnung, aber auch für Gewaltfreiheit gegenüber Ungeborenen....

Weihbischof Helmut Krätzl, Generalvikar von Wien und durchgehend Tagungsteilnehmer, sagte wie der Kardinal, was alle dachten: Univ.-Prof. Heinrich Schneider, „Herz, Hirn und Seele der Tagung", hat eine unerwartet reiche Ernte möglich gemacht.

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