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Vom Faustkeil zum Salzmann
Otto H. Urbans Urgeschichte-Führer ist ein gutes Lese- und Nachschlagewerk und könnte der heimischen Forschung mehr vom dringend benötigten Goodwill verschaffen.
Otto H. Urbans Urgeschichte-Führer ist ein gutes Lese- und Nachschlagewerk und könnte der heimischen Forschung mehr vom dringend benötigten Goodwill verschaffen.
Ein Wegweiser in die Urgeschichte soll dem Wissen über unsere älteste Geschichte auf die Sprünge helfen. Otto H. Urban wußte das Problem, Basisinformation zu bieten, ohne Leser mit Vorkenntnissen zu langweilen, auf optimale Weise zu lösen. Er erklärt alle Fachausdrük- ke, sein Werk ist gut geschrieben und einprägsam illustriert, urge- schichtliche Wander wege animieren zum Lokalaugenschein.
Seine Tabellen der Kulturen und Kulturgruppen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit (Seite 252/ 53) gehören fotokopiert und in Museen und Ausstellungen mitgenommen.
Eine gute Idee: Der „Junior- Wegweiser in die Urgeschichte Österreichs“. Er verrät Gespür für Kinder und Witz: „Vor 1000 Jahren, als Österreich erst seit ei-
nigen Jahrzehnten bestand und noch etwas kleiner war als heute, lebten deine Ururururururururur- urururururururururururururur- ururururgroßeltern. Deren Ur- urururururururururururururur- ururururururururururururgroß- eltern lebten, als die Römer in unser Gebiet kamen und die ersten Städte gründeten: Carnuntum, Vindobona (das heutige Wien), Brigantium (Bregenz). Noch viele Jahrtausende zurück geht es bis zum Beginn der Reise. Rund 250.000 Jahre alt sind die ältesten archäologischen Funde, die jemals in Österreich gemacht wurden. Seit damals hast du rund 2.500 direkte Vorfahren in einer Linie. Das Wort, das diese Urahnen bezeichnen würde, also Urur… großeitern, wäre ausgeschrieben 15.000 Buchstaben lang und würde etwa 5 Seiten dieses Buches umfassen.“
Viele Österreicher wissen mehr über Delphi, Knossos oder Pompeji als über die Bronze- und Hallstattzeit. Gründe dafür gibt es viele: Die Grabungen im Mittelmeerraum liegen nahe den Stränden der Sonnenanbeter und stellen „touristische Mitnahmeartikel“ dar. Sie gelten seit langem als klassisch. Die Ausgrabungen im Mittelmeerraum förderten Bauwerke und Kunstschätze zutage, mit denen sich die heimischen nicht messen können. Aber auch mit Steinzeit-Denkmälern wie Stonehenge in Wales oder den Dolmen und Menhiren der Bretagne können wir nicht aufwarten. Da in Österreich vor allem Grabfunde gemacht wurden (und weiter gemacht werden) und von großen Wehrbauten meist nur Spuren in der Landschaft erhalten blieben, ist an den Fundstellen selbst, mit Ausnahme römischer Ausgrabungsstätten wie Carnuntum, wenig Spektakuläres zu sehen.
Interesse für Österreichs Urgeschichte weckt man also nicht durch kolossale optische Eindrücke, sondern indem man Lust auf das Begreifen von Zusammenhängen und Querverbindungen sowie Anteilnahme für die Probleme der Forschung weckt. Die sind groß genug. An vielen Stellen beginnt, wenn plötzlich Knochenreste, Scherben verzierter Tongefäße oder von den Bodensäuren zerfressene Metallgegenstände in der Baggerschaufel liegen, ein verzweifeltes Wettrennen. Die Lage jedes Stückes soll festgehalten werden. Archäologische Arbeiten brauchen heute mehr Zeit als je zuvor. Andererseits sollen die Arbeiter - und auf Funde stößt man meistens bei Erdbewegungen - möglichst wenig behindert werden.
Österreich verfügt mar über ganze 28 (!) festangestellte Prähistoriker: je fünf bei Denkmalamt und Museen, 10 universitäre, acht bei den Ländern - gegenüber 90 allein in der Slowakei oder 50 bis 60 in Bayern.
Interesse an heimischer Urgeschichte bei möglichst vielen Menschen könnte Vorbeugen, daß Funde, damit keine Verzögerung eintritt, einfach „übersehen“ werden. Der neue „Wegweiser“ ist geeignet, solches Interesse zu wek- ken. Hoffentlich findet er auch das der Lehrer und Volksbildner.
Eine tragfähige Lösung, meint Urban, könnte nur vom Gesetzge ber kommen, etwa in der Form, daß zumindest die öffentlichen Hände als Bauherren bei Bodenfunden für die Kosten der archäologischen Untersuchungen aufzukommen haben. Sie betragen maximal ein bis zwei Prozent der
Baukosten - wenig angesichts der Aufwendungen für Großprojekte, zu viel für unsere mit einem Bettel abgespeiste Urgeschichtsforschung. Mit diesen Kostenerstattungen könnte die Arbeit freiberuflicher Forscher finanziert wer den. Die Beschleunigung der Arbeiten würde den Bauherren wohl mehr Geld sparen als sie kostet.
Urgeschichte ist voll offener Fragen. Warum der Salzabbau in der Hallstätter Nordgruppe, im zehnten Jahrhundert noch voll im Betrieb, plötzlich eingestellt und im achten Jahrhundert vor Christus, am Beginn der Hallstattzeit, wieder aufgenommen wurde, ist so rätselhaft wie das Wesen mittelsteinzeitlicher Schädelkulte. Der Fund zahlreicher weiblicher Skelette ohne Schädel in auffallend reich ausgestatteten Bestattungen im Gräberfeld von Zengö- varkony öffnet, so Urban, Spekulationen Tür und Tor.
Manche Funde wurden einfach zu früh gemacht: Hätte man vor 250 Jahren, als man auf die vom Salz konservierte Leiche eines prähistorischen Hallstätter Bergmannes stieß, einen solchen Fund schon konservieren können, wüßten wir mehr über Kleidung und Aussehen der Menschen in der Zeit der Hallstattkultur. Unserer Zeit wird man wohl vorwerfen, sie habe mit ihren Baggern mehr zerstört als alle vor ihr.
WEGWEISER IN DIE URGESCHICHTE ÖSTERREICHS. Von Otto H. Urban. Bundesverlag. Wien 1989.292 Seiten, viele Bildtf, Kt., öS 390,-. JUNIOR-WEGWEISER IN DIE URGESCHICHTE ÖSTERREICHS, 32 Seiten, viele Bilder, öS 98,-.
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