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Volk ohne Staat— Volk ohne Hoffnung?

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Sie leben auf einem Gebiet, das sechsmal so groß wie Österreich ist, und nennen es „Kurdistan“, obwohl es auf fünf Staaten verstreut ist (vgl. Stichwort „Kurden“ S. 2) und die Gründung eines eigenen Staates ohne Aussicht ist.

Sie haben Perser und Griechen, Assyrer und Os-

manen als Beherrscher gehabt und raufen sich heute mit den Regierungen der Türkei, Iraks, Irans, Syriens und der UdSSR herum.

Die Kurden nennen sich „das größte Volk der Welt ohne Selbstbestimmung“.

Am problemärmsten, so scheint es, ist ihr Leben derzeit in der Sowjetunion.

Im Irak, wo zwischen 1961 und 1975 der größte und’blu- tigste Kurdenaufstand des 20. Jahrhunderts stattfand, genießen sie derzeit in der „Autonomen Region der Kurden“ (ich berichtete über einen Besuch dort in FURCHE Nr. 26/1980) relative Selbständigkeit und eine bescheidene kulturelle,

vor allem schulische Autonomie, freilich sind auch hier die Arabisierungsten- denzen unverkennbar, und Gewalttaten kommen nach Aussagen glaubhafter Zeugen noch immer vor.

In Syrien wurde 100.000 der 400.000 bis 600.000 dort lebenden Kurden die Staatsbürgerschaft aberkannt — Fremde im eigenen Land. Noch immer gibt es Prozesse ohne Rechtsgrundlagen.

Am schlechtesten aber geht es heute den Kurden im Iran und in der Türkei, wo die meisten von ihnen (schätzungsweise fünf bzw. sieben Millionen) leben.

Im Iran machten sie beim Schah-Sturz mit und entdeckten bald darauf, daß das Chomeini-Regime sie noch brutaler behandeln

würde als die Regierung des Kaisers. Derzeit toben wieder schwere Kämpfe im kurdischen Norden Irans.

In der Türkei, wo die meisten Kurden nicht nur Selbstverwaltung, sondern den eigenen Staat fordern, ist blutige Unterdrückung seit Ende des Ersten Weltkriegs die Regel, die nur von kurzen Ausnahmeperioden unterbrochen wird.

Schon 1925 hatte eine Untersuchungskommission des Völkerbundes einen eigenen Kurdenstaat empfohlen - aber seit 1932 galt dort bzw. jetzt bei der UNO der Grundsatz: „nicht zuständig.“

Die Sozialistische Internationale hat das Kurdenproblem einmal in einer Resolution erwähnt: 1930. Seither nie wieder.

1946 entstand im Nordiran eine kommunistisch inspirierte kurdische Volksrepublik, die Moskau nach kaum einem Jahr fallenließ, als es sich mit dem Irak über einen Erdölvertrag einigte — so wie die USA die Kurdenhilfe via Schah einstellten, als dieser 1976 mit dem Irak handelseins wurde…

Volk ohne Staat — Volk ohne Hoffnung?

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