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Vom „Resttrauma zum Alptraum

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1938 wird auch medial zu bewältigen sein: Vor 50 Jahren marschierte Hitler in Österreich ein. Auch am Küniglberg arbeitet man an der Vergangenheitsbewältigung.

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1938 wird auch medial zu bewältigen sein: Vor 50 Jahren marschierte Hitler in Österreich ein. Auch am Küniglberg arbeitet man an der Vergangenheitsbewältigung.

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Nicht nur viele Österreicher der Kriegsgeneration fürchten sich vor peinlichen Entdeckungen bei der Aufarbeitung der Hitler-Vergangenheit, auch im ORF sieht man 1988 mit gemischten Gefühlen entgegen. „Weniger kann mehr sein“, meint ORF-Informationsintendant Johannes Kunz zum Schwerpunkt 1938. So wenig hat allerdings der ORF zu diesem Thema weder an Quantität noch an Qualität zu bieten.

Eine fünfteilige Dokumentarfilm-Reihe von Werner Fitzthum und Robert Sterk mit dem Titel „Heimat bist du...“ beschäftigt sich mit Österreichs Entwicklung in der Zweiten Republik. Anhand von Berichten über Persönlichkeiten aus dem sozialen, politischen und künstlerischen Leben, aber auch über Durchschnittsfamilien, soll ein positives Bild von Österreich gezeichnet werden. Von den „Unternehmern“, „Aufsteigern“ und „Die Arbeit hoch“ arbeiten sich die Autoren bis zu den „Funktionären“ und den Prominenten „Uber den Wolken“ empor. Hoffentlich entsteht dabei nicht Schönfärberei im peinlichen Stil der Mozart- und Lipiz-zaner-Fremdenverkehrswer-bung.

In der Serie „Erinnerungen“ wird Johannes Kunz mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Josef Holaubek, mit Gewerkschaftspräsident Anton Benya und mit Otto Habsburg sprechen.

Den wohl wichtigsten Beitrag zur Aufarbeitung österreichischer Vergangenheit liefert Hugo Portisch mit seiner zwölfteiligen „Österreich I“-Serie. Die beiden ersten Folgen, die sich mit dem Ende der Monarchie und den Anfangsschwierigkeiten der Ersten Republik befassen, sind bereits im Kasten.

Es soll verdeutlicht werden, daß die Auflösung der Monarchie nicht ein plötzlicher Umsturz, sondern das Ende einer kontinuierlichen Entwicklung war. Behandelt werden ebenso die Friedensverhandlungen nach 1918, die Schwierigkeiten bei der Festlegung der Grenzen des neuen Osterreich und die zerrissene innenpolitische Lage.

„ .Osterreich I' ist schwieriger zu gestalten als .Osterreich II', weil wir das Material für Menschen umsetzen müssen, die meistens keinen persönlichen Bezug mehr dazu haben“, meint Hugo Portisch über die Ausgangsbasis der Sendereihe.

Die dritte Folge befaßt sich mit der Abwanderung eines Großteils der geistigen Elite des Landes zwischen 1921 und 1927 und mit den nationalen und ethnischen Problemen des „Resttraumas“ Osterreich. Vom Justizpalastbrand und dem Bürgerkrieg bis zur ersten Einflußnahme Hitlers und dem Rücktritt Kurt Schusch-niggs erfährt man in zwei weiteren Beiträgen, ebenso wie über den „Anschluß“ und den Weg in den Krieg.

Die Folgen „Die Österreicher im Krieg“, „Österreich in der Emigration“, „Verfolgung und Widerstand“ und „Österreichs Wiedergeburt im Krieg“ arbeiten weitere Teile der Vergangenheit auf. Aus der Emigrationszeit berichten Dutzende Augenzeugen, und in den „Österreich I“-Archiven stapeln sich über viele Wände meterhoch Filmrollen über diese Zeit. Sie stammen meist aus dem Ausland,

Nach Interventionen und Fürsprachen von Altbundespräsident Rudolf Kirchschläger und Altbundeskanzler Fred Sinowatz stehen dem Wissenschaftlerteam von „Österreich I“ nun wichtige Archive in Moskau offen. Aber nicht immer ist der Film das eindrucksvollste Dokument, „da gibt es alte Fotos, die werfen einen einfach um“, meint Hugo Portisch, „die sagen oft mehr als ein ganzer Film“.

Die vielhundertjährige Geschichte der Juden in Österreich, von 1190 bis 1938, arbeitet Wolfgang Plat in einer vierteiligen Do-kumentar-Serie auf. Alfons Dal-ma wird — im Sinne des größeren Mitteleuropa vor 1918 - „Städtebilder aus Mitteleuropa“ präsentieren.

Zum Thema Hitler und „Anschluß“ wird es einen „Jugend-Club-2“, einen „Club 2“ und „Nachtstudios“ geben, und das Leben eines Kindes in der Zeit von 1934 bis 1938 beschreibt das Dokumentarspiel „Trostgasse 4“. Weiters stehen Produktionen über Hitlers Museumspläne in

Der „Führer“ vor dem Burgtheater Linz, über das Vorhaben einer Umgestaltung Wiens, über das emigrantenfreundliche Züricher Schauspielhaus und eine Franz-Werfel-Biographie auf dem Programm. Auch in Franz Kreuzers filmischer Aufarbeitung „100 Jahre Sozialdemokratie“ werden der .Anschluß“ und seine Voraussetzungen thematisiert.

Stimmung und Kultur um die Jahrhundertwende versucht Jürgen Kaizik in der vierteiligen Serie „Versuchte Heimkehr“ einzu-fangen und streift damit nur am Rande die „Anschluß“-Thematik, ebenso wie Sendungen über die Partisanen unddie Zigeuner.

„Man muß der sehr tragischen Ereignisse in würdiger Form gedenken“, meint Johannes Kunz. Trotzdem bleibt die Angst der Verantwortlichen, bei dieser Gelegenheit könnten etwaige „Leichen im Keller“ zum Vorschein kommen.

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