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Vofwahloptik

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Es gibt Aussprüche, die man sich gut merken sollte — so die Erklärung des Finanzministers vom 21. Mai im Parlament, wonach es in diesem Jahr kein zweites Budgetüberschreitungsgesetz mehr geben werde. Vielleicht wird man den Minister bei gegebenem Anlaß daran erinnern müssen.

Jedenfalls kam das erste Budgetüberschreitungsgesetz, welches trotz der katastrophalen Kassensituation, des Bundes Mehrausgaben um weitere 1,3 Milliarden Schilling dekretiert, nicht ganz unerwartet. Fachleute haben bereits im Herbst, bei der Verabschiedung des Budgetentwurfs 1975, vorausgesagt, daß es zu Überschreitungsgesetzen kommen werde, einfach deshalb, weil diverse Ministerien gewisse Ausgaben bereits fix eingeplant haben, diese aber im Budgetentwurf der besseren Optik wegen noch nicht aufgeschienen sind, um das ganze Ausmaß der Ausgabenexplosion doch ein wenig zu verschiedern.

-Prompt werden auch mit dem ersten Budgetüberschreitungsgesetz keine neu aufgetauchten, sondern längst bekannte Ausgaben finanziert, womit der Verdacht der Kritiker bestätigt wird. Da noch andere Ressortwünsche offen blieben, sind weitere Überschreitungsgesetze durchaus „drin“. Allerdings lassen sich diese, wenn es politisch opportun erscheint, auch umgehen: Die einzelnen Ministerien erteilen unter der Hand schon jetzt verschiedene Aufträge ohne finanzielle Bedeckung. Diese wird entweder nach den Wahlen nachgeholt oder als Kuckucksei in das Nest des nächsten Budgets gelegt.

Bleibt nur die Frage, woher das Geld für die finanzpolitischen Eskapaden kommen soll. Während nämlich die Kassenebbe immer größer wird, tut die Regierung so, als ob sie aus dem vollen schöpfen könne, hebt Budgetbindungen auf, gibt immer weitere Teile der Stabilisierungsquote frei und bewilligt nun auch noch eine Budgetüberschreitung um 1,3 Milliarden — offenbar unter dem Motto: „Bei den Schulden, die wir schon haben, kommt es darauf auch nicht mehr an.“

Der Finanzminister versichert zwar, die Mehrausgaben seien durch Mehreinnahmen der Ressorts, durch Ausgabenrückstellungen und Auflösung von Rücklagen gedeckt. Wenn man aber den Gebarungs-„erfolg“ des ersten Quartals ansieht, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß es sich dabei nur um kalkulatorische Tricks handeln kann: Man „bedeckt“ die neuen Ausgaben und reißt dafür anderswo Löcher auf.

Insgesamt ist jedenfalls nichts von Mehreinnahmen und Ausgabenrückstellungen zu bemerken. Im Gegenteil, das Steuerloch hat sich binnen einem Jahr enorm vergrößert.

Die Budgeteingänge sind nur von 33,2 Milliarden im ersten Quartal 1974 auf 34,7 Milliarden in der Vergleichszeit 1975, also um 2,5 Milliarden, gestiegen, die Ausgaben dagegen von 38,0 auf 45,9, also um 7,9 Milliarden. Das Defizit erhöhte sich somit in einem Jahr von 4,8 auf 10,2 Milliarden und somit auf mehr als das Doppelte. An diesem Fak-

tum kann Hannes Androsch mit seiner gewundenen Erklärung, im ersten Quartal seien die Einnahmen „erfahrungsgemäß“ relativ gering, nicht rütteln. Auch im Vorjahr waren sie relativ gering und trotzdem ...

Diese Entwicklung beweist nur eines: Die Einnahmen wurden im Budgetentwurf — und das wurde bereits in der Debatte dem Finanz-minister auf den Kopf zugesagt — der besseren Optik willen bewußt zu hoch präliminiert.

Wenn die Entwicklung so weiter geht, müssen wir bis Jahresende mit einem Monsterdefizit rechnen, welches die schlimmsten Befürchtungen der „Pessimisten“ in den Schatten stellt. Und es wird wahrscheinlich so weiter gehen, denn die Regierung scheint entschlossen zu sein, um jeden Preis die Illusion der guten Konjunktur und des steigenden Wohlstands bis zu den Wahlen aufrechtzuerhalten. Die Rechnung wird nachher präsentiert, vorläufig werden Schulden gemacht.

Aber präsentiert uns Androsch, ehrlich, wie er nun einmal ist, nicht ohnehin schon ohne Rücksicht auf Wahlen und Wahlchancen die Rechnung? Sagt er nicht bereits jetzt bei jeder Gelegenheit, die Umsatzsteuer werde am 1. Jänner 1976 von 16 auf 18 Prozent erhöht werden?

Gerade das aber stellt ein weiteres Täuschungsmanöver dar: Der Bevölkerung wird vorgemacht, sie werde aus dem aktuellen Finanzdebakel zu einem so relativ niedrigen Preis aussteigen können, wie es die Mehrwertsteuererhöhung um 2 Punkte ist. Tatsächlich wird weder damit noch auch durch die viel gravierendere automatische Erhöhung der direkten Steuern zufolge der Inflation das Budgetloch im kommenden Jahr verkleinert werden können, gar nicht zu reden von einem Abbau der vorhandenen Schulden. Die Umsatzsteuererhöhung wird nur ein Tropfe auf dem heißen Stein sein. Sie wird dem Bund im ganzen Jahr nur 4,2 Milliarden einbringen.

Um den Etat tatsächlich zu sanieren, bedarf es Maßnahmen von ganz anderen Dimensionen. Unter keinen Umständen werden wir es — im Fall eines Anhaltens der internationalen Stagnation — auf die Dauer durchhalten können, durch büdgetäre Mittel die Illusion einer Inlandskonjunktur aufrechtzuerhalten. Solche Kraftakte gelingen bis zu nahen Wahlterminen, aber nicht darüber hinaus.

Die nächste Legislaturperiode wird uns auf alle Fälle drastische Steuererhöhungen oder scharfe Kürzungen des Staatshaushalts bringen. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Angesichts der schon heute überdimensionierten Steuerlast wäre es aber verfehlt, den Weg weiterer Steuererhöhungen gehen zu wollen.

Es werden zweifellos sehr schwere und auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen, für die sich,am besten eine große Koalition eignen würde — vorausgesetzt freilich, daß beide Parteien ehrlich um eine Sanierung bemüht und auch bereit sind, gemeinsam die Verantwortung für unpopuläre Maßnahmen zu tragen.

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