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Vom Außenseiter zum bekannten Industrieland

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FURCHE: Industrieansiedlurig ist in Österreich ein relativ junges Geschäft. Wo stehen wir heute im internationalen Vergleich beziehungsweise welche Erfahrungen konnten bisher gesammelt werden?

GERALD Y. GENN: Die ICD wurde vor sechs Jahren als lOOprozentige Tochter der ÖIAG gegründet. Auftrag war, ausländische Investoren und Joint Venture Partner anzuwerben - vor allem in Regionen mit bestehenden oder zu erwartenden Strukturproblemen. Im Dezember 1983 erwarb der Bund 51 Prozent der Geschäftsanteile. Erst mit diesem Zeitpunkt erfolgte daher der Einstieg in eine österreichweite Indu-strieansiedlung und damit in ein internationales Geschäft, das von anderen europäischen Ländern teilweise schon seit 20 Jahren betrieben wird.

FURCHE: Wie hat sich Österreich dieser internationalen Konkurrenz gestellt?

GENN: Natürlich starteten wir als „Außenseiter“. Dafür waren mehrere Faktoren verantwortlich. Zunächst hatten wir viele Jahre aufzuholen, in denen Konkurrenzländer mit sehr großem finanziellem und personellem Einsatz Investoren- beziehungsweise allgemeine Wirtschaftswerbung betrieben hatten und deren Regierungen oft viel stärker integriert sind.

Zweitens ist Österreich im Ausland fast nur als Fremdenverkehrs- und kaum als Industrieland bekannt. Es gibt bekanntlich kein Produkt, das von Ausländern mit Österreich identifiziert wird. Und schließlich gibt es auch einige Rahmenbedingungen, die erst in Österreich für eine erfolgreiche Industrieansiedlung geschaffen werden mußten.

Wir können jedoch heute feststellen, daß wir die Anlaufphase schon lange überwunden haben,

„In anderen Ländern sind die Regierungen stärker integriert“ • daß wir uns in einem Aufholprozeß befinden und es uns gelungen ist, Österreich als attraktiven europäischen Industriestandort zu profilieren. Die Ansiedlungen der letzten Jahre belegen das sehr deutlich.

FURCHE: Welche Rahmenbedingungen mußten erst geschaffen werden?

GENN: Das betrifft verschiedene Ebenen. Einer der wichtigsten Punkte ist die tatsächliche Bereitschaft, Industriebetriebe ansiedeln zu wollen. Für jeden potentiellen Investor sind nicht nur die wirtschaftlichen Fakten wesentlich. Zu allererst muß dokumentiert werden, daß die entsprechende Produktionsstätte von dem Land auch gewünscht wird. Das heißt also: Industrieansiedlung kann nicht nur zentral verordnet werden. Die Bereitschaft dazu muß von der gesamten Wirtschaft und der Bevölkerung getragen werden. Weiters muß durch wirtschaftspolitische Maßnahmen ein entsprechend investitionsfreundliches Klima geschaffen werden. Dazu zählen etwa die Steuerreform, die Investitionsförderung, aber auch der Ausbau der Infrastruktur, Ausbildungsprogramme und so weiter. Hier wurden in den letzten Jahren entscheidende Schritte gesetzt.

FURCHE: Wie kommt die ICD an interessierte Firmen heran?

GENN: Im Prinzip funktioniert es genauso wie der Produktverkauf. Unser Produkt ist der Industriestandort Österreich. Es muß daher zunächst mit Hilfe der

Marktforschung festgestellt werden, für welche Unternehmen dieses Produkt interessant sein kann. Dann wird mit Hilfe des Marketings eine entsprechende Verkaufsstrategie entwickelt und umgesetzt. Das heißt konkret: der Standort Österreich muß auf seine Wettbewerbsfähigkeit hin überprüft und ein Produktvorteil herausgearbeitet werden. Das wird dann kommuniziert: durch gezielte persönliche Kontakte, durch Direct Mailings, durch Informationsveranstaltungen, durch Medienarbeit und klassische Werbung.

FURCHE: Für weltweite Werbung bedeutet das aber ein enorm großes Werbebudget. Kann Osterreich diese finanziellen Mittel überhaupt zur Verfügung stellen?

GENN: Das Jahresbudget der ICD beträgt derzeit 50 Millionen Schilling. Davon sind alle Kosten zu bestreiten, also auch für 28 Mitr arbeiter, unsere Büros in Wien, Tokio, New York und Kalifornien. Natürlich bleibt daher als eigentliches Werbebudget nicht viel übrig. Das bedeutet, wir müssen sehr selektiv und möglichst ohne Streuverluste vorgehen. Unsere Aktivitäten sind daher . auf Schwerpunktmärkte konzentriert und auch dort fast ausschließlich auf jene Branchen und Unternehmen gerichtet, die als potentielle Investoren erkannt wurden.

FURCHE: Wie läßt sich feststellen, welche Unternehmen künftig Auslandsinvestitionen vornehmen wollen?

GENN: Hier ist Österreich etwas benachteiligt. Denn zum Teil kommen diese Informationen sogar von den Unternehmen selbst. Jedoch nur an jene Länder, die als „traditionelle“ Industriestandorte bekannt sind. Kaum ein amerikanischer oder japanischer Konzern denkt von sich aus daran, eine Investition in Österreich zu tätigen. Wir müssen hier selbst aktiv werden und uns rechtzeitig in die Standortdiskussion einschalten, bevor eine Vorentscheidung fixiert ist. Mit den durch internationale Marktforschungen und eigene Unternehmensanalysen einmal als potentielle Investoren identifizierten Firmen muß daher ein ständiger Kontakt gepflegt werden. Dies können zum Teil unsere eigenen Mitarbeiter wahrnehmen. Zum Teil arbeiten wir hier auch mit Konsulenten beziehungsweise Informanten aus den verschiedensten Bereichen zusammen.

Daraus ergibt sich auch unsere fast zweijährige Anlaufphase. Denn zunächst galt es, dieses interne Netz aufzubauen, und von der ersten Verhandlung bis zur tatsächlichen Realisierung einer Investition vergehen ebenfalls einige Monate bis mehrere Jahre.

FURCHE: Was sind die nächsten Schritte, sobald sich ein Unternehmen für Osterreich interessiert?

GENN: Unsere Aufgabe ist nicht nur, potentielle Investoren anzuwerben, sondern auch, sie zu betreuen. Teilweise sogar über die bereits realisierte Investition hin-

„Derzeit werden von der ICD rund 200 aktive Projekte verfolgt“ aus. Wobei wir hier eng mit verschiedensten Institutionen und Firmen zusammenarbeiten. In vorderster Linie mit den Be-triebsansiedlungsgesellschaften beziehungsweise Wirtschaftsför-derungsstellen der Bundesländer. Mit ihnen gemeinsam werden Standortanalysen erarbeitet und entsprechende Vorschläge den Investoren unterbreitet. Mit Banken und Förderungsstellen wiederum werden Finanzierungsmodelle diskutiert. Ein dritter Bereich ist die gesamte Vorbereitung und Abwicklung mit den Behörden.

, FURCHE: Wie hoch ist die Erfolgsquote?

GENN: Die ICD hält laufend mit rund 6000 ausländischen Unternehmen Kontakt. Rund 200 aktive Projekte werden derzeit verfolgt. Zirka 30 davon befinden sich in der Entscheidungsphase. Dieser aktuelle Stand trifft im wesentlichen ständig zu. Gewisse

„Unsere Nicht-Mitgliedschaft bei der EG ist ein Handicap“

Projekte werden verschoben, andere werden in verschiedenen europäischen Ländern und ein Teil auch in Österreich realisiert. Eine wirkliche Erfolgsquote läßt sich für uns kaum errechnen, da natürlich auch die Aufwendungen für ein bestimmtes Projekt völlig unterschiedlich sind. In den letzten Jahren wurden jedenfalls über die ICD im Schnitt zehn ausländische Betriebe in Österreich angesiedelt (siehe Kasten).

FURCHE: Mit welchen Argumenten können und konnten ausländische Betriebe überzeugt werden, in Österreich zu investieren?

GENN: Das hängt natürlich von dem Ursprungsland beziehungsweise der Branche ab, aus der das Unternehmen stammt. Ganz allgemein können jedoch folgende Vorteile ins Treffen geführt werden: die wirtschaftliche, politische und soziale Stabilität, die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften mit hoher Zuverlässigkeit und Arbeitsmoral sowie extrem geringen Fehlzeiten, Verfügbarkeit und niedrige Preise von Grundstücken sowie letztendlich auch die Lebensqualität in Österreich.

Im internationalen Durchschnitt liegen die verkehrsmäßige Erschließung von wichtigen Absatzmärkten, Förderungsmaßnahmen, Finanzierungshilfen und steuerliche Belastungen.

FURCHE: Wo liegen die Schwächen Österreichs beziehungsweise wer sind unsere Hauptkonkurrenzländer?

GENN: In erster Linie jedes EG-Land. Die Nicht-Mitgliedschaft Österreichs ist zum Beispiel im Fall Japan ein sehr großes Handicap. Weiters Länder mit einem großen Binnenmarkt, Billiglohnländer — und das sind im Vergleich zu Österreich fast alle europäischen Länder mit Ausnahme Deutschlands und der Schweiz —, englischsprachige Länder und Länder mit einer besonders entwickelten Infrastruktur in bestimmten Industriebereichen, zum Beispiel Schottland und Bayern im Bereich der Elektronikindustrie.

FURCHE: Wie sehen Sie die künftigen Chancen Österreichs bei der Industrieansiedlung?

GENN: Wir haben Chancen. Aber es gibt einige Bereiche, wo das „Produkt“ Industriestandort Österreich noch attraktiver gestaltet werden muß. Das ist vor allem ein EG-Beitritt und das ist weiters eine größere arbeitsrechtliche Flexibilität. Etwa die raschere Genehmigung von Mehrschichtbetrieben rund um die Uhr, eine absolute Notwendigkeit für viele High-Tech-Betriebe.

FURCHE: Sie sind optimistisch?

GENN: Unter den eben genannten Voraussetzungen durchaus. Die Erfolge unserer Industrieansiedlung werden ja auch international genau beobachtet und bestätigt. Wir gewinnen laufend an Bekanntheitsgrad, auch durch Musteransiedlungen wie Sony in Salzburg, Schweizer, deutsche und japanische Ansiedlungen in Ternitz, USA-Investitionen in der Steiermark und so weiter. All das fördert unser internationales Ansehen und unser positives Image als Industrieland.

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