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Von der Donau zum Amazonas

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Am „heiligen Experiment" der Jesuiten in Südamerika waren auch österreichische Missionare beteiligt. Das beweisen die Bestände des Wiener Provinzarchivs dieses Ordens.

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Am „heiligen Experiment" der Jesuiten in Südamerika waren auch österreichische Missionare beteiligt. Das beweisen die Bestände des Wiener Provinzarchivs dieses Ordens.

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Schon seit Jahren bemüht sich ein Verein, dem auch die Gesellschaft Jesu angehört, das „Lateinviertel" — rund um die Alte Universität — in Wien zu revitali-sieren. Auch das Ordenshaus der Jesuiten soll umgebaut werden, um einem Theatersaal (mit Foyer) Platz zu machen. Davon betroffen ist auch das Prbvinzarchiv mit seinen wertvollen Beständen, die aufzeigen, welchen großen Anteil österreichische Jesuiten an der Erforschung und Erschließung Südamerikas haben.

Kein Orden war je so umstritten wie die Societas Jesu. Von Papst Paul III. 1540 bestätigt,

wirkten bereits beim Tode des Ordensstifters Ignatius von Loyola (1556) an die tausend Jesuiten in fast allen katholischen Ländern Europas und in den portugiesischen Uberseegebieten.

Durften zunächst nur spanische oder portugiesische Missionare nach Südamerika reisen, mußten bald auch Jesuiten aus anderen Ländern zugelassen werden, denn die Kolonialherren hatten „die heilige Pflicht, die christliche Religion in den neuen Besitzungen zu schützen ... und für die Aussendung und Ausstattung einer hinlänglichen Anzahl Missionare Sorge zu tragen", wie es in den Verträgen mit der Kirche heißt.

Das Mißtrauen gegenüber ausländischen Missionaren war bedingt durch die Rivalität der Seemächte groß. Den österreichischen Missionaren aber standen keine politischen Bedenken im Wege; wohl, weil seit 1516 in Spanien Habsburger herrschten und vor allem, weil Österreich keine nennenswerten überseeischen Interessen hatte.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts reisten österreichische Jesuiten in größerer Zahl nach Südamerika. Während in den befriedeten Küstengebieten die Missionare ein vergleichsweise bequemes Leben führten, lagen die Hauptarbeitsgebiete der Österreicher am Maranon und Paranä. Dort wirkten sie unter härtesten klimatischen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter ständiger Lebensgefahr und oft unter totaler Vereinsamung.

In den Reduktionen, die ab 1610 zum Schutz der Indios vor der Ausbeutung durch die Großgrundbesitzer entstanden, wurde nicht nur für die Bekehrung, sondern auch für die Ernährung und den Schutz der Eingeborenen gesorgt. Der Missionar, der in den unwegsamen Gebieten dabei oft völlig auf sich allein gestellt war, muß daher „Vorsteher aller Künsten und Handwerken" sein, wie der sehr beliebte Südtiroler P. Anton Sepp aus Paraguay berichtete.

Aber neben der kolonisatorischen Leistung brachten die Jesuiten auch noch genug Energie auf, um sich wissenschaftlich zu betätigen. Ihre Tüchtigkeit wurde in den königlichen Dankschreiben besonders hervorgehoben.

österreichische Jesuiten stiegen innerhalb der Hierarchie bis in die höchsten Ämter auf, errichteten Observatorien und lehrten an den Universitäten Südamerikas.

Als Künstler und Handwerker gefragt, bauten sie Kirchen und Kollegien und schmückten sie nach barocker Manier prunkvoll aus, immer auch bemüht, indianische Stilelemente miteinzubezie-hen.

Um den Krankheiten und Seu-

chen, die ganze Urwaldstämme dahinrafften, entgegenzutreten, richteten sie Apotheken ein, sammelten einheimische Kräuter und beschrieben deren Wirkung. So hat der Grazer Jesuitenpater Franz Xaver Veigl schon 40 Jahre vor Alexander von Humboldt das Curare und seine Wirkung ausführlich beschrieben.

Von besonderer Bedeutung sind die Reisebeschreibungen und Monographien, die vielfach die einzigen Quellen längst ausgestorbener oder assimilierter Indianerstämme sind. Bedeutsam sind dabei vor allem die linguistischen und ethnologischen Beiträge. So gilt P. Martin Dobrizhoffer mit seinem dreibändigen Werk über die „Geschichte der Abiponer" als Pionier der vergleichenden Völkerkunde.

Die etwa zur gleichen Zeit verfaßte „Treu gegebene Nachricht" des P. Florian Paucke ist für die Landeskunde von Paraguay von

größter Bedeutung. (Die reich illustrierte Handschrift befindet sich im Zisterzienser-Stift Zwettl.) Viele der Briefe sind im „Welt-Bott" gesammelt und erzählen vom Leben und den Sitten der Indios.

Der weitaus bedeutsamste Jesuitenmissionar Südamerikas war der aus Trautenau (Böhmen) stammende Pater Samuel Fritz, der 1689 den Amazonas bis zur Mündung befuhr und als erster eine genaue Karte des Flusses mit all seinen Nebenflußmündungen zeichnete.

Waren die Jesuiten schon seit ihrer Gründung zahlreichen Anfeindungen und Verdächtigungen ausgesetzt, so erreichten diese mit ihrer Vertreibung 1759 und 1767 ihren Höhepunkt. 1773 hob Papst Clemens XIV. den Orden auf.

Die Missionsdörfer, die nach dem Zeugnis des berühmten französischen Mathematikers und Forschungsreisenden Charles Marie la Condamine unter der Leitung der Jesuiten wohlhabender und reicher als die Weißen waren, verfielen rasch durch die Mißbräuche der nachfolgenden Administratoren, sodaß in wenigen Jahrzehnten viele der ehemals blühenden Jesuitenreduktionen entvölkert und vom Urwald überwuchert wurden.

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