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Vom Leben und (Aus)Sterben der Saurier

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Noch vor wenigen Jahren standen Dinosaurier für eine träge und unflexible Politik. Moderne Politik dagegen bot das Bild der bunten Vögel. Ob die Politiker sich damals bewußt waren, daß unsere Vögel heute die direkten Nachfahren dieser urzeitlichen Reptilgruppe sind?

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Noch vor wenigen Jahren standen Dinosaurier für eine träge und unflexible Politik. Moderne Politik dagegen bot das Bild der bunten Vögel. Ob die Politiker sich damals bewußt waren, daß unsere Vögel heute die direkten Nachfahren dieser urzeitlichen Reptilgruppe sind?

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Heute würde kaum jemand Saurier als träge und unflexibel hinstellen. Um die Lieblinge vieler Kinder hat sich ein wahrer Kult gebildet, seit sich die Traumfabrik Hollywood des Themas angenommen hat und die Tiere als gefährliche und hochintelligente Gegner präsentiert. Die in Steven Spielbergs Film „Jurassic Park” gezeigten Saurier entsprechen nicht immer den wissenschaftlichen Erkenntnissen, sind aber eine ganz gute Näherung und zeigen das geänderte Bild der ausgestorbenen Tiergruppe.

Die Paläontologie, also die Lehre über Lebewesen der Vorzeit, hat in den letzten Jahrzehnten viele neue Entdeckungen gemacht. Vor etwas mehr als hundert Jahren glaubte man noch, es handle sich bei Sauriern um zu groß geratene Eidechsen, die es verdienen, in der Sintflut ertrunken zu sein. Mittlerweile kennt man über 300 verschiedene Gattungen von Sauriern und hat dabei festgestellt, daß diese Tiere in ihrer Vielfalt unseren heutigen in nichts nachstanden.

Spricht man .von Dinosauriern, meint man landlebende Formen. Die Fischsaurier, wie zum Beispiel der Ichtyosaurus, gehören in eine eigene Gruppe. Ebenso die Flugsaurier, zu denen Besonderheiten wie der Quet-zalcoatlus gehört, der eine Flügelspannweite von 12 Meter hatte!

Diese Tiere haben in ihrer Zeit, also zwischen 250 bis 65 Millionen Jahren vor heute, fast alle ökologischen Nischen besetzt. Sie waren Fleischfresser wie auch Pflanzenfresser, ihre Größe konnte zwischen 15 Zentimeter und 26 Meter schwanken. Ob sie warmblütig waren, also ob sie eigenständig Wärme erzeugen konnten und nicht von der Umgebungstemperatur abhängig waren, darüber wird heute noch gestritten. Aber kaltblütig, wie unsere heutigen Reptilien, waren sie mit ziemlicher Sicherheit nicht, zumal ihre nächsten Verwandten die Vögel auch warmblütige Lebewesen sind! Triceratopse zum Beispiel lebten in Herden wie Nashörner. Andere waren Einzelgänger, zum Beispiel der Tyrannosaurus. Es gab zweibeinige ebenso wie vierbeinige Formen.

Es gab Formen, die im Rückgrat ein zweites Nervenzentrum hatten, damit Reflexe trotz ihrer gigantischen Länge noch gut funktionierten. Allerdings handelte es sich dabei keineswegs um ein zweites Gehirn, wie oft falsch interpretiert wurde. Und es gab flinke Jäger. Sie waren mit einer großen beweglichen Kralle an jedem Fuß ausgestattet, mit der sie ihre Beutetiere aufschlitzen konnten.

Urgeschichtliche Wölfe

Über ihr Verhalten kann man nur Vermutungen anstellen. Man fand mehrere Skelette von solche Jägern, gemeinsam mit einem Skelett eines Beutetieres. Wahrscheinlich jagten diese Tiere im Rudel und diese Gruppe ist bei der Jagd gemeinsam mit ihrer Beute abgestürzt. Diese Rapto-ren waren nicht sehr groß, hatten aber ein erstaunlich großes Gehirnvolumen. Darum nimmt man an, daß sie intelligent waren. Wahrscheinlich wären sie in ihrem sozialen Verhalten mit einem Wolfsrudel zu vergleichen.

Man hat in der Mongolei Nester mit Eiern und Pflanzenresten gefunden. Wahrscheinlich waren diese Nester mit Pflanzen zugedeckt gewesen, um eine gleichmäßige Temperatur beim Ausbrüten der Eier zu gewährleisten. Auch heute ist dieses Verhalten bei manchen Vögeln zu beobachten. Dadurch nimmt man an, daß sich diese Tiere um ihren Nachwuchs gekümmert, also Brutpflege betrieben haben. Daher nennt man diese Gruppe auch Maia(=Mutter)saurier.

Natürlich ist das Erlöschen der Saurier immer wieder ein beliebter Diskussionspunkt. Denn es ist rätselhaft, wie eine Tiergruppe, die soviele Jahrmillionen die Erde dominiert hat, plötzlich verschwindet.

Dazu gibt es zwei Theorien. Die eine bezieht sich auf das fast weltweit gefundene Gesteinsband mit einer hohen Iridiumkonzentration, das oberhalb der jüngsten Saurierfunde liegt. Iridium ist ein sehr seltenes Element, welches nur im Erdinneren vorkommt, oder in Meteoriten.

Diese Katastrophentheorie des amerikanischen Physikers Alvarez nimmt, wie der Name schon sagt, einen Katastrophenfall in Form eines Meteoriten an. Dieser soll am Ende der Kreidezeit, also vor 65 Millionen Jahren auf der Erde aufgeschlagen haben. Dadurch wäre eine gigantische Staubwolke mit hohem Iridiumgehalt in die Atmosphäre geschleudert worden. Die Sonnenstrahlen konnten dann nicht mehr durchdringen, das Klima wäre kälter geworden. Manche glauben hingegen, der Treibhauseffekt setzte ein und es wäre wärmer geworden. Bei dieser Umstellung wären die Pflanzen abgestorben. Dadurch wären die Pflanzenfresserverhungert und in weiterer Folge auch die Fleischfresser. Später hätte sich die Staubwolke mit dem Iridium langsam wieder gesetzt, und dieses charkteristische Band in den Gesteinsschichten hinterlassen.

Theorie mit Unklarheiten

Ein Endzeit-Szenario dieser Form erklärt aber leider nicht, warum unsere Vorfahren, die kleinen mausartigen Säugetiere, es überlebt haben. Ebenso haben eine ganze Reihe von Fischen, Amphibien und Vögel, abgesehen von den primitiveren Verwandten der Dinosaurier, wie den Krokodilen, es überlebt.

Weiters haben Alvarez und seine Gruppe immer noch Schwierigkeiten den Einschlagskrater genau zu lokalisieren. Momentan ist der Golf von Mexico der Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Man hat bereits Tektite am Rand des Golfes gefunden. Es handelt sich dabei um kleine glasartige Gebilde, die beim Aufschlag eines Meteoriten durch die enorme Hitze gebildet und durch die Wucht in die Umgebung geschleudert werden. Diese Stücke geben Rückschlüsse auf das Alter eines Meteoriteneinschlages. Sollten diese Stücke ein Alter von ungefähr 65 Millionen Jahren haben, so ist dies ein wichtiger Beweis für Alvarez' Theorie.

Die zweite Theorie stützt sich hauptsächlich auf fossile Beweise. So ist aufgrund der Funde belegt, daß die Blütezeit der Dinosaurier in einem Zeitraum zwischen 144 und 65 Millionen Jahre vor heute war. Das bedeutet, das hier die meisten Arten gelebt haben. Gegen Ende der Kreide nimmt diese Artenvielfalt langsam ab. Dies ging keineswegs plötzlich. Man spricht hier von Zeiträumen von mehreren Millionen von Jahren. Gegen Ende der Kreidezeit war nur mehr ein kleiner Bestand der einstigen Arten vorhanden. Allerdings stammen aus dieser Zeit die bekanntesten Funde, wie zu Beispiel der Tyrannosaurus oder der Triceratops, deren Verschwinden mehr Aufsehen erregt, als das vieler unbekannter Gruppen.

Der nächste lebende Verwandte ist der Nautilus, auch als das Perlboot bekannt. Diese Gruppe erlosch ebenfalls am Ende der Kreide. Nachdem es sich hier um im Meer lebende Tiere handelt, muß ein gemeinsamer Faktor gefunden werden, der sowohl die Dinosaurier am Land wie auch die Ammoniten im Wasser betrifft.

Es gab in dieser Zeit, Jura bis Kreide, gewaltige geographische Veränderungen: der Atlantik entstand durch die Trennung von Afrika und Südamerika, die Alpen begannen sich aufzufalten und wurden aus dem Meer gehoben, das riesige Binnenmeer zwischen Rocky Mountains und Appala-chen trocknete aus. Man kann sich vorstellen, daß dabei die Tier- und Pflanzenwelt nicht unberührt blieb.

Diese graduellen Veränderungen könnten auch das graduelle Abnehmen der Saurier und der Ammoniten erklären. Möglicherweise hätten einige wenige Gruppen dieser eindrucksvollen Reptilien noch etwas länger existiert, wenn der Meteorit nicht eingeschlagen hätte, falls er es überhaupt tat, aber sicher nicht mehr lange. Diese Tiere waren großteils Spezialisten auf ihrem Gebiet und wie bei jedem Spezialisten ist eine Umstellung auf neue Verhältnisse nur schwer bis gar nicht möglich.

Doris Nagel ist Assistentin am Wiener Institut für Paläontholgie.

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