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Viele Menschen sollen Eigentümer werden

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In Nummer 47 brachten wir aus der Feder des bekannten Wirtschaftstheoretikers und Finanzministers a. D. Wolfgang Schmitz einen Beitrag, der über den Stand der aktuellen Diskussion über die Soziale Marktwirtschaft einen umfassenden Überblick bot. Vor der Vereinigung österreichischer Industrieller hielt ÖAAB-Obmann Alois Mock kürzlich ein Referat zum selben Thema und mit dem gleichen grundsätzlichen Ja - jedoch ein paar zusätzlichen Anmerkungen, die zur Ergänzung der Diskussion im folgenden auszugsweise wiedergegeben seien.

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In Nummer 47 brachten wir aus der Feder des bekannten Wirtschaftstheoretikers und Finanzministers a. D. Wolfgang Schmitz einen Beitrag, der über den Stand der aktuellen Diskussion über die Soziale Marktwirtschaft einen umfassenden Überblick bot. Vor der Vereinigung österreichischer Industrieller hielt ÖAAB-Obmann Alois Mock kürzlich ein Referat zum selben Thema und mit dem gleichen grundsätzlichen Ja - jedoch ein paar zusätzlichen Anmerkungen, die zur Ergänzung der Diskussion im folgenden auszugsweise wiedergegeben seien.

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Der Sozialen Marktwirtschaft ist es in ihrer sozialen Ausrichtung gut gelungen, nach der auf dem Markt stattfindenden ersten Einkommensverteilung durch die zweite Einkommensverteilung (z. B. durch Sozial-. Versicherungsinstitutionen, Familienlastenausgleich usw.) das Verteilungsproblem entscheidend einer Lösung näherzubringen. Leider trifft dies für die Vermögensverteilung nicht zu. Wir müssen eine Konzentration von Produktiwermögen feststellen, die - soweit Aussagen über die vorhegenden Statistiken möglich sind - noch zunimmt.

Für Österreich liegen im Gegensatz zu Deutschland keine Spezialuntersuchungen vor, doch läßt die Vermögenssteuerstatistik, nach der 1,6 Pro. zent der Steuerpflichtigen nicht weniger als 54,4 Prozent des Gesamtvermögens besitzen, auf eine ähnliche Konzentration wie in der Bundesrepublik schließen. Auch die für Österreich veröffentlichten Zahlen sind nur äußerst begrenzt aussage-ikräftig, da sie durch den hohen Anteil der direkt und indirekt verstaatlichten Industrie verzerrt werden.

Gerade wegen der hohen Unverläß-lichkeit und des dadurch möglichen Mißbrauches wären im Bereich der Vermögensstatistik verläßliche Ziffern ein notwendiges Bedürfnis zur Versachlichung der einschlägigen Diskussion.

Anderseits verfälscht auch die Bewertung des Vermögens nach iem Bewertungs-*esetz (Einheits-iverte) die Statistik, ia die tatsächlichen Werte (Ver-tehrswerte) weit darüber liegen. Es st ja bekannt, daß die Vermögensbil-iung bzw. die Eigentumsbildung ;in Anliegen ist, las im Wiener Programm des ÖAAB ms dem Jahre 1946 ;benso enthalten st wie in allen Programmen der ÖVP.

Der Erwerb von Eigentum an Produktionsmitteln,

insbesondere durch Arbeitnehmer, ist für die 3VP wie für den DAAB einer der

Bausteine unserer Gesellschaftsordnung; eine Realisierung hat der Gedanke der breiten Eigentumsstreuung nur durch das Wohnungseigentum erfahren. Hier ist eine „dritte Ebene“ der Einkommensverteilung noch entwicklungsfähig und entwicklungsbedürftig.

Natürlich treten in einem Zeitpunkt, da die Frage der Sicherung des Arbeitsplatzes im Vordergrund steht (d. h. da primäre Existenzbedürfnisse gefährdet erscheinen), Anliegen wie Mitbestimmung und Eigentumsbildung (die sekundären

„Was wir brauchen, sind nicht neue Modelle, sondern endlich praktische Beispiele“

Existenzbedürfnisse: Anerkennung als verantwortliche Person und als Partner) in den Hintergrund. Das ist aber nur ein auch zeitlich kurzsichtiges Argument gegen die Befassung mit diesen Anliegen.

Was wir für die nächste Zukunft brauchen, sind nicht neue Modelle und neue Vorschläge, sondern endlich praktische Beispiele, an denen wir die Durchführbarkeit der Beteili-

gung von Arbeitnehmern an der Substanz und am Ergebnis von Unternehmen beweisen können. Wir alle kennen die steuerlichen Probleme (Einkommenssteuerrecht, Gewerbesteuer), die einer direkten Beteiligung jetzt noch im Wege stehen. Der ÖAAB der Volkspartei hat aber ein Modell erarbeitet, in dem diese Pro-

bleme weitgehend vermieden werden. Wir haben an eine Reihe von Unternehmensverantwortlichen die Einladung ausgesprochen, einen solchen praktischen Versuch einmal zu wagen.

Grundsätzlich bezieht sich diese eigentumspolitische Vorstellung auf den gesamten Wirtschaftssektor, un-

abhängig ob in privater oder öffentlicher Hand. Denn einer Wirtschaftsordnung, die dem Privateigentum einen so hohen Rang einräumt, kann die Frage der Vermögenskonzentration nicht gleichgültig sein. Es muß ein zentrales Anliegen sein, viele Menschen zu Eigentümern zu machen.

Nur dann wird diese Idee längerfristig überleben, wenn viele überzeugt sind, daß das Eigentum vieler auch an Produktionsmitteln besser ist als die Konzentration des Vermögens beim Staat, bei den Banken, bei den Gewerkschaften oder bei irgendwelchen Fonds.

Schließlich möchte ich mich - auch aus gegebenem Anlaß - mit dem Vorwurf auseinandersetzen, daß marktwirtschaftliche Systeme zu In-.. Stabilitäten und damit zu Krisen und Arbeitslosigkeit führen. Als Ursache wird dafür die private Entscheidungsmacht über Investitionen, Kapital und damit über die Beschäftigten angesehen. Die marktwirtschaftliche Instabilität kommt - so die Kritiker - von der privaten Investitionstätigkeit, die wiederum von der Einschätzung ihrer Gewinne, also von unsicheren Zukunftserwartungen, abhängig ist...

Nun, was ist gegen diese sehr

grundsätzliche, aber auch sehr bekannte Kritik einzuwenden? Wirtschaft ist immer mit Unsicherheit behaftet und bedeutet die Übernahme von Risiko. Dies gilt - auch wenn es anders dargestellt wird - für alle Arten von Zentralverwaltungs-wirtschaften ebenso wie für marktwirtschaftliche Systeme. Auch zen-

trale Investitionsentscheidungen sind mit Unsicherheit behaftet und tragen überdies das Risiko, daß der Einzelirrtum zum Kollektivirrtum vervielfacht wird.

Trotzdem müssen wir versuchen, für den einzelnen in der Wirtschaft Tätigen in Abwägung seiner Möglichkeiten Risiko zu tragen und Chancen wahrzunehmen, ein Mindestmaß an Sicherheit, bei Wahrung seiner beruflichen und unternehmerischen Freiheit zu gewähren.

Wir brauchen daher ein Anreizsystem, wo jeder Unternehmer weiß, wann er in den Genuß einer Förderung kommt und kein Bescheidsystem, bei dem vorher allen Geld weggenommen wird und dieses Geld nach Abzug der Umverteilungsspanne der Bürokratie über Kommissionen erst wieder an nur ganz Bestimmte verteilt wird. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, daß Arbeitnehmer und Unternehmer noch immer besser wissen, wo die Chancen ihres Betriebes liegen. Sie werden daher die entsprechenden Investitionsentscheidungen kompetenter treffen als praxisferne Komitees.

Einen Anreiz, Investitionsentscheidungen nicht nur auf Grund augenblicklicher Gewinnsituationen zu treffen, könnte ich mir in der Form vorstellen, daß dem Unternehmer durch den Ausbau des Instruments der Investitionsrücklage die Möglichkeit geboten wird, Gewinne nicht

„... bin ich der Auffassung, daß Arbeitnehmer und Unternehmer noch immer besser wissen, wo die Chancen ihres Betriebes liegen“

sofort wieder zu investieren, sondern sie in Form der Dotierung einer Rücklage (z. B. einer neu zu schaffenden Strukturrücklage) für spätere Jahre aufzuheben. Man könnte dadurch eine Verstetigung der unternehmerischen Investitionen und des gesamten Wirtschaftsablaufes erreichen.

Denn die Beispiele im Ausland, z. B. in der Schweiz, die auf Grund solcher Rücklagen gemacht wurden, sind durchaus ermutigend. Ich bin mir bewußt, daß der Ausbau des Instruments der Investitionsrücklage nur Gewinn erzielenden Unternehmern zugute kommt. Es wäre daher auch ein System von Investitionsprämien, auf die das Unternehmen einen gesetzlichen Anspruch hat, zu überlegen. Solche Prämien hätten ja den Vorteil, daß sie auch Unternehmen zugute kommen, die nicht in der Gewinnzone sind. -

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