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Vom Zaun gebrochen
Die Diskussion über den Kirchenbeitrag, mit Emotion geführt, deckt neben manchen sachlichen Argumenten viel Ressentiments und falsche Vorstellungen auf. Einige Beispiele dafür:
Bestimmte Medien brechen diese Debatte bei jeder Gelegenheit vom Zaun. Jüngst hat der „Verein Österreichischer Steuerzahler” jubiliert. Eine Journalistenfrage am Bande löste sofort eine Spitzenmeldung im OBF und ein hochrangiges Studiogespräch aus.
Die Entstehung des heutigen Kirchenbeitragsgesetzes wird so dargestellt, als hätte die Kirche vor 1938 nur von Spenden gelebt, Hitler ihr aber das „Geschenk” einer „Steuer” gemacht. Vor 1938 hat der Staat weitgehend die Kosten kirchlicher Tätigkeit getragen, nicht weil er so freigiebig war, sondern weil er seit Josef II. kirchliches Vermögen (leider schlecht) in einem Fonds verwaltete. Hitler zog noch verbliebene Güter ein und wollte mit seinem Gesetz die Kirche ruinieren, da er den Österreichern nicht zutraute, daß sie zahlen würden. Im Widerstand haben aber die Christen ihren Kirchen die Treue besonders bewahrt.
Noch immer glaubt man, die Kirche sei ohnehin reich und verweist auf große Bauten, Kunst- und Kulturschätze. Die Erhaltung der Bauten kostet viel, die Schätze dürfen (gesetzlich geregelt) nicht veräußert werden. Die Kirche lebt zu weit über 80 Prozent nur von Kirchenbeiträgen.
Viele Getaufte wollen ihre Kirchenmitgliedschaft nicht öffentlich bekennen, das hat die Debatte um das neue Meldegesetz gezeigt. Wie das auf Nichtglauben-de wirkt, daß die Zugehörigkeit zu einer Bekenntnisgemeinschaft „datengeschützt” vor anderen verheimlicht werden soll? Müssen sie nicht glauben, es ginge nur darum, sich so solidarischer Leistungen entschlagen zu können?
Sehr kritisch wird immer gefragt, was die Kirchen ihre Mitglieder, ja sogar den Steuerzahler kosten. Viel seltener fragt man, was die Kirchen leisten: auf sozialem Gebiet, auch im Wecken sozialer Gesinnung; kulturell, nicht nur als Hüter eines großen Erbes, sondern in zeitgemäßer Bildungsarbeit; geistig, indem sie einer nach Sinn fragenden Gesellschaft Orientierung anbietet. Vielleicht könnte die permanente Kirchenbeitragsdebatte auch Anlaß sein, über diese Fragen nachzudenken.
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