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Viele Denkanstöße“

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Das in dem Leitartikel der FURCHE vom 4. Februar 1976 erwähnte französische Modell enthält eine Reihe von Bestimmungen, die den österreichischen Gesetzgeber zum Nachdenken veranlassen sollten.

Eine Besprechung dieses Modells setzt aber, um verständlich zu sein, eine kurze Skizzierung des eigenen Standpunktes voraus:

• Grundsätzliche Strafbarkeit des Abbruchs der Schwangerschaft.

• Gesetzliche Festlegung des Notstandsfalls, das heißt einer Situation, bei der zwischen dem Grundsatz des Schutzes des menschlichen Lebens und der persönlichen Lage der betroffenen Frau ein unlösbarer Konflikt besteht.

Daher wurde Straffreiheit für die Fälle vorgeschlagen, in denen der Abbruch der Schwangerschaft zur Hintanhaltung einer nicht anders

abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder wenn sonstige besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen. • Unser Antrag sah weiter vor, daß zwei schriftliche Gutachten von Ärzten vorliegen müssen, davon eines von einem Facharzt auf dem Gebiet, auf dem das Schwergewicht der Beschwerden liegt. Daß der Abbruch in einer öffentlichen Krankenanstalt oder außerhalb einer solchen von einem Facharzt für Gynäkologie durchgeführt wird, sollte Voraussetzung für die Straffreiheit sein. Ein Verfahren vor einer Kommission wurde als zeitraubend und der Schwangeren nicht zumutbar abgelehnt.

Soweit die damals vorgeschlagene Lösung, i

Ich darf nun von diesem meiner

Einstellung zu einein dem Problem entsprechenden Vorschlag ausgehend, meinen Standpunkt zum „Französischen Modell“ darlegen:

Zunächst halte ich es für einen gesetzgeberischen Fehlgriff, wenn man im Artikel 1 eines Gesetzes das Recht auf Leben garantiert und im Artikel 2 den Schutz des soeben garantierten Lebens für bestimmte Ausnahmefälle auf fünf Jahre si-stiert. Man kann über diese Probleme sicherlich sehr verschiedener Meinung sein, wenn man sich aber zum Grundsatz des Schutzes des Lebens bekennt, dann ist es damit nicht gut vereinbar, diesen Schutz für eine bestimmte Zeit außer Kraft zu setzen. Damit drückt sich der Gesetzgeber von der Verantwortung, genau festzulegen, welche Ausnahmen es von einem allgemein festgelegten Grundsatz gibt. Während mir also diese Regelung äußerst bedenklich erscheint, glaube ich, daß in dem französischen Gesetz bezüglich der Durchführung eine Reihe von sehr positiven Vorschriften enthalten ist: So gibt es die Belehrungspflicht des Arztes nicht nur nach der medizinischen Seite, sondern auch durch Ausstellung eines „Hinweisaktes“, in dem auf die verschiedenen Rechte, Hilfen und Vorteile für die Familie hingewiesen wird und die Liste und Adressen der Informations- und Beratungsstellen bekanntgegeben wird.

Auch daß es Pflicht ist, sich

vorher sozial beraten zu lassen, ist positiv zu bewerten.

Der französische Gesetzgeber hat auch gegenüber dem österreichischen voraus, daß er sich über die zivilrechtlichen Fragen, wenn auch lückenhaft, Gedanken gemacht hat. Ich würde mich zwar der gefundenen Lösung, daß der gesetzliche Vertreter bei Minderjährigen seine Zustimmung erteilen muß, in dieser Form nicht anschließen, es ist aber immerhin eine Regelung, während in Österreich die Frage ja völlig offen geblieben ist, wie bei Minderjährigen vorzugehen ist. Offen scheint auch in Frankreich zu sein, was eigentlich zu geschehen hat, wenn Ehemann und Ehefrau über die Vorgangsweise verschiedener Meinung sind. Es darf ja nicht übersehen werden, daß die zu treffende Entscheidung auch für den anderen Ehepartner von wesentlicher Bedeutung ist.

Von medizinischer Seite wäre klarzustellen, ob es, wie nunmehr in Frankreich vorgeschrieben, erforderlich ist, einen freiwilligen Abbruch in den ersten: zehn Wochen der Schwangerschaft auf jeden Fall in einem Krankenhaus durchzuführen, oder ob es nicht genügt, die Durchführung durch den zuständigen Facharzt vorzuschreiben.

Für einen der wesentlichsten Punkte der französischen Regelung halte ich jene Bestimmung, die die Anstiftung auch bei einer erlaubten

Unterbrechung unter Strafe stellt. Sie trifft die Lösung für eine Problematik, die es immer gegeben hat, die aber zweifellos durch die österreichische Gesetzgebung empfindlich verschärft wurde, nämlich den Fall der Frau, die zwar den Abbruch selbst gar nicht will, aber von Angehörigen, in erster Linie dem Vater des Kindes, aber unter Umständen auch Eltern dazu gebracht wird, den Abbruch durchzuführen.

Wenn mir auch klar ist, daß gerade hier der Anstiftungsbegriff sehr schwer abgegrenzt werden kann, so würde ich doch glauben, daß eine derartige gut formulierte Bestimmung ein Minimum dessen wäre, was man vom österreichischen Gesetzgeber erwarten könnte.

Zusammenfassend kann man daher sagen, daß das französische Gesetz auch für den, der es nicht voll akzeptiert, eine Reihe von Denkanstößen für den österreichischen Gesetzgeber enthält, der eine Neuregelung durchgeführt hat, ohne sich über die sogenannten flankierenden Maßnahmen hinreichend den Kopf zu zerbrechen.

Es ist zu hoffen, daß das Volksbegehren, das nunmehr im Nationalrat behandelt werden soll, zumindest den Erfolg hat, daß einige von den dringlichen Begleitmaßnahmen, die im Grunde genommen vor dem Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches hätten beschlossen werden müssen, verwirklicht werden.

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