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Vom Mini-Heer zur Maxi-Wehr
Richard Piatys „Aktion jur Österreich" legte kürzlich (FURCHE 30/1981) ein Grundsatzpapier zum Thema Landesverteidigung vor. Zweifellos handelt es sich dabei insgesamt um Maximalforderungen. Unzweifelhaft wird aber jetzt für die Landesverteidigung nur ein Minimum getan. Der Weg vom Mini-Heer zur realistischen Maxi-Wehr liegt sicher in der Mitte. Und deshalb verdienen es die Vorschläge, diskutiert zu werden.
Richard Piatys „Aktion jur Österreich" legte kürzlich (FURCHE 30/1981) ein Grundsatzpapier zum Thema Landesverteidigung vor. Zweifellos handelt es sich dabei insgesamt um Maximalforderungen. Unzweifelhaft wird aber jetzt für die Landesverteidigung nur ein Minimum getan. Der Weg vom Mini-Heer zur realistischen Maxi-Wehr liegt sicher in der Mitte. Und deshalb verdienen es die Vorschläge, diskutiert zu werden.
Erxtreme ziehen einander an. Eigentlich logisch daher, daß die gegenwärtige Verteidigungspolitik, die die Verpflichtung des Neutralitätsgesetzes (siehe Kasten) auf Minimalanstrengungen reduziert hat, eine Gegenbewegung provoziert. Und die von Ärztekammerpräsident Richard Piaty im heurigen Frünjahr gegründete konservativ-freiheitliche „Aktion für Österreich“ fühlt sich provoziert.
Ihre Vorstellungen sind freilich nicht minder provokant: Sie stellen einen maximalen Forderungskatalog dar, der in seiner Gesamtheit sicher unrealistisch ist.
Unrealistisch ist sicherlich die von der „Aktion“ erhobene Forderung, den Präsenzdienst von derzeit sechs Monaten und 60 Tagen Übungen oder acht Monaten auf zwölf Monate zu verlängern, woran sich für den einzelnen bis zum 35. Lebensjahr auch noch jährliche Waffenübungen in der Dauer von mindestens zwölf Tagen anschließen sollen.
Dabei geht es nicht darum, daß derartige Wünsche, was auch Piaty und Divisionär Alexander Kragora bei der Präsentation im Juli betonten, nicht populär sind. Vielmehr machen es solche Forderungszahlen allen Aktions- und Verteidigungsgegnern leicht, auch an dere, durchaus bedenkenswerte Vorschläge zum Thema vom Tisch zu wischen.
Die „Aktion“ liegt beispielsweise richtig, wenn sie auf eine Änderung des Zivildienstgesetzes drängt. Für jene Zivildiener, die zwar nicht die Landesverteidigung an sich, sondern nur ihren persönlichen Dienst mit der Waffe ablehnen, ist der Vorschlag, einen Militärdienst ohne Waffe einzuführen, überlegenswert.
Piaty gesteht freilich Zivildienern auch zu, ebenso diesen Dienst abzulehnen. Aber Vorschläge, wie diese Zivildiener dann in die zivile Landesverteidigung auch ausbildungsmäßig einzubinden wären, bleibt der Verein schuldig. Dabei gäbe es im Bereich des zivilen Luft- und Katastrophenschutzes unzählige Möglichkeiten, auch Anhänger der gewaltfreien Verteidigung zu verpflichten und auszubilden.
Dafür schlagen die Piaty-Mannen vor, einen unbewaffneten militärischen Hilfsdienst für Frauen auf freiwilliger Basis einzuführen, etwa für den Sani- täts-, Fernmelde-, Kraftfahr- und Verwaltungsdienst.
Das ist nicht neu. Und es ist auch noch nicht aktuell. Vielleicht aber ist die „Aktion“ gerade in diesem Punkt der Zeit und den Verteidigungspolitikern voraus.
Denn durch den sogenannten Pillenknick wird in den neunziger Jahren dem Bundesheer - wenn sich der Anteil der Untauglichen und der Zivildiener noch dazu ähnlich wie bisher entwickelt - nur noch die Hälfte der erforderlichen Präsenzdiener zur Verfügung stehen.
Recht ist Piaty auch zu geben, wenn er den Zustand des Zivilschutzes kritisiert („eine Achillesferse der österrei chischen Landesverteidigung“) und dessen bundeseinheitliche Regelung fordert. Nicht unproblematisch ist freilich der damit verbundene Vorschlag, die Länder aus ihrer Verantwortung zu entlassen und die Kompetenzen dem Bund zu übertragen.
Höchst unpopulär sind in der gegenwärtigen Phase aber sicher auch zwei weitere zentrale Aktions-Forderungen: Eine modernere Rüstung für das Bundesheer und eine Aufstockung des Verteidigungsbudgets.
Um Österreichs Neutralität abzusichern und eine wirksame Landesverteidigung zu gewährleisten, urgieren die Konservativ-Freiheitlichen Abfangjäger für die Luftraumverteidigung, eine Modernisierung der Luft- und Panzerabwehr mit Raketen (Kragora: „Über die Rüstungsbeschränkungen des Staatsvertrages sind mit den Signatarmächten unverzüglich Interpretationsverhandlungen aufzunehmen“) und einen Ausbau der defensiven Landesbefestigung.
All das sollte mit einem Verteidigungsetat finanziert werden, das schrittweise auf zehn Prozent der jeweiligen Gesamtbudgets - „wie dies auch in anderen neutralen Staaten üblich ist" (Piaty) - angehoben werden soll.
Freilich hält die Aktion alle materiellen Aufwendungen für die Landesverteidigung für sinnlos, wenn es nicht gelingt, gleichzeitig das Bewußtsein und die Bereitschaft für die Verteidigung von Unabhängigkeit und Freiheit in der Bevölkerung fest zu verankern. Also: Förderung der Geistigen Landesverteidigung.
Sicher ist, daß diese Forderungen in ihrer Gesamtheit von keiner der im Nationalrat vertretenen Parteien Unterstützung erfahren werden. Ebenso sicher ist, daß Arzt Piaty mit seiner Diagnose recht hat: „Wir sind in punkto Sicherheit unterversorgt.“
Über die vorgeschlagene Therapie läßt sich streiten: Damit ergäbe sich aber eine umfassende Verteidigungsdiskussion, der wir in Österreich schon zu lange ausgewichen sind.
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