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Visite eines heiklen Nachbarn

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Am 16. November kommt CSSR-Staatspräsident Gustav Husak zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Österreich. Ein „historisches Ereignis", wie manche sagen? Skepsis ist angebracht.

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Am 16. November kommt CSSR-Staatspräsident Gustav Husak zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Österreich. Ein „historisches Ereignis", wie manche sagen? Skepsis ist angebracht.

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In der kleinen Gemeinde Hard-egg, nahe der tschechischen Grenze, verbindet eine Brücke beide Ufer des Flusses, der auf der einen Hälfte Thaya, auf der anderen Seite Dye heißt.

Der Anblick der Brücke symbolisiert, wie es mit den nachbarlichen Beziehungen zwischen

Österreich und der CSSR, abseits diplomatischer Leerformeln, wirklich bestellt ist.

Auf österreichischer Seite ist die Brücke erhalten, auf der anderen Seite ist sie halb verfallen, verrostet. Auf österreichischer Seite gibt es eine gut besuchte Pension, auf der anderen Seite ist Einöde. Auf den felsigen Hügeln über dem Fluß patrouilliert ein Soldat mit einer MP. Manchmal bleibt er stehen, um mit dem Fernglas das Leben auf österreichischer Seite zu beobachten.

Dieses Bild sagt mehr aus, als die Zahl, daß 1981 mehr als 200.000 Österreicher die CSSR und angeblich auch nahezu 140.000 tschechoslowakische Bürger Österreich als Touristen besuchten. Mehr auch als das statistische Zahlenspiel, daß der Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern sich 1981 im Vergleich zu 1975 verdoppelt hat und wertmäßig 947,7 Millionen Dollar erreicht hat.

Wenn von CSSR-Seite behauptet wird, daß sich die traditionellen Kulturbeziehungen „gut entwickeln" und 4000 Künstler gastiert hätten, so wird verschwiegen, daß erstens nicht Quantität entscheidend ist, zweitens wie mühsam und hindernisreich der bürokratische Vorlauf ist und wie schlecht publizistisch die Kultur-Veranstaltungen von CSSR-Seite vorbereitet werden. .

Während des Husak-Besuches werden auch einige zwischenstaatliche Abkommen unterschrieben werden — über den Grenzverkehr, über einen Alarmplan bei Störfällen in den grenznahen CSSR-Atomkraftwerken, ein Rechtshilfe- und Ausliefe-rungs- sowie ein Zollamtshilfeabkommen. Auch das darf nicht zu dem Glauben führen, die Beziehungen zwischen Wien und Prag befänden sich tendenziell nun schon auf dem Wege der Besserung.

Zu oft hat sich die österreichische Diplomatie diesem Glauben hingegeben; etwa 1974, als nach neunzehnjährigen (!) Verhandlungen endlich der Vermögensvertrag unterzeichnet wurde, den man als das große Hindernis auf dem Weg zu guter Nachbarschaft betrachtete.

Als 1979 Bundespräsident Kirchschläger Prag besuchte, war man am Ballhausplatz ebenfalls überzeugt, nun gehe es endlich in den zwischenstaatlichen Beziehungen aufwärts. Doch dann kam es zur Affäre um den hochrangigen CSSR-Spion Hodic, der hier Emigranten-Organisationen auskundschaftete. Das führte letztlich zur einvernehmlichen Verschiebung des schon vor einem Jahr geplanten Husak-Besuches, der nun doch über die Bühne geht.

Er geht über die Bühne, obwohl Osterreich (Kanzler Kreisky, Außenminister Pahr, Vizekanzler Sinowatz) inoffiziell Prag deutlich und oft zu verstehen gegeben hat, daß es für eine wirkliche Normalisierung des zwischenstaatlichen Verhältnisses auch eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in der CSSR — zumindest in einigen konkreten Fällen - für unerläßlich hält.

Husak kommt - aber der Dissident Rudolf Battek, der unter anderem auch deswegen sitzt, weil er an Kreisky, Palme und Brandt einen Brief geschrieben hat, ist noch nicht freigegangen.

Die Bürgerrechtler Kyncl, Bar-tosek und Mlynarik, denen man (auch nach österreichischer Intervention) im Juli die Emigration in Aussicht gestellt hat, müssen nun von den Prager Behörden erfahren, daß die Erledigung ihrer Ansuchen bis Jahresende eingestellt ist. Es besteht Grund zu der Annahme, daß nach dem Hu-sak-Besuch in Österreich die Prager Behörden neue Anklagen gegen die drei erheben werden.

Schließlich muß man auch daran erinnern, daß sich die Kirchenverfolgung in der CSSR in den letzten Monaten massiv verstärkt hat, worüber die FURCHE mehrmals berichtet hat (siehe auch Seite 1). Diese Kirchenverfolgung geschieht mit Billigung von Gustav Husak, der nicht nur Präsident, sondern auch KP-Chef ist.

Verfeindete Nachbarn sind des Teufels Lieblingskinder, heißt ein tschechisches Sprichwort. Es ist daher sicherlich begrüßenswert, wenn die Nachbarstaaten Tschechoslowakei und Osterreich wenigstens versuchen ihr Verhältnis korrekt zu regeln. Wien hat dafür viele Vorleistungen erbracht.

Ob der Husak-Besuch wirklich einen historischen Schritt nach vorne bedeuten wird, ob nicht wieder Täuschung und Enttäuschung folgt - das hängt von zwei Dingen ab: Ob sich die Pragmatiker in Prag gegen ihre immer wieder querschießenden Neo-Stalinisten letztlich durchsetzen und ob Österreichs Diplomatie standfest, illusionslos und von flexibler Härte ist. Nur dann wird einmal in näherer Zukunft die Brücke von Hardegg auf beiden Seiten tragfähig und in Ordnung sein.

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