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Viele Mißverständnisse um den „gerechten Krieg”
Stefan Matzenberger lehnt in seinem Artikel „Ein Verbrechen gegen den Menschen” (FURCHE 16/1985) verständlicherweise jeden Krieg ab und kritisiert das, was ich im „Lexikon der christlichen Moral” über den „gerechten Krieg” sage. Er scheint sich dabei an die 1. Auflage des Lexikons von 1969 zu halten, nicht an die 2. von 1976, in der ich auf seine Anliegen ausführlicher eingehen konnte.
So rennt er, was mich betrifft, zum Teil offene Türen ein, zum Teil versteht er meine Aussageabsicht nicht richtig.
Daß jeder Krieg zahlreiche Menschen ins Unglück stürzt und daß jeder Krieg vielerlei Böses zeugt, ist nicht zu bestreiten. Die Frage nach dem „gerechten Krieg”, wie sie seit vor- und frühchristlicher Zeit von bedeutenden Denkern (Philosophen, Theologen, Völkerrechtslehrern u. a.) ausgebildet wurde, ist daher nicht die Frage danach, ob es je einen Krieg geben kann, in dem ein Unrecht vorkommt (da es ihn nicht gibt, sollte man den mißverständlichen Ausdruck „gerechter Krieg” heute meiden), sondern die Frage danach, ob es möglich ist, daß ein Mensch, der einen Krieg unternimmt oder an einem Krieg teilnimmt, sich gerecht verhalten und gerecht bleiben kann.
Die genannten Denker haben ^sich darum bemüht, dafür Kriterien anzugeben. Die Absicht zumindest der allermeisten christlichen Denker war es, dadurch gewissenhaft gesinnte Menschen an einflußreichen Stellen vom Unternehmen eines Krieges abzuhalten oder, wenn leider ein Krieg ausgebrochen war, zu einer gewissen Entschärfung aufzufordern.
Dem Abhalten dienten die Fragen, ob in Anbetracht der drohenden Übel ein rechtfertigender Grund für ein kriegerisches Unternehmen im konkreten Fall gegeben sei, ob man zu einer so folgenschweren Entscheidung befugt sei und ob man damit wirklich nur einem sonst nicht abzuwehrenden schwersten Unrecht entgegenwirken wolle.
Der relativen Entschärfung dient die Forderung einer Kriegsführung, die sich an internationale Vereinbarungen hält und im besonderen den Einsatz der verderblichen (atomaren, biologischen, chemischen) Waffen vermeidet. Daß trotzdem jeder Krieg etwas Schreckliches ist, davon bin auch ich überzeugt.
Matzenberger erweckt den Eindruck, als ob ich Äußerungen der Päpste Johannes XXIII. und Paul VI. einseitig zitierte. Ich denke, daß ich sie genau so zitiere, wie sie es beim jeweiligen Anlaß gemeint haben.
Umgekehrt könnte ich fragen, ob Matzenberger nicht im Text des 2. Vatikanischen Konziles zu diesem Problem etwas übergeht.
Gewiß, das Konzil hat vor dem Krieg besonders mit „wissenschaftlichen Waffen” gewarnt (Pastoralkonstitutionen über die Kirche in der Welt von heute, 80) und zur Vorbereitung jener Zeit gedrängt, „in der auf der Basis einer Ubereinkunft zwischen allen Nationen jeglicher Krieg absolut geächtet werden kann” (ebd. 82).
Das Konzil hat auch denen Anerkennung ausgesprochen, die bei der Wahrung ihrer Rechte auf Gewaltanwendung verzichten, allerdings mit dem Beisatz „vorausgesetzt, daß dies ohne Verletzung der Rechte und Pflichten anderer oder der Gemeinschaft möglich ist” (ebd. 78).
Zu seinem Leidwesen konnte sich des 2. Vatikanum der Erkenntnis nicht verschließen, daß nach wie vor Machthaber mit kriegerischen Mitteln anderen ungerechte Gewalt antun, und hat sich daher zum Zugeständnis genötigt gesehen: „Solange die Gefahr von Kriegen besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen” (ebd. 79).
Der Autor ist Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Moraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
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