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Von den Hypotheken erdrückt

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Schon zweimal habe ich in der FURCHE zum Schicksal der AZ, die sich von der alten „Arbeiter-Zeitung" zur „Neuen AZ" und schließlich zur „AZ" gewandelt hatte, Stellung bezogen. Am 25. August 1989 stellte ich „Fragen an Robert Hochner", der damals Chefredakteur des Blattes wurde, Fragen inhaltlicher Natur, die der so Angesprochene in der ihm eigenen Arroganz souverän ignorierte, die er aber in der kurzen Praxis seines Gastspiels bei der AZ sehr wohl zu spüren bekam. Als das Ende der AZ unabwendbar schien, kommentierte ich dieses noch bevorstehende Ereignis am 30. August 1990 mit einem „Nekrolog auf die AZ".

Als die AZ wider Erwarten Chancen des Überlebens erhielt, trug ich wie viele Tausende andere mein Scherflein zur Rettung bei. Nicht, weil ich mit der Lmie der Zeitung einverstanden war, sondern weil ich sie als ein gut gemachtes Blatt ansah, dessen Verschwinden zu einer Verarmung der österreichischen Presselandschaft führen würde. Und so besteht auch jetzt, da das Befürchtete dennoch eingetreten ist, kein Grund zur Genugtuung. Es ist ein Armutszeugnis für alle Beteiligten, daß es zum Aus für die AZ gekommen ist.

Und doch muß ich auch, ja gerade angesichts des nunmehr Unwiderruflichen das wiederholen und bekräftigen, was ich schon in meinen früheren Stellungnahmen ausgeführt habe: daß der Tod der AZ nicht von ungefähr gekommen ist, daß er nicht einer gewissen inneren Logik entbehrt und daß mit Bruno Kreisky, mit dem im Vorjahr verstorbenen Theoretiker Josef Hindels und mit der AZ die letzten personellen und strukturellen Säulen und Überbleibsel des Austrbmarxis-mus dahingegangen sind.

Es ist nur ein Teil der Wahrheit, wenn von den Betroffenen selbst und auch sonst nur die Gründe der Pressekonzentration und der mangelnden privaten Investitionsfreudigkeit, die sicher auch eine, aber nicht die alleinige Rolle gespielt haben, angeführt werden. Die AZ ist nicht nur der Ungunst äußerer Bedingungen erlegen, so wie auch der Austromarxismus, aus dessen Ära die AZ stammt, nicht nur den Schlägen der Weltgeschichte und denen des politischen Gegners erlegen, sondern auch an den eigenen Schwierigkeiten und Widersprüchen gescheitert ist.

Das innere Grundproblem der AZ war, daß sie von der SPÖ zu spät freigegeben wurde und sich selbst zu spät und halbherzig von der Partei und dem alten Blatt gelöst hat. Die AZ hatte von allem Anfang an die Schwierigkeit, die Position einer links-liberalen Tageszeitung, die sie sein wollte, glaubhaft zu machen und gegen Konkurrenzdruck zu behaupten.

Zwischen Loyalität und Emanzipation

Zwischen dem wirklich links-liberalen „Standard" und der linksradikalen „Volksstimme", die inzwischen das Salto mortale zu einer Wochenzeitung „Salto" gemacht hat, konnte die AZ nur schwer ihre Identität und Existenzberechtigung nachweisen. Den alten Sozialisten war sie zu wenig parteitreu und links, in den Augen der nicht-sozialistischen Linksliberalen haftete ihr noch immer zu viel Sozialistisches an, zumal sich nach der proklamierten Richrungsänderng weder der Titel noch die Zusammensetzung der Redaktion des Blattes entscheidend änderte, was erst eine wirkliche Richtungsänderung nach außen signalisiert und glaubhaft gemacht hätte.

Für viele Außenstehende erhob sich in diesem Zusammenhang die Frage, in welcher der beiden ungleich langen und gewichtigen Phasen ihrer Tätigkeit die Redakteure des Blattes ihrer inneren Überzeugung folgten und in welcher sie sich überwiegend äußerem Druck anpaßten: ob in der längeren, in der sie an der Leine der Partei das Lied ihrer Herren sangen oder in der späteren, kürzeren, in der sie bis zu einem gewissen Grad wider den Stachel locken durften, ja sollten. Doch wohl kaum in beiden gleichmäßig.

So blieb denn die AZ ein halbes Parteiblatt und ahmte auch in dieser Beziehung der Halbheit und Zwiespältigkeit das Schicksal der austromarxistischen Ursprungsquelle und Vorlage nach und wandelte es mit einer Zeitverschiebung von einigen Jahrzehnten ab. Die Redaktion der AZ versuchte, gegen den Zeitgeist, der den Parteizeitungen überall den Tod gebracht hat, und gegen dessen Wehen und Wind Klavier zu spielen. Der Versuch, dem Dilemma von Loyalität und Emanzipation gegenüber und von der Partei zu entkommen, war beachtlich und wert, gewagt zu werden. Er war aber letzten Endes doch nur ein Versuch, die geschichtlichen Tendenzen, denen vergleichbare Presseorgane überall zum Opfer gefallen sind, zu überlisten und durch eine Uberstrategie außer Kraft zu setzen.

Der alten und neuen AZ fiel es infolge der personellen und historischen Hypotheken auch schwer, immer zu einer wirklich liberalen Linie zu finden, denn zu einer solchen gehören auch Töleranz und Faimess, die die AZ etwa in ihrer mit großer Gehässigkeit und Unerbittlichkeit geführten Kampagne gegen den amtierenden Bundespräsidenten, gegen den damaligen Kandidaten Kurt Waidheim, vermissen ließ, eine Haltung, die auch nach der Wahl des Bekämpften nicht aufgegeben wurde. In dieser causa und in anderen Fällen schlug der unselige austromarxistische Verbalradikalismus durch und strafte die liberalen Beteuerungen und partiell erfolgreichen Bemühungen in diese Richtung Lügen.

So ist denn mit dem Veschwinden der AZ aus der Zeitungslandschaft ein Stück politische Kultur und ein ehrwürdiges Stück Geschichte, aber auch ein mit dem Erbe der Vergangenheit belastetes Relikt dahingegangen. Die Ambivalenz, die dem Austromarxismus eigen war, ist auch im Schicksal der AZ fortgeschrieben worden und erhalten geblieben. Das prägt damit auch das Urteil über dieses mit dem Tod der AZ zu Ende gegangene Kapitel der Pressegeschichte, das auch eines der politischen Geschichte Österreichs war.

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