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Vom Bettenbauer zum „Betoriierer"

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Erst wehrte er sich mit Händen und Füßen, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als zähneknirschend ja zu sagen:

Am 30. Oktober, genau dreißig Tage nach der Landtagswahl, versetzte Kärntens Landeshauptmann Leopold Wagner (SPÖ) den freiheitlichen Wahlsieger Jörg Haider vom Fremdenverkehrs-ins Straßenbaureferat. Der rebellische Jungblaue soll fortan statt Betten Beton vergeben.

Die überraschende Rochade hat in der Kärntner Öffentlichkeit für Diskussionsstoff gesorgt. Im Mittelpunkt steht die Frage, von welchen Motiven sich Wagner bei seinem Tausch leiten ließ:

Wollte er den Wahlsieger Haider für sein gutes Ergebnis bestrafen oder beschenken?

Inoffizielle Version, die vor allem von Haider-Sympathisanten kolportiert wird: Landeshauptmann Wagner, der wie sein Stellvertreter Stefan Knafl (ÖVP) ein „blaues" Wahlwunder erlebte, sei Haiders populistische Politik schön langsam lästig geworden. Daher habe man bei den Parteienverhandlungen emsig darüber nachgedacht, wie man den Kärntner Aufsteiger des Jahres am ehesten kaltstellen könnte. Ergebnis: Haider soll in Hinkunft Straßen bauen.

Der strategische Plan dahinter: Im Zeitalter der „Kaspanazes" wird man sich als oberster Betonherr eines Bundeslandes schwer tun, noch mehr Wählergunst zu gewinnen. Mit einem neuen Straßenstück kann man in einer Phase der grünen Euphorie die Bürger kaum mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Höchstens verärgern.

Zweitens: Die Unattraktivität und Unpopularität des Kärntner Straßenbaureferates hat zwei reelle, geographisch bedingte Wurzeln. Sowohl Villach als auch Klagenfurt benötigen dringend eine Autobahnumfahrung. Beide Projekte haben Kärntens Politiker in der Vergangenheit beinahe zum Verzweifeln gebracht. Jetzt wirft man sie Haider vor die Beine und hofft, daß er darüber stolpert und auf die Nase fällt.

Drittens: Haider wird als NeoStraßenbauer mit den massenhaft aus dem Boden schießenden Bürgerinitiativen raufen müssen. Da könnte dem freiheitlichen Straßenbau-Landesrat durchaus die Geduld reißen und sein populistisches Konzept wie ein Kartenhaus zusammenstürzen.

Haider selbst ist über die verordnete Versetzung dementsprechend verärgert: Es sei, so der quirlige FPÖ-Politiker aus dem oberösterreichischen Goisern, eine krasse Verfälschung des Wählerwillens, ihn jetzt Straßen statt Betten bauen zu lassen. Gerade in den heimischen Fremdenverkehrszentren und in den wirtschaftlich starken Städten habe er die größte Zustimmung erhalten. Jetzt versalze man ihm die politische Suppe.

Dennoch: Haider ist es durchaus zuzutrauen, daß er auch als neuer Straßenbäuchef Kärntens das Kunststück zustande bringt, Grüne und Bürgerinitiativen zufriedenzustellen. Schon bei Amtsantritt hat er publikumswirksam angekündigt, daß er sich keinen Betonschädel aufsetzen lassen wird.

Landeshauptmann Wagner versteht offiziell nicht, wieso Haider sein Geschenk so undankbar angenommen hat. Erstens bekomme der Wahlgewinner das Amt des Wahlverlierers, zweitens könne von Strafposten keine Rede sein, denn das Straßenbauressort, das bislang immer der Landeshauptmann-Stellvertreter innehatte, sei höherwertig als das des Fremdenverkehrs.

Stefan Knafl selbst — trotz Wahlschlappe noch ohne Abschiedsgelüste — ist über seinen Transfer vom Straßenbau- ins Fremdenverkehrsreferat nicht sonderlich unglücklich. Ihm sei jede Arbeit recht. Attraktivität hin, Image her.

Mit VP-Knafl hat Kärnten -nach Außerwinkler, Ferrari-Brunnenfeld und Haider — übrigens den vierten Fremdenverkehrsreferenten innerhalb kurzer Zeit bekommen. In einer Zeit, in der der Kärntner Fremdenverkehr ohnehin krisengeschüttelt wie noch nie dasteht.

Die bundespolitischen Auswirkungen des Kärntner Referatswechsels sind vorerst minimal. Strebt Haider trotz momentaner Dementi ein bundespolitisches Comeback als Steger-Nachfolger an, dann wird ihm auch das ungeliebte Kärntner Straßenbaureferat nicht hinderlich sein.

Viel eher schon Haiders Schulterschluß mit dem Kärntner Heimatdienst in Sachen Südkärntner Schulfrage. Restösterreich, besonders Wien, hat mit dem Pakt ideologiekritisch hart abgerechnet. Andersrum: Haiders „braunes" Image könnte in Wien mehr schaden, als es ihm in Kärnten genützt hat.

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