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Von Charme bis Brutalität

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Haben wir noch eine Beziehung zur k. u. k. Monarchie? Steckt noch ein Stück von ihr in uns? Oder sehen wir darauf,wie auf einen Gespenstertanz zurück? Einen Gespenstertanz wie ihn Karl Kraus aufrührt oder einen! nun doch liebenswürdigeren in der Art, des Franz Molnar. Der Charme der Vergangenheit ersteht in Molnars Spiel „Der Schwan“, das derzeit im Theater in der Josef stadt zu sehen ist.

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Haben wir noch eine Beziehung zur k. u. k. Monarchie? Steckt noch ein Stück von ihr in uns? Oder sehen wir darauf,wie auf einen Gespenstertanz zurück? Einen Gespenstertanz wie ihn Karl Kraus aufrührt oder einen! nun doch liebenswürdigeren in der Art, des Franz Molnar. Der Charme der Vergangenheit ersteht in Molnars Spiel „Der Schwan“, das derzeit im Theater in der Josef stadt zu sehen ist.

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Wir lernen die Wirrnisse im Bereich allerhöchster Herrschaften kennen und zu durchschauen. Es sind besonders die Wirrnisse des Prinzeßleins in der Episode mit dem Hauslehrer, wobei man rüde gefragt hat, ob dieses Prinzeßlein, der Schwan, nicht doch eigentlich eine Gans sei. Aus dieser Frage aber ergibt sich, daß uns Molnar hinter der Fassade der Hoheiten die Menschen zeigt in ihren Bedrängnissen und Schwächen, im Tumult der Gefühle. Mehr als in anderen Stücken Molnars wird hier das Herz spürbar, eine Menschlichkeit, die bestrebt ist, Verletztes, wenn es schon einmal geschehen ist, zu heilen.

Man hat dieses Spiel schon als szenische Anekdote, als Witzblatthumoreske vorgeführt, nichts davon unter der Regie von Peter Loqs, diesmal gilt unaufdringlich zu spüren, worauf es ankommt, auf das Menschliche. In so gut wie allen Figuren. Marianne Nentwich hat als die schwanenhafte Prinzessin durchaus das Hoheitsvolle, aber auch die Wärme des später durchbrechenden Gefühls. Den Hauslehrer spielt Thomas Fritsch sehr verhalten, merkbar besorgt, um ja nicht an den früheren Sexteenager zu gemahnen. Vilma Degi-scher ist als Prinzessin Beatrix, als Mutter, die ihre Tochter auf den Thron bringen will, ganz Befehlsgewalt, ganz weibliche Energie. Joama Maria Gorvin glaubt man die Mutter des künftigen Herrschers, sie wirkt

überzeugend in der leichten Art und Noblesse der österreichischen Hoch-aristokratin. Hans Holt hat als Pater Hyazinth, als Beatrixens Bruder, jene ruhige Herzlichkeit, jenes Gefühl, das die Dinge, die verkehrt laufen, wieder einrenkt. Dem Thronfolger gibt Albert Rueprecht vorzüglich das Nonchalante einer Überlegenheit, die keine ist. Auf die noblen, milieugerechten Bühnenbilder von Inge Fiedler und die reizvollen Kostüme der Jahrhundertwende von Eva Sturmin-ger ist zu verweisen.

Bühnenschauspieler leben in unmittelbarem Kontakt mit dem Publikum. Auch bei Stücken, die einer oder der andere schreibt, ist dieser Kontakt spürbar. Das gilt für Shakespeare wie für Nestroy und Curt Goetz. Das gilt aber auch für die Engländer Roy Cooney und John Chapman, die beide Schauspieler waren oder noch sind. Von ihnen wurde bereits ein Schwank in den Kammerspielen aufgeführt, einen zweiten „Move over, Mrs. Markham“, der in Wien „Techtelmechtel“ heißt, sieht man da derzeit. Die erstrebte Wirkung stellt sich mit fast dauerndem Lachen eines Großteils des Publikums ein. Unterhaltung für Anspruchslose. Zwei Ehepaare, zwei Junggesellen und noch sonstiges weibliches Geschwirre rotieren da. Man muß sehr aufpassen, wer gerade mit wem im Bett liegt, doch die Autoren sorgen dafür, daß es zu nichts

kommt. Eine entsprechende Anzahl Türen ermöglicht, rechtzeitig zu verschwinden, um dann doch entdeckt zu werden, kurz, wir sind bei Fey-deau, nur fehlt der artifizielle Reiz seiner überaus präzis wirkenden Situationsmechanik. Vortreffliche Besetzung unter der flotten Regie von Paul Vasil mit Ursula Schult, Elfriede Ott und Erni Mangold,,.mit Sieghardt Rupp, Alfred Böhm und Heinz Marecek in den Hauptrollen.

Id Akademietheater sah man vor fünf Jahren ein Stück von Nikolai Robertotüitsch Erdmann, eine scharfe Satire auf die Mißstände in der Sowjetunion aus dem Jahr 1928. Nun spielt das Volkstheater von ihm die Komödie „Das Mandat“, mit der er drei Jahre früher im Moskauer Meyerhold-Theater erstaunlicherweise sehr erfolgreich war. Gorki nannte ihn damals „unseren neuen Gogol.“ Das kann man für das spätere Stück bestätigen, nicht aber für das „Mandat“, worauf sich das Urteil bezog. In einer heruntergekommenen bürgerlichen Familie werden die Kommunisten verachtet, aber auch gefürchtet und man sucht Verwandte in der Arbeiterklasse vorzuschwindeln, mit einem gefälschten „Mandat“ zu imponieren, ein zaristischer | General benimmt sich trottelhaft, ein Küchenmädchen, in eine große Kiste geraten, wird für die Großfürstin Anastasia gehalten und entsprechend ehrfurchtsvoll behandelt. Was sich sonst noch begibt ist nur läppisch. Satirisch sind lediglich die beiden letzten Sätze. Da erstattet einer eine Anzeige, kommt aber fassungslos zurück: „Sie wollen nicht verhaften!“ Darauf die andern: „Wozu leben wir dann?“ Vorhang.

Wenig beeindruckendes Spiel unter der Regie von Peter M. Preissler mit Margarete Fries, Petra-Maria Antze und Brigitte Swoboda, sowie mit Alfred Rupprecht, Walter Langer, Ludwig Blaha und Karlheinz Hackl in den wichtigsten Rollen. Der Bühnenbildner Georg Schmid tapezierte die Zimmerwände mit stark vergrößerten Seiten aus russischen Zeitungen.

In St. Marx brachte die „Arena 75“ zuletzt ein Gastspiel von La Mama mit der epischen Oper „Die Troerinnen“ .komponiert von Elisabeth Swa-dos. Die Idee stammt von dem Rumänen Andrei Serban, der Motive aus der gleichnamigen Tragödie des Euripides verwendete. Die Aufführung begann bereits im Hof vor der ehemaligen Schweinehalle, setzte sie sich dann an zahlreichen Stellen des Innern fort, immer wieder wurde mitten unter den dicht gedrängten Zuschauern, die mehr als den halben Abend stehen mußten, gespielt, so daß nur die unmittelbar in der Nähe Stehenden von den zuweilen sehr brutalen Szenen etwas sahen. Ad-Absurdum-Führung der seit langem erstrebten innigen Verbindung von Darstellern und Zuschauern. Auch als die Sitzpätze frei gegeben wurden, war nur sehr selten zu erkennen, was da eigentlich vorging, lediglich eine der überaus zahlreichen Gestalten ließ sich identifizieren. Der Programmzettel versagte hierin völlig.

Dieses Musiktheater bedient sich des Altgriechischen und des Lateins, bei den Gesängen der Sprache der Mayas, Nahuatl, Inhien, Azteken. Das ergibt, in rhythmisch und klanglich aparte Musik umgesetzt, ausdrucksstarke Effekte. Optisch war der zweite Teil mit Bewegungsvorgängen über Treppen in drei Höhenlagen überaus sehenswert. Serbans Regie erwies sich da als besonders phantasievoll. Die Aufführung zerfiel in beieindruckend Optisches und Akustisches, was dargestellt wurde, war aber auch bei Kenntnis der eu-ripidäischen Tragödie nur vereinzelt erahnbar.

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