7065367-1992_02_05.jpg
Digital In Arbeit

Viele Worte, wenig Hilfe

Werbung
Werbung
Werbung

Die Einführung eines Pflegegeldes zur Unterstützung Pflegebedürftiger steht schon lange auf der Traktandenliste von Sozialminister Josef Hesoun. „Anfang 1992 sollte das Bundespfle-gegesetz gültig werden", und damit das Pflegegeld bereits ausgezahlt werden, beklagt der Grüne-Abgeordnete und Behindertensprecher Manfred Srb. Bei den Budgetverhandlungen im Vorjahr habe Hesoun plötzlich nachgegeben, das Gesetz wird frühestens 1993 wirksam.

Die Frage der Finanzierung bleibt aber auch damit völlig ungeklärt. Nach den Vorstellungen des Sozialministers sollte ein „Solidaritätsbeitrag" von allen Österreichern dieses Problem lösen.

Leere Worte, kritisiert Srb. Er stellt sich für die Finanzierung eine Misch-lösüng vor, bei der ein Drittel durch den „Solidaritätsbeitrag", eines durch das Budget und das verbleibende Drittel durch die Krankenversicherung aufgebracht werden soll. Für die nötigen Infrastrukturverbesserungen, vor allem für die Einschulung von zusätzlichem Personal, beide Punkte sind im Pflegegesetz enthalten, sind geschätzte acht Milliarden Schilling notwendig.

Das notwendige Personal will Hesoun schon jetzt einschulen: 2.500 Pflegekräfte sollen ausgebildet werden. Pro Bezirk in Österreich sollen so bis zu 30 Arbeitskräfte ein noch zu erstellendes Programm absolvieren, das ein bis eineinhalb Jahre dauert.

„Derzeit gibt es im Pflegebereich drei Mankos: es fehlt Personal, es fehlt gut ausgebildetes Personal und es fehlen Richtlinien bei der Ausbildung", meint Bertram Pobatschnig. Er ist der Leiter eines Projekts der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, bei dem auf Grund einer Befragung aller Initiativen und auch

staatlichen Einrichtungen im Pflege.-bereich ein neues Pflegemodell entwickelt wurde. Für Pobatschnig und Srb stellt sich ebenso die Frage, wo die 2.500 neuen Kräfte nun tatsächlich eingesetzt werden.

Um sie als Sozialarbeiter oder Hauskrankenpfleger einzusetzen, ist die Ausbildungsdauer zu kurz, als Heimhelfer wären sie überqualifiziert. Bei Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist in vielen Fällen eine „Hilfe bei den Dingen des Alltags, wie Anziehen, Körperpflege und so weiter" völlig ausreichend, begründet Srb, warum er das Wort „Pflege" oft als unpassend und diskriminie-

rend empfindet. Auch für diese Tätigkeit würde eine ganz kurze Einschulung ausreichen.

Harald Stockbauer, Pressereferent Hesouns versteht diese Vorwürfe nicht: „Die neuen Kräfte werden in Pflegeheimen, in Vereinen, die sich mit der Pflege Hilfsbedürftiger beschäftigen" oder in sozialen Stützpunkten zum Einsatz kommen.

Pobatschnig kritisiert, daß sich dadurch nichts an den bestehenden Ausbildungsmängeln ändern wird.

Auch das Bezahlungsschema im Pflegebereich müsse zunächst reformiert „und die Hauskrankenpflege flächendeckend ausgebaut werden." Weiters müßten zusätzliche Tageszentren errichtet werden und mehr ambulante Angebote, um die Pflege von Betroffenen in ihren eigenen vier Wänden zu ermöglichen und zu erleichtem.

Fallen dann Zuschüsse weg?

Einige dieser Forderungen, vor allem auch die nach der Sicherung eines „Mindeststandards an ambulanten, teilstationären und stationären Diensten für pflege- und betreuungsbedürftige Personen", sind im Entwurf einer Vereinbarung über „gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder" in diesem Bereich enthalten. Diese Vereinbarung soll gemeinsam mit der Einführung des Pflegegesetzes von allen Bundesländern unterschrieben werden. Nach diesen Vereinbarungen soll es in Zukunft auch keine riesigen Alten- oder Pflegeheime mehr geben, sondern kleine Einheiten, etwa in der Form von Wohngemeinschaften mit maximal 30 Personen.

Srb und Pobatschnig bezweifeln, ob das geplante Pflegegeld da ausreichen wird. Srb befüchtet, daß durch den gleichzeitigen Wegfall von Zuschüssen für Hilflose und anderen bisherigen Zuwendungen in vielen Fällen keine Erhöhung und manchmal sogar eine Verschlechterung der Situation möglich sei. Er meint auch, daß der geplanten Einteilung in verschiedene Pflegestufen, anhand derer die Höhe des Pflegegelds festgelegt wird, falsche und ungerechte Beurteilungskriterien zugrunde liegen. „Die Betroffenen sollen selbst entscheiden können, wie, von wem und wann sie Hilfeleistungen bekommen." Für manche ältere Menschen sei das zwar unrealistisch, das Gros der Betroffenen „kann sich aber durchaus selber artikulieren."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung