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Vollmotorisiert im Friedenseinsatz

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Die Österreicher sind das am besten motorisierte Bataillon der UN- Friedenstruppe im Golan-Gebiet: 90 Kraftfahrzeuge — vorwiegend Steyr Diesel 680 M 3 und neue Pinzgauer — gewährleisten, daß dem UN-Kom- mando ein vollmobiler Verband rasch und flexibel zur Verfügung steht. Wie sehr dies geschätzt wird, zeigen die Fahrleistungen:

Unsere Kraftfahrer im UNO-Dienst sind Kilometer-Millionäre: 1,5 Millionen Kilometer in Wüste, Sandsturm, schwerem, steinigem Gelände!

Auch die Verlegung vom Suezkanal in Ägypten in den derzeitigen Ein- satzraum in Syrien und Israel schaffte das österreichische Kontingent mit eigenen Mitteln — eine erfolgreich bestandene Bewährungsprobe des österreichischen Bundesheeres!

Verschwiegen wurde — um diesen Faden weiterzuspinnen — auch, daß zwar keineswegs alle, aber doch relativ viele Präsenzdiener — wie der Verfasser ebenfalls aus eigener Anschauung weiß — mit den widerlichsten Schwindeleien versuchen, sich um die konkrete Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen, ja sogar auch ihrer elementarsten kameradschaftlichen Pflichten herumzudrücken, und daß ein Vorgesetzter, der permanent mit Simulanten und Tachinierern konfrontiert ist, allmählich den Blick verliert für die wahre Situation seiner Untergebenen; so daß es, wenn man einer Wiederholung des Falles Wandl ernsthaft Vorbeugen will, ganz dringend geboten wäre, mehr Rechte fürderhin nicht mehr den Untergebenen, sondern den Vorgesetzten einzuräumen.

Verschwiegen wurde der Kern des (freilich grob karikierten) Übels, nämlich: daß keineswegs das

Bundesheer versäumt hat, sich in die Gesellschaft zu integrieren, sondern daß diese Gesellschaft, repräsentiert durch ihre Staatsorgane, alles, aber wirklich auch alles, getan hat, um diese Integration zu verhindern. Der Fisch fängt bekanntlich beim Kopf zu stinken an: Die nämliche (sozialistische) Bundesregierung, die sich, um Wählerstimmen gegen Staatsinteressen einzuhandeln, verbal zu einer Reform des Heeres bekannte, hat faktisch, nämlich durch gigantische Subventionen an die Verleumdungs-Postille des Genossen Nenning, das von diesem proklamierte Volksbegehren zur Abschaffung des Bundesheeres gefördert. (Der Versuch, das Bundesheer aus der staats- und gesellschaftspolitischen Wirklichkeit hinauszumanövrieren, hat allerdings eine bereits etwa fünfundzwanzigjährige Tradition, und zwar nicht nur in der SPÖ, sondern, spätestens seit Raab, auch in der ÖVP!) Jedenfalls: Wenn, von dem tapferen Bundespräsidenten Jonas und wenigen anderen „Außenseitern” abgesehen, sämtliche Funktionäre des Staates und der (angeblich) staatstragenden Organisationen zum staatsfeindlichen Halali gegen das Bundesheer blasen, dann darf man, schon aus Gründen der Fairneß, von irgendeinem kleinen und noch dazu schlecht bezahlten militärischen Unterläufel nicht ausgerechnet das erwarten oder gar verlangen, was man selber zu praktizieren ablehnt: staatsbürgerliche Moral, die sich in sozialem Verhalten realisiert.

Verschwiegen wurde schließlich — um zu dem konkreten Fall Wandl zurückzukehren —, daß 31 Grad Hitze noch lang keine tropische Temperatur, sondern in diesen Breiten zur Sommerszeit normal sind (und daß schon deshalb der „Hitzeerlaß” des Bundesheeres in den Papierkorb gehört). Just bei solchen Temperaturen setzen sich hundert tausende Österreicher, fettleibig und kreislaufgeschädigt, in ihr Auto, um gen Süden zu streben, wo es bekanntlich noch sehr viel heißer ist. Mit den Auspuffgasen des Vordermanns in der Lunge, vom Schleichen in der Kolonne zu mörderischer Aggressivität gereizt, absolvieren sie Tagesleistungen von 600, 800, 1000 und mehr Kilometern, um sich, wie bisher in Wien oder Kapfenberg, nun endlich einmal auch in Dubrovnik oder Palermo ansaufen zu können; und hinten, im Fond, schmachten wehrlos die Kinder. Doch kein Journalist, der dem armen Kurt Wandl die ideologischen Krokodilstränen nachgeweint hat, erhebt seine Stimme des Vorwurfs. Im Gegenteil: Mit der Begründur”, daß einem achtzehnjährigen starken Raucher nicht zumutbar sei, fünf Stunden lang ohne Zigarette den Caesar zu übersetzen und Gleichungen mit zwei Unbekannten zu lösen, fordert er, daß in den Schulen Rauchsalons einzurichten seien .— damit hinfort möglichst viele Wandls, sowie sie vom Zigarettendunst in den Sonnenschein versetzt werden, den vom gesellschaftspolitischen Fortschritt verursachten Heldentod erleiden.

Verschwiegen wurde endlich, daß in den meisten anderen Staaten — von der Schweiz bis Albanien, von Jugoslawien bis Finnland, von den USA bis China — die militärische Ausbildung nicht nur länger, sondern vor allem auch sehr viel härter ist als in Österreich. In der Sowjetarmee zum Beispiel müssen sogar auch die Köche durch den „Feuerbrei”: alle Soldaten müssen sich daran gewöhnen, auch unter MG- Feuer mit scharfer Munition ihre Funktionen zu erfüllen- Und daß es dabei keine Toten gebe, wird selbst der Herr Traxler von der „Arbeiterzeitung” nicht zu behaupten wagen. Dafür aber werden im kommenden Krieg die personellen Verluste der Sowjetarmee relativ sehr viel geringer sein als die des österreichischen Bundesheeres.

Verschwiegen wurde also, in summa, die alte Wahrheit: „Schweiß spart Blut” — jene Wahrheit, die der österreichische Dichter Herbert Zand in seinen Kriegserinnerungen zitiert, und zwar in Dankbarkeit gegenüber seinem harten Ausbild- ner. Und Herbert Zand war kein Kriegsheld, sondern ein Kriegsversehrter, ein unheilbarer sogar, dem bewußt war, daß er frühzeitig sterben werde — und der gewußt hat, warum er, nach menschlichem Ermessen, nicht sehr viel früher gestorben ist. Die Art jedenfalls, wie der tragische Fall Wandl journalistisch ausgeschlachtet worden ist, offenbart den zynischen Wunsch von Papierkriegern, daß Österreichs männliche Jugend im (leider nie auszuschließenden) Verteidigungsfall nicht überleben, sondern krepieren soll. Tinte läßt Blut fließen.

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