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Vielfalt statt Einbahnstraßen

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Seine kritischen Bemerkungen über die Konsequenzen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen auf das Kulturschaffen in Slowenien ließen aufhorchen. Ciril Zlobec, 1925 im julischen Karst geboren, Schriftsteller, Übersetzer, Mitglied des Slowenischen Staatsprä-sidums und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften, warnte bereits 1985 als Präsident des jugoslawischen Schriftstellerverbandes vor den Folgen der nationalen Zwistigkeiten.

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Seine kritischen Bemerkungen über die Konsequenzen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen auf das Kulturschaffen in Slowenien ließen aufhorchen. Ciril Zlobec, 1925 im julischen Karst geboren, Schriftsteller, Übersetzer, Mitglied des Slowenischen Staatsprä-sidums und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften, warnte bereits 1985 als Präsident des jugoslawischen Schriftstellerverbandes vor den Folgen der nationalen Zwistigkeiten.

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FURCHE: Sie bedauerten einerseits die Kürzungen bei der staatlichen Kunstförderung und andererseits einen allgemeinen Bedeutungsverlust der Kultur in der Gesellschaft, die immer stärker von Wirtschaft und Politik bestimmt werde. Was bedeutet das für Slowenien konkret?

CIRIL ZLOBEC: Da das wirtschaftliche Denken dominiert, treten häufig jene Produktionen in den Vordergrund, die künstlerisch nicht immer die besten sind. Viele Künstler, die keine Chance bekommen, ziehen sich deshalb in die Privatsphäre zurück und so bleibt ihr Schaffen wirkungslos. Es gibt aber auch das Gegenteil, indem sich Künstler dem Publikum prostituieren. Am Buchsektor zeigt sich, daß Kunstwerke zu Konsumgütern wurden, weil die Gesellschaft nicht nacfi wahren Kulturgütern verlangt: Für einen Bestseller ist ein besonderer Schriftsteller zuwenig; er braucht auch einen großen Verlag.

Und so sind viele Literaten eines kleinen, wirtschaftlich schwächeren Landes mit ebensolchen Verlagen doppelt benachteiligt.

FURCHE: Sloweniens Theatermacher genießen einen1 guten Ruf. Gibt es auch hier Veränderungen?

ZLOBEC: Heute werden in Slowenien viel weniger Theatertexte geschrieben als früher. Daß das Wort an Bedeutung verliert, zeigt sich auch an den Inszenierungen des „Faust" und der „Göttlichen Komödie" durch Tomas Pandur für das Marburger Theater oder „Sie kommen" von Damir Zlatar-Frey für das Slowenische Jugendtheater in Laibach. Diese Produktionen sind durchaus originell und gültig, widerspiegeln aber deutlich die Tatsache, daß das Bild als Medium immer größere Bedeutung erlangt.

FURCHE: Kommt Ihre Kritik an den Folgeerscheinungen der Integration in das westliche System nicht nahe an das heran, womit Peter Handke und andere westliche Intellektuelle die Auflösung Jugoslawiens ablehnten?

ZLOBEC: Die Argumente von HändkeoderGyörgy Konrad sind teilweise berechtigt gewesen, denn nach der Unabhängigkeit haben sich viele Hoffnungen als Illusionen erwiesen. Das betrifft auch die Beziehungen zu den reichen Industriestaaten: Wir bekommen zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sloweniens Wirtschaft weist viele positive Daten auf, doch zuwenig, um von einem ebenbürtigen Austausch mit dem Westen sprechen zu können. Gleichrangig wissen wir uns nur im kulturellen Bereich; aber nachdem Kultur wenig zählt, gleichen heute alle Formen unserer Integration einer Einbahnstraße, deren Regeln wir akzeptieren müssen. Damit ist die Gefahr einer Kolonisierung verbunden.

Trotzdem war die staatliche Unabhängigkeit ein notwendiger Schritt. Dem serbischen Vormachtstreben entkommen, kann die staatliche Einheit zur Stärkung der slowenischen Identität beitragen. Das ist im Hinblick auf eine mögliche europäische Einigung unverzichtbar. Ein europäischer Bundesstaat wird nur dann funktionieren, wenn jedes Volk seine kulturellen Besonderheiten leben kann.

Das Gespräch mit Ciril Zlobec führte Günther Guggenberger.

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