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Digital In Arbeit

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Der erste Montag im September, in den USA als „Tag der Arbeit“ ein Feiertag, war in Präsidentschaftswahljahren jahrelang der Zeitpunkt gewesen, an dem die mächtigen Gewerkschaften ihre Mitglieder und ihre beachtlichen Geldmittel zugunsten des Kandidaten der Demokratischen Partei mobilisierten. So war es noch 1968 gewesen, als die in New York abgehaltene „Labor Day“-Pa-rade den Wahlkampf Hubert Hum-phreys eröffnete. Auch war es zur Tradition geworden, daß sich an diesem Feiertag der Kandidat der Demokraten unter die Arbeiter auf dem „Cadillac Square“ in Detroit mischte.

Heuer war dies anders. Auf dem Bundeskonvent der Demokratischen Partei in Miami Beach war den traditionsbewußten Gewerkschaftsführern die Mitbestimmung verwehrt worden. Erstmals in der jüngeren Geschichte weigerte sich daraufhin der Gewerkschaftsverband AFL-CIO, sich hinter den Kandidaten der Demokraten zu stellen. Der Exekutivausschuß respektierte den Willen des AFL-CIO-Präsidenten George Meany und distanzierte sich sowohl von Richard Nixon als auch von George McGovern.

An diesem „Tag der Arbeit“ hat Meany nun erklärt, er persönlich werde sich am 7. November der Stimme enthalten. Senator McGovern — von Meany übrigens als „Apologet der kommunistischen

Welt“ apostrophiert — zeigte sich nicht auf dem „Cadillac Square“ in Detroit, ein Verhalten, zu dem auch die Erkenntnis beigetragen haben mag, daß sich die Arbeiter nicht mehr auf diesem Platz sammeln, sondern lieber mit Kind und Kegel einen Badeausflug machen.

Wallace schweigt

McGovern trat dennoch in drei verschiedenen Bundesstaaten auf, und zwar in South Carolina vor den Gouverneuren des Südens und bei Gewerkschaftstreffen in Ohio und Kalifornien. Vor den Arbeitern beschuldigte er Präsident Nixon der

Begünstigung des „big business“, also der großen Unternehmer. Inzwischen gab Präsident Nixon in seinem im kalifornischen San demente gelegenen „zweiten“ Weißen Haus eine Erklärung ab, derzufolge sich die Wähler zwischen „der Arbeitsethik, die den Charakter unserer Nation bestimmte, und der Wohlfahrtsethik, die den amerikanischen Charakter schwächen könnte“ würden entscheiden müssen.

Was die 17 in Gegenwart von McGovern versammelten Gouverneure der Südstaaten anlangt, sprach sich nur der Gouverneur von North Carolina, Robert W. Scott, voll und ganz für ihn aus. Er war zugleich der einzige, der meinte, in seinem Bundesstaat werde der Kandidat der Demokraten als Sieger hervorgehen. Die Strategen von McGoverns Wahlkampf waren jedenfalls enttäuscht, denn aus einer geschlossenen Unterstützung durch die südlichen Gouverneure wurde offenbar nichts. Besonders entmutigend für McGovern und seine Leute war das Schweigen des seit einem Attentat gelähmten Alabama-Gouverneurs George Wallace, der in einem Rollstuhl an der Konferenz teilnahm. Viele erblicken nämlich in Wallace sozusagen den Schlüssel zum Denken und Fühlen der Wähler im tiefen Süden.

McGoverns Wahlkampfleiter,

Gary Hart, gibt sich aber optimistisch. Er ist der Meinung, daß Präsident Nixons Vorsprung in der Gunst der Wähler, der sich nach den jüngsten Meinungsumfragen auf nicht weniger als 34 Prozent stellt, „weich“ sei und sich bis zum Wahltag „in Nichts auflösen“ werde. Er argumentiert, daß Nixon derzeit bei den Wählern den höchsten Stand erreicht habe und daß daher nur mehr eine Erosion einsetzen könne. Am 20. September werde Nixons Vorsprung nur noch 15 Prozent betragen, am 1. Oktober 10 bis 12, Mitte Oktober 5, am 1. November 0, so daß es am Wahltag ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben könnte.

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