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VOM BLEISATZ ZUR MODERNEN OFFSET-ROTATION

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Die Rotationsmaschine nimmt in einer Zeitungsdruckerei eine Schlüsselposition ein. Mit der Wahl der Maschine werden die Geschicke der Zeitung für 15 bis 20 Jahre vorbestimmt.

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Die Rotationsmaschine nimmt in einer Zeitungsdruckerei eine Schlüsselposition ein. Mit der Wahl der Maschine werden die Geschicke der Zeitung für 15 bis 20 Jahre vorbestimmt.

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Die „Styria" befindet sich mit dem neuen Druckzentrum an der Schwelle ins nächste Jahrtausend. Dies ist sicher ein Grund, die Geschichte des Zeitungs-Druckmaschinenbaus in den letzten Jahrzehnten zu beleuchten. Auch die Rolle, die der Hersteller dieses Grazer Druckungetüms, die Maschinenfabrik „Wifag" in Bern, dabei einnahm.

Es ist dabei sinnvoll, um 30 Jahre zurückzublenden. Denn so bis Mitte der sechziger Jahre war der Zeitungsdruck noch völlig vom Hochdruck beherrscht und verwendete das halbrunde Bleistereo als Druckform, eine schwere Bleiplatte mit erhabenen Buchstaben. Dominiert war die Zeitungsproduktion also von einer Technik, die schon auf eine 500jährige Tradition zurückblicken konnte, wie sie Gutenberg einst einführte. Über ganze 400 Jahre davon ausschließlich ab flacher Hochdruckform, Bogen um Bogen druckend. Denn die erste gebrauchstüchtige Zeitungs-Rotation mit ihrem Druck ab endloser Rolle, die hatte der Amerikaner William Bullock erst 1866 in Philadelphia im Bau.

1965, also 100 Jahre später, sahen die Rotationsmaschinen jener Druckpresse von Bullock zwar nicht mehr allzu ähnlich, aber das Druckprinzip war noch immer dasselbe. Die Leistung der Maschinen war inzwischen beträchtlich gestiegen und stieß technisch an die Grenzen des Machbaren. Brachte es die erste Rotationsmaschine auf 7.000 Bogen in der Stunde, die dann noch außerhalb der Maschine gefalzt werden mußten, so absolvierte genau 100 Jahre später 1966 bei der schweizerischen Maschinenfabrik „Wifag" eine Zeitungsrotation erfolgreich ihren Probelauf, die als Weltneuheit eine Leistung von 80.000 Exemplaren pro Stunde erbrachte.

Diese Maschinenkonstruktion brachte nebst der hohen Leistung erstmals eine echte Modulbauweise im Rotationsmaschinenbau und ein ganz neues Industrie-Design ein. Sowohl Form als auch der konsequente Baukasten der „Wifag 80" sollten richtungweisend für den Druckmaschinenbau werden. Da man aber immer noch ab schweren Bleiplatten druckte, mußten vorher aus Sicherheitsgründen ausgedehnte Schleuderversuche in einer Grube durchgeführt werden. Schwere Sicherheitsverkleidungen an der Maschine wurden nötig, denn die ungeheuren Fliehkräfte ließen die Platten sich verformen, sie tendierten zum Abheben vom schnelldrehenden Zylinder.

In den Druckereien war in dieser Zeit die Arbeitsteilung in den Vorstufen, vom Manuskript bis zur fertigen Druckform, strikt geregelt. Noch waren die Kompetenzen traditionell vorgegeben und wurden in der Regel eifersüchtig gehütet. Der Redakteur lieferte das Manuskript, der Maschinensetzer „erfaßte" den Text, das heißt er tippte die Manuskripte in die Setzmaschine, die Zeile um Zeile in Blei gegossen den Text ausgab. Bilder, viel spärlicher als heute in der Zeitung verwendet, wurden meist noch als Zinkklischees in der galvanischen Abteilung hergestellt. Den Umbruch, also die Seitengestaltung, nahm dann der Metteur im Schließsetzschiff vor, wo Zeile um Zeile zu Spalten zusammengefügt in einem zeitungsseiten-großen präzisen Stahlrahmen eingespannt, „geschlossen" wurden. Die Position der Bilder wurde durch in der Höhe zurückgenommene Bleiklötze vorbereitet. Im Schließsetzschiff war die „Druckvorlage" mit den erhabenen Druckstellen noch flach, sie wurde jetzt vom Stereotypeur übernommen, mit einer gefeuchteten Mater und einer Filzauflage abgedeckt. Unter der Prägepresse erhielt die Mater unter hohem Druck ihr Profil, was später ausdrucken sollte, wurde vertieft abgebildet. Zeitaufwendig war das anschließende „Auslegen" der Mater auf der Rückseite, da die nichtdruckenden Stellen mit Filzkarton hinterklebt werden mußten. Es folgte als nächster Arbeitsgang das Trocknen der Mater in der Trockentrommel, wobei diese zwangsläufig einging, gleichzeitig aber ihre halbrunde Form erhielt, um nachher in die Gießschale zu passen. Für einen guten Abguß war eine trok-kene Mater Bedingung. Die eigentliche Umsetzung in eine zylindrische Druckform, als Voraussetzung für den rotativen Druck, ergab sich also über den Abguß von der geprägten Mater in der halbrunden Schale des Gießwerkes. Die dem Gießwerk jetzt entnommene halbrunde Bleiplatte mußte anschließend in einer Rundfräsmaschine noch an Kopf und Fuß und in größeren nichtdruckenden Partien abgefräst werden, oft war sie innen noch auszuschaben.

Der große Vorteil der Bleistereo-Druckform, aus einer Blei-Antimon-Zinn-Legierung bestehend, lag im Umstand, daß sie nach dem Druck wieder eingeschmolzen werden konnte, daß also kein Materialverlust entstand.

Aber wohlverstanden, diese aufwendige Arbeitsweise war vor knappen 25 Jahren der Zeitungsalltag. Es ist also gar nicht so lange her, wie wir heute zu glauben versucht sind. Und gerade die Zeit wurde knapp. Das Fernsehen war in jener Zeit das drückende Gespenst, der Zeitung drohte der Aktualitätsbezug verlorenzugehen. Der Lebensstil der Leser begann sich in vielen Ländern zu verändern. Die Zeitung suchte nach einer neuen Identität, wie man heute sich ausdrücken würde. In der Luft lag denn auch eine revolutionierende Umstellung in den Vorstufen, Computer und Elektronik sollten mit immenser Schnelligkeit Eingang in Zeitungs-Redaktionen und -Setzereien finden.

Es war eigentlich eine logische Konsequenz, an den Filmsatz anschließend, für den Zeitungsdruck auf das Flachdruckverfahren, auf Offset überzugehen. Sollte also die Zeitung auch künftighin im vertrauten Hochdruck oder in Offset gedruckt werden, das immerhin eine verbesserte Druckqualität versprach? Ein Expertenstreit entbrannte zwischen beiden Druckverfahren und um ihre Eignung für den Zeitungsdruck.

Im Brennpunkt stand die Makulatur, die im Offset damals höher ausfallen mußte; Bedenken wurden bekundet zur Verfahrensbeherrschung im Drucksaal, wegen des im Offset erforderlichen Farb-/W asser-Gleichgewichtes und die dafür erforderliche Druckerumschulung. Für den Offset aber sprachen schon die absehbare Steigerung der Druckqualität, der einfachere Farbendruck, die schnellere und billigere Plattenherstellung. Zwar wurde allgemein erkannt, daß die Zeitung sich auch punkto Wiedergabequalität steigern müßte und daß es angezeigt wäre, Farbe in die Zeitung zu bringen. 1965 war dennoch die vorherrschende Expertenmeinung auf den Hochdruck eingeschworen, die Fronten begannen eigentlich erst zwischen 70 und 75 aufzuweichen.

Die hervorstechendste konstruktive Pionierleistung in Europa vollzog der damalige „Wifag"-Oberingenieur Paul Heimlicher. Als Holzmodelle im Maßstab 1:10 wurden seine revolutionierenden Gedanken auf einem Tisch an der „Drupa" 1967, der großen internationalen Leistungsschau der Zulieferer der Druckindustrie, präsentiert. Es war die erste öffenfliche Vorstellung eines Konzeptes für umsteuerbare Druckeinheiten.

Doch darf nicht unerwähnt bleiben, daß „Man"-Chefkonstrukteur Hans Bayer in etwa zeitgleich ähnliche Gedanken bewegt haben müssen. Jedenfalls liefen 1970, ungefähr zur gleichen Zeit, eine erste „Wifag" in Stockholm, quasi ab Holzmodell bestellt, und eine erste „Man"-Pilotma-schine in Hamburg an.

Eindeutig als erster kreierte Heimlicher den besonders flexiblen „stehenden 10-Zylinder". Ein Konzept, das inzwischen allgemeines Konstruktionsprinzip aller europäischen Hersteller ist, wenn auch lange allein von „Wifag", dafür umso überzeugter vertreten.

Überhaupt wurde die Maschinenfabrik „Wifag" einige Jahre mit ihrem frühen überzeugten Engagement für den Zeitungsoffset in Drucker- und Verlegerkreisen schief angesehen. Verständlich aus der Sicht, daß der Übergang auf Offset einen Ersatz des Maschinenparkes voraussetzte, also Investitionen in bisher für Druckereien ungeahnter Höhe. Aber es fanden sich Verleger, die ihre Zeitungsbetriebe auf Offset umstellten.

Im letzten Drittel dieser betrachteten Zeitspanne steigerte sich die Nachfrage nach Farbe in der Zeitung in einem Ausmaß, das die Zeitungsdruckereien überraschte. Bestehende Anlagen mußten allerorten um zusätzliche Farbwerke erweitert werden. Das vorausschauende Konzept der zwischenzeitig eingeführten Sechsertürme, wie Druckeinheiten mit sechs Färb- und Druckwerken bezeichnet werden, erwies sich als goldrichtig.

Doch schon ergab sich die Frage nach dem „Wie weiter?". Während in der Folge die meisten Herstellereinen Achterturm verfechten, bei dem die Papierbahn vertikal durch vier Stapeldruckwerke verläuft, geht „Wifag" wiederum eigene Wege. Zwar auch mit acht Farbwerken in einem Turm, aber unten als stehendem 10-Zylinder, oben als Satellit ausgebildet und Zwillings-Satellitenturm getauft.

Denn an der Schwelle zum neuen Jahrhundert muß besonders vorausschauend investiert werden. Und alles deutet darauf hin, daß noch höhere Qualität, Produktionssicherheit, Flexibilität bei noch gesteigerter Leistung gefragt sind. Die „Wifag"-In-genieure waren sich jedenfalls einig, daß ein neuer Maschinentyp anstand, bei dem keinerlei Konzessionen an die Druckqualität gemacht werden durften.

Pünktlich zur700-Jahrfeier der Eid-genossenschaft druckbereit stand am 1. August 1991 in der Ringier-Druk-kerei in Adligenswil der Prototyp, die erste Offsetmaschine dieser Konfiguration, die „Wifag OF 790", inzwischen auf vier Maschinen angewachsen. Aber vorher bereits hatte sich die „Styria" in Graz ebenfalls zur Anschaffung einer „Wifag OF 790" entschieden, die denn auch nur ein knappes Jahr nachdem Prototyp in Produktion geht. Eine Druckerei in Finnland wird die nächste solche Zeitungs-Offset-Rotation erhalten.

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