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Volkspartei zwischen Konsens und Konfrontation

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Mit einem klaren und überzeugten „Ja” beantwortete Bundesparteiobmann Josef Taus die Frage „ÖVP im Aufwind?” anläßlich einer politischen Matinee im Europahaus’ Wien.

Als Diskussionsleiter stellte Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Mantl das Thema in den historischen Rahmen der letzten Jahre und Jahrzehnte: Nach dem Wiederaufbau bis 1960 setzte eine Protestphase ein, kulminierend in der weltweiten Studentenbewegung; die Begriffe Emanzipation und Konflikt sind seit damals allgemeines Gedankengut unserer Gesellschaft. In den siebziger Jahren - nach dem „Ölschock” - zeichnete sich die Tendenzwende zu einer eher pessimistischen Phase ab. Die Berichte des „Club of Rome” versetzten weite politische und intellektuelle Kreise in Angst und Unsicherheit, man begann, sich die Frage nach der Zukunft zu stellen.

In diesem atmosphärischen Klima der Unsicherheit einerseits und der politischen Dissenz anderseits scheint sich - wie Taus fo rmulierte - eine neue Wende zum Optimismus und zu mehr politischer Beweglichkeit abzuzeichnen. Das erste Mal seit 1970 sei Mobilität in der Bevölkerung zu bemerken. Die ÖVP habe Wechselbereitschaft provoziert, und es liege nun an ihrer Mannschaft, diese Bereitschaft zum Vorteil der eigenen Partei umzusetzen. Die guten Ergebnisse von Betriebsratswahlen und Kommunalwahlen seien ein sprechender Beweis für die Bewegung im Wechselwählerpotential.

Nach zehnjährigem Auftrieb der sozialistischen Parteien in Europa sei in den letzten zwei, drei Jahren eine deutliche Stagnation in der Anhängerschaft der sozialistischen Parteien eingetreten, wie die Wahlergebnisse in Finnland, Norwegen, Belgien und auch in Holland gezeigt hätten: „Die einstigen SP-Wähler scheinen vom richtigen Weg des Sozialismus nicht mehr so ganz überzeugt zu sein”, meinte Taus.

Es gelte nun, die zerstörenden Auswirkungen der sozialistischen Ideen und Handlungen auf die gesellschaftlichen Bereiche sowie die Lösungsmöglichkeiten des christlich-sozialen Weltbildes aufzuzeigen und zwar in Form einer dauernd geführten Grundsatzdiskussion, die Taus aus diesem Grunde immer wieder vorantreiben will: „Es geht um die Rückeroberung des Terrains.” Man habe der linken Szenerie die publizistische Plattform völlig überlassen und ausschließlich einem Pragmatismus gehuldigt, der sicherlich in der Zeit des Wiederaufbaues das Vordringlichste war.

Die Chefredakteure der Tageszeitungen „Presse”, „Kleine Zeitung” und „Oberösterreichische Nachrichten” allerdings konnten diesen Optimismus nicht uneingeschränkt teilen. Sie analysierten unisono die Schwierigkeiten der heutigen Oppositionspolitik. Dr. Thomas Chorherr, Chefredakteur der „Presse”, forderte einen härteren Stil in der politischen Auseinandersetzung: daß 90 Prozent der Beschlüsse des Nationalrates einstimmig gefaßt werden, zeige die schwache Konfrontationsbereitschaft und geringe Profilierungsmöglichkeit der Oppositionspartei. Der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung”, Doktor Fritz Csoklich, wies, deutlich auf die zunehmende Schwierigkeit hin, der sich die Oppositionspartei infolge der Machtausbreitung des Regierungsapparates gegenübersehe. Der immer größer werdende Staatseinfluß beraube die Opposition des notwendigen Spielraumes und zahlreicher Instrumente der Selbstdarstellung.

Übereinstimmend erkannten die Diskussionsteilnehmer die prekäre Situation der Oppositionspolitik: Zwar seien harte Kontrolle und Konfrontation gegenüber der Regierungspartei unumgängliche Aufgabe der Opposition, doch sei anderseits die Industriegesellschaft von ihrer Struktur her konfliktschwach und suche aus Angst vor Polarisierung den Konsens. In diesem permanenten Zwiespalt befindet sich natürlich auch die österreichische Volkspartei auf der Suche nach einer - wie sich Chefredakteur Polz ausdrückte - „differenzierten” Oppositionspolitik, ohne daß dieser Begriff hinreichend präzisiert werden konnte.

Zur Bewältigung der auf uns zukommenden Probleme - etwa in den Bereichen der Wirtschaft und der Sicherheit - erscheine das System einer Koalitions- oder Konzentrationsregierung als das bestmögliche. Dagegen aber stehe die Person Kreisky: „Er ist ein Meister im Vernebeln von Problemen.” Polz hält sogar einen nochmaligen SPÖ-Wahlsieg für möglich, falls es Kreisky gelingen sollte, die Folgen der wirtschaftlichen Misere bis zu den Wahlen zu vernebeln.

Gegen Ende der Veranstaltung konzentrierte sich die Diskussion auf die Rolle der Medien in der innenpolitischen Landschaft Österreichs. Chorherr erkannte als große und wichtige Aufgabe der Opposition wie auch der unabhängigen Zeitungen, die rote Unterwanderung des ORF zu verhindern. Bundesparteiobmann Taus stellte im zweiten Femsehkanal eine „erhebliche Nähe zur Regierungspartei” fest und sprach von einem „Systemüberwindungskanal”. Es gelte, im ORF die Gefahr einer zentral gelenkten Berichterstattung ebenso wie die Tendenz zur Aushöhlung unserer Wertvorstellungen zu bannen. Die zunehmende „Boulevardisierung” der Tageszeitungen jedoch, die Beherrschung des Marktes durch ein Kleinformat sowie der scheinbar mangelnde Bedarf an umfassender und sachlicher Berichterstattung in der Bevölkerung erschwere der Presse die Erfüllung ihrer Aufgaben. Unter den gegebenen Umständen liege die Vermutung nahe, daß die österreichischen Tageszeitungen heute - aus vielleicht sogar verständlichen Gründen - ihrer umfassenden Informations- und Erziehungsfunktion nur in jenem eingeschränkten Maße zu entsprechen in der Lage sind, die sich mit weitgehender Berücksichtigung eines sensationsorientierten Leserinteresses vereinbaren läßt.

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