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Visionen der Goldenen Zeit

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Wie weise und tatkräftige Arbeit, diplomatische und wissenschaftliche Leistung eines Museumsdirektors selbst nach dessen Pensionierung noch die schönsten Früchte tragen kann, das beweist die von Friderike Klauner (bis Ende 1981 Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien) in Zusammenarbeit mit ' den Direktoren des Museo de Pra-do in Madrid, der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, der Alten Pinakothek in München und dem Museum für bildende Kunst in Budapest erarbeitete triumphale Ausstellung Spanische Malerei aus vier Jahrhunderten.

Im eigens dafür adaptierten Künstlerhaus in Wien kann man bis 11. Juli mehr als hundert Spitzenwerke des Siglo d'oro, des Goldenen Zeitalters der spanischen Malerei, bei idealer natürlicher Atriumsbeleuchtung bewundern. Neben dem großen Ausstellungskatalog wird ein äußerst informativer kleiner Saalführer angeboten, der die teils chronologische, teils nach Künstler- teils nach Genre-Gruppen orientierte Hängung und die historischen Zusammenhänge erklärt.

Wieweit Gegenreformation und Inquisition der in Spanien so mächtigen Kirche Expression und Ekstase ihrer Kunst bedingt haben, oder wieweit ihre ethnischen Wurzeln für diese verantwortlich sind, läßt sich kaum sagen.

Die spanische Malerei hat etwas Unverwechselbares, Eigenständiges, das für den Mitteleuropäer kaum begreiflicherscheint.

Es erstaunt nicht sehr, daß in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gerade Caravaggios theatralische Hell-Dunkel-Malerei, die jedem Büd etwas Geheimnisvolles und Furchterregendes verleiht, dem Wesen und dem Geschmack der spanischen Künstler und ihrer höfischen Auftraggeber entsprechen mußte.

Was der Italiener auch in profanen Szenen zu mitunter höchst sinnlichen Effekten, wie in seinem „Bacchus”, einsetzte, benützt der Spanier zur ekstatischen Vergeistigung sakraler Motive, wie zur exaltierten Lust, Abseitigkeiten und Mißbildungen der Natur ans Licht zu bringen, wobei die

Realität meist noch übertroffen zu sein scheint.

Angesichts der auffallend großen Anzahl dargestellter Zwerge, Verwachsener und geistig Um-nachteter, Totenköpfe und anderer Vanitas-Symbole fragt sich der Betrachter, ob die spanische Malerei wohl von Natur aus zum Abstrusen und Obskuren neige, und wie diese Tendenz gesell-schafts- und kulturgeschichtlich erklärbar sei.

In welch anderem Land als Spanien wäre ein Bild wie Jose de Riberas „Maddalena Ventura” denkbar?! Eine 52jährige, völlig virile Frau mit finsteren männlichen Gesichtszügen und einem schwarzen Vollbart hält ein Kleinkind in den Armen, das sie mit einer erstaunlich prallen Brust stillt. Neben ihr der alte verschämte Ehemann; als Attribut der Weiblichkeit eine Spindel und eine Schnecke für das Zwitterwesen.

Dieses zu seltsamem Ruhm gelangte Wunder der Natur faszinierte die damalige Bevölkerung so sehr, daß sogar der Herzog von Alcalä 1631 ihr Porträt in Auftrag gab und es auch in seinen Räumen aufhängte.

In. El Grecos „Entkleidung Christi” und in der „Verkündi-(gung Mariae” fühlt man das schwerelose Schweben und die

Längung der Figuren, die der Künstler bei Tintoretto in Venedig angelegt gefunden hatte. Zu Jose de Riberas und Francisco Zurbaräns kontrastreichen, tiefreligiösen Bildern verzückter Heiliger bilden Diego Veläzques de Silvas schier impressionistisch leichte Infantinnenportraits wohl den größten Gegensatz.

Auch das berühmte Bildnis des Hofzwerges Don Sebastian de Morra kann neben den weich modellierten Genre-Szenen Bartolome Esteban Murillos bestaunt werden. Aber schon wegen eines einzigen der hier zu sehenden Bilder Goyas hätte sich der Besuch der Ausstellung gelohnt

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