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Vollbeschäftigung brachte der Storch

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Viel bestaunt und gern als Erfolg weiser Wirtschaftspolitik verkauft wird Österreichs relativ niedrige Arbeitslosenrate. Bei näherer Betrachtung erweisen sich jedoch unsere untypisch niedrigen Geburtenraten in den fünfziger Jahren als eine der Hauptursachen für das Wunder

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Viel bestaunt und gern als Erfolg weiser Wirtschaftspolitik verkauft wird Österreichs relativ niedrige Arbeitslosenrate. Bei näherer Betrachtung erweisen sich jedoch unsere untypisch niedrigen Geburtenraten in den fünfziger Jahren als eine der Hauptursachen für das Wunder

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Seit mehr als 20 Jahren stehen wir nun wieder vor Arbeitsmarktproblemen. Die Winterarbeitslosigkeit ist im Jänner 1982 auf 5,4 Prozent (bzw. 155.700 Arbeitslose) angestiegen; der Rückgang im Februar/März ist schwächer als saisonüblich, so daß sich die bereinigte Arbeitslosenrate weiter erhöht.

Im Jahresdurchschnitt 1982 werden wir die ominöse Vollbeschäftigungsmarke von 3 Prozent überschreiten. Aufgrund der demographischen Entwicklung müssen wir sogar damit rechnen, daß die Arbeitslosenrate in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen wird.

Wieso ist es Österreich bisher so gut gegangen, obwohl die Arbeitslosenraten im Ausland doch bereits seit einiger Zeit deutlich höhere Werte aufweisen. (So z. B. in der BRD, wo nach dem ersten öl-preisschock (1974/75) die Arbeitslosigkeit plötzlich angestiegen ist und sich seither nicht wieder erholt hat.)

Österreich war bisher von dieser dramatischen Entwicklung verschont, wenngleich es auch bei uns kleinere Arbeitsmarktprobleme gegeben hat: in manchen Regionen, Branchen oder Qualifikationssparten. Trotzdem ist die Situation in Österreich in den letzten Jahren im großen und ganzen günstig gewesen.

Die Erklärung ist sicherlich nicht in einem einzigen Faktor zu suchen. Für die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den siebziger Jahren sind vor allem folgende Faktoren maßgebend:

• Das starke Wachstum am Beginn des Jahrzehnts („Uberholspur") hat zu einer vollständigen Ausschöpfung des inländischen Arbeitsmarktes und folglich zu einem starken Zustrom ausländischer Gastarbeiter geführt.

• Die Arbeitszeitverkürzung von 45 auf 40 Wochenstunden hat diesen Arbeitskräftebedarf verschärft, sodaß in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ein unbefriedigter Nachholbedarf, insbesondere im Dienstleistungsbereich und im öffentlichen Sektor, bestand. Allerdings zeigt sich z. B.in der Industrie, daß der Arbeitskräftebedarf stärker durch die konjunkturelle Situation und durch die internationale Wettbewerbsfähigkeit bestimmt wird als durch die Arbeitszeitverkürzung. • Die Budgetpolitik hat versucht, durch Inkaufnahme hoher Defizite und einer rasch wachsenden Verschuldung, die Beschäftigung auszuweiten. Angesichts der hohen Importquote des privaten Konsums und des zunehmenden Leistungsbilanzdefizits ist es allerdings nicht sicher, ob dadurch die Beschäftigung eher im Inland oder eher im Ausland angekurbelt worden ist.

Der wichtigste Grund für die günstige Beschäftigungslage wurde aber bisher in der wirtschaftspolitischen Diskussion vernachläßigt: die demographische Entwicklung in den fünfziger Jahren. Bis zum Staatsvertrag im Jahre 1955 hatten wir in Österreich die niedrigste Geburtenrate aller westeuropäischen Staaten.

Die Besetzung Österreichs durch die vier Allierten, die ungünstige Wirtschaftslage, sowie der kriegsbedingte Ausfall haben zu dieser außerordentlich niedrigen Geburtenrate geführt. So entfielen in Osterreich 15,0 Geburten auf 1.000 Einwohner, in der BRD 16,1, in der Schweiz 17,4, in Frankreich 19,3 und in den USA sogar 24,7 Geburten auf 1.000 Einwohner.

Der Babyboom hat somit in Österreich später eingesetzt als im Ausland. Nach dem Staatsvertrag war auch in Osterreich ein Anstieg der Geburtenraten zu beobachten, sodaß wir Mitte der sechziger Jahre ungefähr im Mittelfeld der Industriestaaten gelegen sind. Die stärkeren Geburtenjahrgänge sind somit erst später auf den Arbeitsmarkt gekommen.

Nunmehr befindet sich Österreich, das bisher durch die demographische Entwicklung bis zu einem gewissen Grad von Arbeitsmarktproblemen entlastet war, in derselben Situation wie andere Länder, bei denen die Geburtenzahlen schon früher angestiegen waren. Daher ist mit einem steigenden Angebot an Erwerbstätigen in den nächsten Jahren zu rechnen.

Das bedeutet also, daß Österreich bisher von der demographischen Entwicklung begünstigt gewesen ist. Mit einer Verzögerung von etwa fünf Jahren müssen wir nunmehr auch mit einer Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation rechnen.

Somit werden die nächsten Jahre nicht einfach zu bewältigen sein. Ein jährliches zusätzliches Angebot von 25000 bis 30000 Arbeitskräften wird durch die bisherige Politik, also durch vermehrte Staatsausgaben, nicht mehr verkraftet werden können. Aus Input-Output-Berechnun-gen ergibt sich nämlich, daß der direkte und indirekte Beschäftigungseffekt einer zusätzlichen Budgetmilliarde maximal zwischen 1500 und 2500 Arbeitsplätzen hegt.

Wollte man daher die Arbeitsmarktprobleme durch Einsatz der Budgetpolitik lösen, so müßte das Nettobudgetdefizit in Zukunft jährlich mindestens um 15 bis 20 Milliarden erhöht werden, was budget- und finanzierungsmäßig einfach unmöglich ist.

Mit der bisherigen Budget- und Wirtschaftspolitik werden wir somit die Probleme der Zukunft nicht lösen. Wir müssen vielmehr den Betrieben wieder mehr Luft für die Anpassung an die geänderten weltwirtschaftlichen Bedingungen geben.

Nur durch eine längerfristige Sicherung gesunder und expandierender Betriebe werden wir sowohl die bestehenden Arbeitsplätze sichern, als auch neue schaffen können.

Dr. Christian Festa ist Leiter der Abteilung für Statistik und Dokumentation in der Bundeswirtschaftskammer.

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