VOEST-Pleite: Warum Österreichs Verstaatlichte scheitern
Die VOEST-Pleite ist ein Symptom tieferer struktureller Probleme in Österreichs verstaatlichter Wirtschaft. Eine nachhaltige Lösung erfordert mehr als nur den Austausch von Managern.
Die VOEST-Pleite ist ein Symptom tieferer struktureller Probleme in Österreichs verstaatlichter Wirtschaft. Eine nachhaltige Lösung erfordert mehr als nur den Austausch von Managern.
Vielfach wird der falsche Eindruck erweckt, die VOEST-Pleite sei nur Folge skrupellosen Handelns oder des Versagens von Managern. Das ist typisch für Österreich: Probleme werden personalisiert, Akteure ausgetauscht (wenn überhaupt) und das Spielchen fortgesetzt wie bisher.
Nein: Die Liste der Verstaatlichten-Pleiten ist zu lang, um sich mit solcher Oberflächenkosmetik zu begnügen. „Zuletzt haben die in der ÖIAG organisierten Industriebetriebe im Jahre 1979 positiv bilanziert. Seither sind Verluste in der Höhe von 26,7 Milliarden Schilling entstanden“, rufen Hawlik und Schüssel in Erinnerung. Für diese Verluste mußten wir alle aufkommen, auch die Privatwirtschaft, der die Verstaatlichten oft mit Schleuderpreisen offensichtlich unwirtschaftlich Konkurrenz gemacht haben.
Steuerlast und Defizite
Mager auch die Ausbeute an Steuern: 9,4 Milliarden gegenüber 410,5 Milliarden von der Privatwirtschaft im Zeitraum 1972-1982 (2,3 Prozent Anteil bei den Steuern bei einem Anteil von 22 Prozent am Bruttonationalprodukt!).
Ein ähnliches Bild bei den Konzernbetrieben der Banken: Allein Semperit dürfte die CA bis 1982 rund 2,7 Milliarden Schilling gekostet haben. In den Gesamtkonzern dürften sogar rund zehn Milliarden geflossen sein! Kein Wunder, daß die Bank beim Bund um Subvention vorstellig werden mußte. Höhe des Betrags: 7,3 Milliarden Schilling.
Auch die Länderbank hat den Steuerzahler schon drei Milliarden Schilling gekostet. Kein Wunder, daß unsere Großbanken bei internationalen Vergleichen nicht brillieren. Dazu Hawlik und Schüssel: „Diese Institute bilden praktisch in allen Kennzahlen- und Ländervergleichen das Schlußlicht in der OECD-Untersuchung.“
Nahtlos fügen sich die ÖBB-Defizite in das Bild. Sie schwanken zwischen 20 und 23 Milliarden Schilling.
Österreichs Weg in die Sackgasse
Der vielgepriesene österreichische Weg (Tausche Arbeitslose gegen öffentliche Verschuldung) mündet jetzt in der Sackgasse. Immer mehr Löcher sind zu stopfen. Aber woher sollen die Mittel kommen? Ende 1985 hatte die Republik Schulden von 500 Milliarden Schilling und haftete für weitere 460 Milliarden Kredite der Kontrollbank. Rund 90 Milliarden müssen im Budget 1986 für Schuldendienst lockergemacht werden.
Wer glaubt wirklich, daß man da mit der Neubesetzung einiger Posten das Auslangen finden wird? Die Politik wird auf Pfründen und Klientel verzichten müssen. Daß die defizitäre Verstaatlichte sich auch 1984 noch den Luxus von 22.000 Schilling pro Mitarbeiter an freiwilligen Sozialleistungen leistete, kennzeichnet bisheriges Denken. Wie lange wird der Zuschußbetrieb ÖBB noch 53- (teilweise sogar 48-)jährige in Pension schicken? Ein Ende der Vorherrschaft von Gewerkschaftsfunktionären ist überfällig.
Überfällig ist auch die Einrichtung echter unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und Verantwortung. Denn der ganze Sektor der Staatswirtschaft leidet darunter, daß die Führungskräfte immer auch Befehlsempfänger übergeordneter Instanzen sind. Und diese haben eben viele andere Interessen als die des Unternehmens im Auge. Daher ist die Verstaatlichte alles andere als ein Muster an Koordination und Zusammenarbeit. Zum Teil konkurrenzieren sich diese Zuschußbetriebe bis aufs Messer. Für Verluste springt dann ja der Steuerzahler ein.
Privatisierung als Lösung?
Daher ist die von Schüssel und Hawlik geforderte Privatisierung ohne Zweifel eine weitere Voraussetzung für die Sanierung dieses Wirtschaftssektors. Wo diese Lösung nicht möglich ist, wird man jedenfalls die Einrichtung wirkungsvoller Kontrollen vorsehen müssen. Die von Parteien bestellten Organe sind in einem Netz von informellen Beziehungen verfangen, die wirksame Kontrolle extrem behindern.
So wie der rot-blau dominierte Nationalrat keine Kontrolle für die rot-blaue Regierung ist, so wenig stellen politisch bestellte Aufsichtsräte eine Kontrolle für die denselben Interessen verpflichteten Vorstände dar.
Eine weitgehende Neuordnung ist überfällig. Was unter den besonderen Bedingungen der Nachkriegszeit sinnvoll war, erweist sich als Klotz am Bein der Republik. Es ist kaum zu erwarten, daß die SPÖ, die uns konsequent 15 Jahre lang in diese Misere geführt hat, dieses Problem lösen kann: Eine Sternstunde für die Opposition, wenn sie sich mehr zutraut, als sich in die Arme einer Konzentrationsregierung zu werfen.
Dieser Artikel ist im Original unter dem Titel "Ein Klotz am Bein der Republik" am 16. Jänner 1986 erschienen.
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